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1 Allgemeine Rechtsfragen

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BayVG Augsburg, Urteil, 28.10.2021, AZ: Au 5 K 21.288, Publikationsart:
1. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtes Augsburg vom 28. Oktober 2021 befasst sich dezidiert mit den Grundsätzen der Material,- Form- und Werkstoffgerechtigkeiten im denkmalschutzrechtlichen Verfahren wegen geplanter Veränderungsmaßnahmen an einer ein Baudenkmal „Ensemble“ konstituierenden baulichen Anlage. 2. Die denkmalschutzrechtliche Praxis der Denkmalschutzbehörden, im Wege von in enger Abstimmung mit der Denkmalfachbehörde erarbeiteter Auflagen geplante Maßnahmen doch in denkmalpflegerisch vertretbarer Weise durchführen lassen zu wollen und nicht – alternativ – in Gänze ablehnen zu müssen, wird mit dieser Entscheidung maßgeblich gestärkt.
BayVG Augsburg - Urteil v. 28.10.2021 - Au 5 K 21.288 - anonym.pdf

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.2 Zuständigkeiten, Verfahrensfragen
1.2.3 Nebenbestimmungen, Nachträgliche Anordnungen
2 Baudenkmalpflege
2.1 Ensemble
2.1.2 Erscheinungsbild
2.1.3 Nichtdenkmal im Ensemble
2.3 Sonstige Veränderungen
2.3.1 Grundsätze
2.3.3 Um-, An- und Aufbauten, Nutzungsänderungen
2.3.4 Fenster
2.3.5 Fassaden
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1. Es besteht kein Anspruch auf Erteilung der beantragten Erlaubnis der nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSchG erforderlichen denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis für den Abbruch des betonierten, Teil eines NS-Rüstungswerks seienden Wasserreservoirs.
2. Bei dem Wasserreservoir handelt es sich um ein Baudenkmal i. S. d. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG, da es eine bauliche Anlage aus vergangener Zeit ist, die von Menschen geschaffen wurde und deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen und wissenschaftlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt.
3. Das Wasserreservoir ist Teil eines integralen Denkmals, das die obertägigen und untertägigen Reste des ehemaligen Rüstungswerks im Bereich des Mühldorfer Harts und damit Bau- und Bodendenkmäler umfasst (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 22.07.2008, Az.: Vf. 11-VII-07, https://www.w-goehner.de/rechtsprechungsuebersicht/direktlink.php?id=1 / juris [Rn. 45 ff.]).
4. Das Reservoir gehört zu den baulichen Anlagen des Rüstungswerks im Mühldorfer Hart und veranschaulicht das Terrorregime des Nationalsozialismus, die „Topographie des Terrors“ und die „Vernichtung durch Arbeit“ in einzigartiger Weise. Dabei dokumentiert es den Versuch der Nationalsozialisten, innerhalb kürzester Zeit durch Zwangsarbeiter rücksichtslos einen Rüstungsgroßbetrieb zu errichten. Das Wasserreservoir steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem ehemaligen Rüstungswerk im Mühldorfer Hart, von dem insbesondere die Ruine einer halbunterirdischen Flugzeugmontagehalle noch erhalten ist. Die räumliche Entfernung des Reservoirs zu dieser Ruine spricht nicht gegen die Denkmaleigenschaft des Wasserbeckens, sondern verdeutlicht vielmehr die immensen Ausmaße des Rüstungswerks.
5. Dass westlich der als Ruine vorhandenen Flugzeugträgerhalle in größerer Entfernung zum Wasserreservoir weitere Ruinen vorhanden sind, beseitigt nicht die Denkmaleigenschaft des Reservoirs, sondern bestätigt umso mehr die Bedeutung zur Veranschaulichung der Dimension des ehemaligen Rüstungswerks. Das Vorhandensein größerer und ggf. auch besser erhaltener Teile des integralen Denkmals ändert nichts an der Eigenschaft des Reservoirs als Baudenkmal, sondern unterstreicht nur dessen Bedeutung.
6. Dass das Wasserreservoir sehr eingewachsen ist und die Spuren der Zeit trägt, ändert ebenfalls nichts daran, dass es sich um ein Denkmal handelt. Denn der Erhaltungszustand des Bauwerks hat grundsätzlich keinen Einfluss auf seine Denkmaleigenschaft (vgl. BayVGH, Urteil v. 18.10.2010, Az.: 1 B 06.63, juris [Rn. 32 zur Beseitigung eines ehemaligen Gasthofs]). Hinzu kommt, dass es sich um ein Denkmal handelt, das als Mahnmal an die vergangene NS-Zeit erinnert und dessen Wiederaufbau - anders als etwa bei einem erhaltenswerten, alten Wohnhaus - gerade keinen Sinn machen würde. Allein durch sein Vorhandensein im jetzigen Zustand ist das Wasserreservoir denkmalwürdig und dient als Mahnung an die Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus. Daher ist es gerade auch in seinem derzeitigen, durch die Jahrzehnte gezeichneten und verwitterten Zustand als Denkmal erhaltenswert.
7. Dass das Wasserreservoir nicht öffentlich zugänglich ist, ändert ebenfalls nichts an seiner Denkmaleigenschaft. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass sich Denkmäler auf Privatgrund befinden. Das Wasserreservoir liegt zudem am Rande des Privatgrundstücks in unmittelbarer Nähe zu einem öffentlich genutzten Weg, so dass es von östlicher und südlicher Seite betrachtet werden kann. Der interessierte Besucher kann sich somit von dem öffentlich genutzten Weg aus einen guten Überblick über das Reservoir und dessen Zusammenhang zum gesamten Rüstungswerk verschaffen. Hinzu kommt, dass der interessierte Besucher gerade durch einen Fußmarsch von der Ruine der Flugzeughalle zum Wasserreservoir auch die immensen Größenausmaße der ehemaligen Bunkeranlage nachvollziehen kann.
8. Die Denkmaleigenschaft ist auch nicht aufgrund des Abrisses mehrerer zur Gesamtanlage gehörender Bunker und des Zwangsarbeiterlagers in den 1990er Jahren entfallen. Den Genehmigungen von damals kommt keine Wirkung dahingehend zu, dass, wenn schon der Abbruch der Bunkeranlagen denkmalrechtlich genehmigt wurde, erst Recht der Abbruch des Wasserreservoirs genehmigt werden müsste.
9. Dass das Wasserreservoir nicht zusammen mit der Flugzeugmontagehalle in den geplanten „Gedenkort einbezogen werden soll, ändert ebenfalls nichts an seiner Denkmaleigenschaft. Denn es ist zwischen einem Gedenkort einerseits und der Denkmaleigenschaft eines Bauwerks andererseits zu unterscheiden. Es obliegt der Entscheidung des Freistaats Bayern, welchen Bereich er tatsächlich als Gedenkort ausgestalten will. Diese Entscheidung ist von einer Vielzahl an Faktoren, insbesondere auch von der Zugänglichkeit, der tatsächlichen Verfügbarkeit und der Geeignetheit eines Denkmals als Gedenkort, abhängig. Dabei ist es keine Voraussetzung zur Bejahung der Denkmaleigenschaft, dass das Bauwerk als Gedenkort ausgewiesen ist.
10. Es sprechen gewichtige Gründe des Denkmalschutzes i. S. d. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG gegen den Abriss des Wasserreservoirs und für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands. Sie ergeben sich unabhängig davon, wie die Bedeutung des Baudenkmals bei der Abwägung zwischen den für und gegen einen Abbruch sprechenden Gründen zu gewichten ist, aus den dargelegten Gründen, die die Denkmaleigenschaft des Reservoirs begründen.
11. Die „gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes“ stellen einen uneingeschränkt gerichtlicher Überprüfung unterliegenden unbestimmten Rechtsbegriff dar (BayVGH, Beschluss vom 31.10.2012, Az.: 2 ZB 11.1575, juris [Rn. 4 m. w. N.]).
12. Fehlen gewichtige Gründe, so ist ein Versagungsermessen nicht eröffnet, d. h. es bestünde ein Anspruch der Klägerin auf die Erteilung der Erlaubnis. Dabei sind die gewichtigen Gründe nicht dahingehend zu verstehen, dass dem Baudenkmal im Vergleich mit der allgemein für die Begründung der Denkmaleigenschaft maßgebenden Bewertung eine gesteigerte Bedeutung zukommen müsste. Vielmehr ergibt sie sich bereits aus der Bedeutung, auf der die Denk-maleigenschaft beruht (BayVGH, Urteil v. 27.09.2007, Az.: 1 B 00.2474, juris [Rn. 70]).
13. Für den Regelfall ist daher bei Baudenkmälern davon auszugehen, dass stets ein Erhaltungsinteresse anzuerkennen ist und damit gewichtige Gründe für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes indiziert sind. Gewichtige Gründe liegen allenfalls bei völlig un-bedeutenden Baudenkmälern nicht vor (BayVGH, Beschluss v. 31.10.2012, Az.: 2 ZB 11.1575, juris [Rn. 4]; BayVGH, Urteil v. 18.10.2010, Az.: 1 B 06.63, juris [Rn. 35]).
14. Der klägerische Antrag darf nicht alleine aus den festgestellten gewichtigen Gründen des Denkmalschutzes abgelehnt werden. Vielmehr verlangt Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG eine Ermessensentscheidung. Nach Art. 40 BayVwVfG ist das Ermessen dem Zweck der Ermächtigung entsprechend auszuüben. Zweck des Erlaubnisvorbehaltes in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG ist vor allem, durch eine präventive Kontrolle den Hauptzielen des Gesetzes, einer möglichst unveränderten Erhaltung (Art. 4 BayDSchG) und einer möglichst zweckentsprechenden Nutzung (Art. 5 BayDSchG) der Denkmäler gegen Maßnahmen, die diesen Zielen typischerweise zuwiderlaufen, im Rahmen des dem Denkmaleigentümer Zumutbaren Rechnung zu tragen.
15. Die Behörde trifft mithin eine rechtsgestaltende Entscheidung, welche die Belange des Denkmalschutzes auf der einen sowie die widerstreitenden öffentlichen Belange und die betroffenen privaten Belange auf der anderen Seite ausgleichen muss. Hierfür müssen alle vom Vorhaben betroffenen Belange berücksichtigt und miteinander und gegeneinander abgewogen werden (BayVGH, Urteil v. 27.09.2007, Az.: 1 B 00.2474, juris [Rn. 87 m. w. N.]; BayVG München, Urteil v. 20.04.2015, Az.: M 8 K 14.635, juris [Rn. 42]).
16. Die Erlaubnis darf nur versagt werden, wenn die Gründe, die für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen, so viel Gewicht haben, dass sie die für das Vorhaben streitenden öffentlichen und privaten Belange überwiegen (BayVGH, Urteil v. 11.01.2011, Az.: 15 B 10.212, juris [Rn. 26]).
17. Bei der Ermessensausübung ist maßgeblich die Bedeutung des Baudenkmals zu berücksichtigen sowie Art und Intensität des beabsichtigten Eingriffs zu den gewichtigen Gründen des Denkmalschutzes ins Verhältnis zu setzen. Je gravierender der Eingriff aus denkmalfachlicher Sicht ist, desto größere Bedeutung kommt danach bei der Abwägung den für einen unveränderten Erhalt sprechenden gewichtigen Gründen des Denkmalschutzes zu, was im Einzelfall auch zur Folge haben kann, dass sich das Versagungsermessen zu einer Versagungspflicht verdichtet (BayVG München, Urteil v. 20.04.2015, Az.: M 8 K 14.635, juris [Rn. 43]).
18. Ferner ist Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG so auszulegen und anzuwenden, dass den aus Art. 14 Grundgesetz (GG) folgenden Anforderungen an ein Inhalt und Schranken des Grundeigentums bestimmendes Gesetz entsprochen wird. Hierfür muss die Prüfung, ob dem Denkmaleigentümer die (unveränderte) Beibehaltung des bisherigen Zustands mit den Erhaltungs- und Nutzungspflichten gemäß Art. 4 und Art. 5 BayDSchG zuzumuten ist, zumindest dem Grunde nach im Erlaubnisverfahren erfolgen. Im Fall der Unzumutbarkeit muss die Erlaubnis erteilt werden. Bei der Zumutbarkeitsprüfung ist nicht auf die besondere Situation des jeweiligen Eigentümers, sondern auf den „für Denkmalbelange aufgeschlossenen Eigentümer“ abzustellen (BayVGH, Urteil v. 18.10.2010, Az.: 1 B 06.63, juris [Rn. 38]; BVerfG, Beschluss v. 02.03.1999, Az.: 1 BvL 7/91, BVerfGE 100, 226).
19. Der Beklagte hat sein Ermessen, das nach § 114 VwGO nur eingeschränkter gerichtlicher Überprüfung unterliegt, rechtmäßig ausgeübt und unter Berücksichtigung aller vorgebrachten Interessen der Klägerin und der Allgemeinheit von der Erteilung einer Abbrucherlaubnis in ermessensgerechter und damit rechtmäßiger Weise abgesehen. Die Versagung der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis ist auch verhältnismäßig.
20. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass keine größeren Erhaltungsmaßnahmen von der Klägerin gefordert werden und ihr damit kein größerer finanzieller Aufwand zur Erhaltung des Denkmals, insb. keine Sanierung des Reservoirs abverlangt wird, auch wenn jedoch Pflegemaßnahmen wie etwa das Zurückschneiden der wuchernden Vegetation auf der Grundstücksfläche von rund 3.500 m² in Betracht kämen. Das Baudenkmal soll in einem Zustand erhalten werden, dass es für den Betrachter erlebbar bleibe. Diese Vorgaben der Bayerischen Denkmalfachbehörde BLfD sind nachvollziehbar, da Sanierungsmaßnahmen unter Würdigung des geschichtlichen Hintergrunds nicht sinnvoll erscheinen. Das Wasserreservoir dient zusammen mit der gesamten Anlage als Zeuge des nationalsozialistischen Terrors und damit als Mahnmal für die Allge-meinheit.
21. Auch die objektiv fehlende Nutzbarkeit des Wasserreservoirs ändert angesichts seiner immensen geschichtlichen Bedeutung nichts. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass selbst bei einer Erteilung der denkmalschutzrechtlichen Abbrucherlaubnis der Platz, auf dem sich das Wasserreservoir befindet, nicht wie angedacht als Lagerfläche genutzt werden könnte, da das Grundstück sich im Außenbereich befindet, wo ein Lagerplatz nicht zulässig ist, so dass somit im Entscheidungszeitpunkt auch kein Lagerplatz „verloren“ gehen kann. Daher liegt in der Ablehnung der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis auch keine unzumutbare Beeinträchtigung des Eigentums.
22. Aber auch unabhängig von der baurechtlichen Zulässigkeit des Lagerplatzes ist die Versagung der Erlaubnis unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 GG nicht unverhältnismäßig. Die Gesamtfläche des streitgegenständlichen Grundstücks beträgt knapp 11.000 m², die gesamte Fläche des Betriebs der Klägerin inklusive des streitgegenständlichen Grundstücks beträgt etwa 53.000 m². Selbst wenn der beabsichtigten Lagerung auf dem streitgegenständlichen Grundstück baurechtlich nichts entgegenstünde, wäre die der Klägerin auf Grund des Denkmals nicht als Lagerfläche zur Verfügung stehende Fläche mit etwa 2.900 m² im Verhältnis dazu relativ gering, so dass es auch von daher nicht unverhältnismäßig erscheint, den Bereich des Denkmals als Lagerfläche auszunehmen. Bei den etwa 2.900 m² ist nicht nur das Wasserreservoir selbst mit seinen etwa 1.700 m², sondern die gesamte Fläche ab dem Wasserreservoir bis hin zur Grundstücksgrenze berücksichtigt.
23. Im Übrigen würde auch dann die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein, wenn die nicht als Lager zur Verfügung stehende Fläche mindestens 4.000 m² betragen würde. Denn von Art. 14 GG ist nicht stets die wirtschaftlichste Verwendung des Privateigentums geschützt. Auch wenn das Wasserreservoir auf dem streitgegenständlichen Grundstück bestehen bleibt, kann sie - sofern die baurechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen – dieses Grundstück als Lagerfläche benutzten. Allein der Bereich, auf dem das Denkmal steht, ist hiervon ausgenommen.
24. Berücksichtigt man gegenüber den Interessen der Klägerin die erhebliche geschichtliche Bedeutung des Denkmals, folgt hieraus keine Unverhältnismäßigkeit der Erhaltung des Wasserreservoirs. Es ist Zeitzeuge des Terrorregimes zu NS-Zeiten und dient als mahnende Erinnerung an diese Zeit. Es verdeutlicht das Ausmaß des ehemaligen Rüstungswerks und damit auch der „Topographie des Terrors“. Würde es abgerissen, würde ein wichtiger Teil der erhaltenswerten, da einzigartigen - aus heutiger Sicht erschreckenden - Bunkeranlage fehlen.
25. Photos zur Dokumentation des Wasserreservoirs können die Substanz der baulichen Anlage nicht ersetzen und sind im Hinblick auf die Erlebbarkeit des Denkmals nicht mit dessen Vorhandensein vergleichbar. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Ausmaße des Wasserreservoirs selbst. Schon das Wasserreservoir für sich genommen ist von eindrucksvollem Ausmaß. Hinzu kommt, dass es Teil eines integralen Denkmals ist (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 22.07.2008, Az.: Vf. 11-VII-07, https://www.w-goehner.de/rechtsprechungsuebersicht/direktlink.php?id=1 / juris [Rn. 45 ff.]).
BayVG München, Urteil , 05.04.2016, AZ: M 1 K 15.1167, Publikationsart: BeckRS 2016, 48469 / juris

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.2 Bedeutung
1.1.3 „aus vergangener Zeit“
1.1.4 Denkmalwürdigkeit
1.1.5 Veränderungsfolgen
1.1.7 Folgen für das Eigentum
1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
1.3 Bauplanungsrecht, Bauleitplanung, Bauordnungsrecht
1.3.2 Bebauungsplan
2 Baudenkmalpflege
2.2 Abbruch
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
2.2.1.1 Grundsätze
2.2.4 Gewichtige Gründe des Denkmalschutzes
2.2.5 Sozialbindung, Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit, Darlegungslast
2.2.6 Gebundene Entscheidung (Prüfung, Ausgleichsleistungen, Ermessen, Abwägung)
2.5 Erhaltungs- und Sicherungspflichten
3 Bodendenkmalpflege
3.1 Unterschutzstellung
3.1.1 Umgrenzung, Ausdehnung, Begrenzung, Nachweis
3.2 Veränderungen, Zerstörungen, Pflichten
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1. Die beantragte Feststellung, dass die Produktionshalle der Maschinenbaufirma Deckel kein Denkmal im Sinne des Art. 1 Abs. 1 BayDSchG sei, ist als Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses statthaft. Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d. h. es muss „in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig" sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.01.2010, Az.: 8 C 38.09, juris [Rn. 32] / BVerwGE 136, 75 m. w. N.). Aus der Denkmaleigenschaft i. S. v. Art. 1 BayDSchG folgen zahlreiche gesetzliche Pflichten, u. a. die in Art. 4 BayDSchG geregelte Erhaltungspflicht, die Pflicht zur denkmalgerechten Nutzung (Art. 5 BayDSchG) sowie der in Art. 6 BayDSchG geregelte Genehmigungsvorbehalt.
2. Der Feststellungsklage steht auch nicht der Grundsatz der Subsidiarität (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) entgegen. Der der Klägerin zustehende Rechtsschutz soll auf dasjenige Verfahren, das ihrem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.03.2014, Az.: 6 C 8.13, juris [Rn. 13]). Gemessen daran kann die Klägerin nicht auf eine Klage auf Erteilung einer Abrisserlaubnis nach Art. 6 BayDSchG verwiesen werden, da sich aus der von der Klägerin vorrangig geltend gemachten fehlenden Denkmaleigenschaft des streitgegenständlichen Gebäudes ein Anspruch auf Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Abrissgenehmigung nicht ableiten lässt, weil eine Erlaubnispflicht gern. Art. 6 Abs. 1 S. 1 BayDSchG für einen Gebäudeabriss nur besteht, wenn es sich um ein Baudenkmal i. S. v. Art. 1 BayDSchG handelt (vgl. Sächs. OVG, Urt. v. 16.03.2015, Az.: 1 A 727/13, juris [Rn. 10]). Ausgehend davon legt die Klägerin mit ihrem Hauptvorbringen zur „mangelnden Denkmalwür-digkeit" des streitgegenständlichen Gebäudes einen Sachverhalt dar, der zur Unzulässigkeit einer Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Abrissgenehmigung und damit zur Klageabweisung führen würde (vgl. Sächs. OVG, Urt. v. 16.03.2015, Az.: 1 A 727/13, juris [Rn. 10]). Vor diesem Hintergrund stellt in diesem Fall gerade die Feststellungsklage den wirkungs-vollsten Rechtsschutz bereit (vgl. BayVG München, Urt. v. 18.10.2010, M 8 K 09.3950, n. V. [bestätigt durch BayVGH, Beschl. v. 04.09.2012, Az.: 2 ZB 11.587, juris]; BayVG München, Urt. v. 20.07.2015, Az.: M 8 K 14.3265, n. V.).
3. Nach Art. 2 Abs. 1 BayDSchG hat dies Eintragung in die Bayerische Denkmalliste für die Denkmaleigenschaft keine rechtsbegründende Wirkung, sondern erfolgt nur nachrichtlich (Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 2 Rn. 2). Die Eigenschaft einer Sache als Baudenkmal hängt nicht von der Eintragung ab (Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 2 Rn. 4).
4. Bei dem streitgegenständlichen Gebäude „Produktionshalle 03“ handelt es sich um eine von Menschen geschaffene Sache.
5. Das Gebäude stammt zudem „aus vergangener Zeit“ und gehört heute einer abgeschlosse-nen Epoche der Vergangenheit an, also einem Zeitabschnitt, sind, also in der Gegenwart nicht mehr andauern, ist jeweils im Zeitpunkt der Anwendung des Gesetzes zu entscheiden. Abge-schlossen ist heute nicht nur die Epoche der Gründerzeit, des Jugendstils und der Wilhelmini-schen Ära, sondern darüber hinaus etwa auch die Neue Sachlichkeit der Zwanziger Jahre, die Bauhaus-Zeit und der Kolossalstil des Dritten Reiches. Bei Werken aus den 1950er Jahren handelt es sich um Schöpfungen einer abgeschlossenen, historisch gewordenen Epoche der Vergangenheit (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 22; Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 7 f.). Das Ende der Wiederaufbauzeit wird dabei allgemein mit 1960 angenommen (vgl. Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 6).
6. Für Bauten der 1970er und 1980er Jahre sind auch heute die Grenzen für eine Zuordnung zur Vergangenheit nicht eindeutig zu definieren. Allerdings finden sich in der Bayerischen Denkmalliste bereits Gebäude, wie das Olympiastadion und das Hypohochhaus, die erst deut-lich später als die streitgegenständliche Produktionshalle errichtet wurden. Bauliche Anlagen der Postmoderne können allerdings noch nicht als Bauten der Vergangenheit eingeordnet werden (vgl. BayVGH, Urt. v. 10.06.2008, Az.: 2 BV 07.762, juris). Schließlich soll eine Mu-sealisierung des Lebens ebenso vermieden werden, wie eine Bevormundung der Bürger und jeder Zeit ein Handlungsspielraum zugestanden werden (vgl. Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 8; Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 22). Sachen, die in der lebendigen und noch im Fluss befindlichen Gegenwart entstanden sind, können daher nicht als Denkmäler angesehen wer-den.
7. Gemessen an diesen Maßstäben stammt die ehemalige Produktionshalle der Firma Deckel aus vergangener Zeit im Sinn von Art. 1 Abs. 1 BayDSchG. Die im Wesentlichen von 1958 bis 1960 erbaute Halle gehört damit (noch) der sog. Wiederaufbauzeit angehört. Bei einem Bau-denkmal muss für die Einordnung in die jeweilige historische Epoche auf den Zeitraum seiner tatsächlichen Errichtung abgestellt werden, während es auf die vollständige Fertigstellung ebenso wenig ankommt als die Epoche der Wiederaufbauzeit exakt am Stichtag 31.12.1959 geendet haben sollte. Die Bewertung der Halle als ein Objekt aus einer abgeschlossenen his-torischen Epoche wird auch durch das gerichtliche Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Raabe vorn 30.09.2014 bestätigt. Die streitgegenständliche Produktionshalle ist damit denk-malfähig.
8. Ziel des Denkmalschutzes ist es, die Baukultur der Vergangenheit, d. h. die geschichtlichen Zeugnisse im Original zu erhalten. Denkmalpflege und Denkmalschutz zielen darauf, histori-sche Zusammenhänge in Gestalt einer baulichen Anlage in der Gegenwart zu veranschauli-chen (vgl. BayVGH, Urt. v. 03.01.2008, Az.: 2 BV 07.760, juris [Rn. 18]). Tragender Grund für die mit der Unterschutzstellung als Denkmal verbundenen weitreichenden Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse ist, dass Denkmäler für geschichtliche Umstände und Entwicklun-gen Zeugnis ablegen. Der Denkmalschutz will körperliche Zeugnisse aus vergangener Zeit als sichtbare Identitätszeichen für historische Umstände bewahren und die Zerstörung historischer Substanz verhindern (vgl. OVG NRW, Urt. v. 26.08.2008, Az.: 10 A 3250/07, juris [Rn. 45]).
9. Den Einschätzungen des BLfD und der von seiner Seite vorgelegten gutachterlichen Stel-lungnahmen kommt tatsächliches Gewicht zu (vgl. BayVGH, Urt. v. 18.07.2013, Az.: 2 ZB 12.1741, juris [Rn. 27]), da das BLfD nach Art. 12 Abs. 1 und 2 BayDSchG die in Bayern zu-ständige Fachbehörde für alle Fragen des Denkmalschutzes ist (Eberl/ Martin/ Greipl, BayDSchG, 6. Aufl. 2007, Art. 12 Rn. 11 und 14). Es ist durch Art. 12 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 5 und 1 BayDSchG dazu berufen, durch sachverständige Bedienstete fachliche Stellungnahmen und Gutachten abzugeben. Damit wird die erforderliche Sachkunde vermutet (Eberl/ Martin/ Greipl, BayDSchG, 6. Aufl. 2007, Art. 12 Rn. 39). Gerade die Denkmalfachbehörden der Län-der sind dazu berufen, sachkundige Stellungnahmen zur Schutzwürdigkeit von Denkmalen abzugeben. Nur dadurch wird ein wirksamer und maßstabsgerechter Denkmalschutz unab-hängig von einem sich wandelnden Bewusstsein der Bevölkerung sichergestellt (Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010 Teil C Rn. 34 und 33).
10. Der streitgegenständlichen Produktionshalle „Gebäude 03" kommt die erforderliche ge-schichtliche Bedeutung zu. In rechtlicher Hinsicht muss ein geschichtlich bedeutendes Denk-mal historische Ereignisse oder Entwicklungen heute und für zukünftige Generationen an-schaulich machen. Dem modernen Denkmalverständnis liegt der Dokumentationswert früherer Bauweisen und der in ihnen zum Ausdruck kommenden politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse aller gesellschaftlicher Schichten zugrunde (vgl. Vierbrock, in: Martin/Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Auflage 2010, Teil C Rn. 11). Geschichtliche Bedeutung ist gegeben, wenn ein Gebäude historische Ereignisse oder Entwicklungen heute und für zukünftige Generationen anschaulich macht. Die Bedeutung kann aus allen Zweigen der Geschichte hergeleitet werden, so aus der Wirtschafts-, Architektur-, Technik-, Kunst und Sozialgeschichte (vgl. Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 18). Auch bauliche Anlagen, die als hässlich oder störend empfunden werden, können von geschichtlicher Bedeutung sein (vgl. Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 18). Die geschichtliche Bedeutung kann auch darin liegen, dass das Gebäude das erste oder das einzige in einer bestimmten Gegend noch erhaltene Beispiel einer bestimmten Bautechnik oder einer Stilrichtung oder einer Gebäudeart ist (vgl. Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 18).
11. Bei baulichen Anlagen aus der Wiederaufbauzeit nach dem Zeiten Weltkrieg kann sich die geschichtliche Bedeutung u. a. aus der Verwendung neuer Baustoffe und der Anwendung neuer Baumethoden ergeben. Von geschichtlicher Bedeutung können auch neuartige Lösun-gen bautechnischer Probleme oder althergebrachter Aufgaben sein (vgl. Eberl/ Martin/ Spen-nemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 18). Denn hier liegt dem modernen Denkmalbe-griff der Dokumentationswert früherer Bauweisen und der in ihnen zum Ausdruck gekomme-nen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse zugrunde (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzber-ger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 11).
12. Die ehemalige Produktionshalle hat architekturgeschichtliche Bedeutung. Nach dem Gut-achten des BLfD vom 28.07.2014 ist sie zur Zeit ihrer Entstehung in Bayern als in der Bau-technik Stahlrohrfachwerk errichtetes Bauwerk einmalig und steht am Beginn großer Fabrik-hallen der Nachkriegszeit. Dieses „,Alleinstellungsmerkmal" spricht bereits wesentlich für die Denkmaleigenschaft der Halle (vgl. Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 18). Hallen in anderen deutschen Ländern sind insoweit nicht maßgeblich. Zudem unterscheidet sich die Halle in den Abmessungen deutlich von den von der Klägerin angeführ-ten beiden Vergleichsobjekten (Paketposthalle, Werner-von-Linde-Halle im Olympiapark Mün-chen), ebenso in der Form und dem äußeren Erscheinungsbild. Auch der Zweck der beiden Bauten war unterschiedlich, vorliegend war es die Maschinenproduktion, die Paketposthalle diente dem Umschlag von Paketpost von der Eisenbahn auf die Straße. Die zur Ausrichtung der XX. Olympischen Spiele 1972 errichtete Werner-von-Linde-Sporthalle stammt ihrerseits aus einer anderen Entstehungszeit und hat als Sportstätte ebenfalls eine andere Funktion.
13. Die ehemalige Produktionshalle der Fa. Deckel hat daneben auch technikgeschichtliche Bedeutung. Die Dreigurt-Fachwerkbinder-Konstruktion des Daches als Stahlrohrfachwerk mit der großen Spannweite von 60 Metern ist zumindest für Bayern neuartig und stellt damit die erste Anwendung dieser Technik in diesem Maßstab sowie eine ingenieur-technisch zu ihrer Zeit herausragende Leistung dar. Bei der Frage, ob ein Bauwerk ein Baudenkmal ist, kommt es im Übrigen nicht darauf an, ob die Technologie zu seiner Errichtung bereits vorhanden und bekannt war. Es genügt nicht, dass der Architekt oder Ingenieur in der Theorie bereits wusste, wie etwas zu bauen ist. Entscheidend ist vielmehr die erstmalige oder zumindest im Vergleich zu anderen ähnlichen Objekten frühzeitige tatsächliche Verwirklichung, also die Umsetzung des Wissens und Könnens in gebaute Praxis. Erst dadurch entsteht ein materielles Zeugnis, das später als Baudenkmal Zeugnis von eben diesem Umsetzungsvorgang ablegen kann. Insoweit stellt die Halle ein anschauliches Zeugnis für die erstmalige praktische Anwendung eines so weit gespannten Daches aus Stahlrohrfachwerkträgern in Bayern dar.
14. Ob die streitgegenständliche Halle darüber hinaus auch im Hinblick auf die Firmenge-schichte der früher dort produzierende Firma Deckel geschichtliche Bedeutung hat, kann im vorliegenden Fall – unbeschadet der nachstehenden Überlegungen – dahinstehen. Der Ein-wand, bei allgemeiner Anwendung dieses Gedankens würden bald alle Gewerbegebiete mit alten Produktionsstätten „vollstehen", für die es keine Verwendung mehr gäbe, kann nicht von vornherein von der Hand gewiesen werden. In der Halle selbst weist heute unmittelbar nichts mehr darauf hin, dass dort einmal eine Maschinenfabrik ihre Produkte fertigte. Nicht ohne Ge-wicht ist dabei, dass die Halle eben keine typische Fabrikhalle ist. Andererseits hatte die Firma Deckel zumindest über einen gewissen Zeitraum erhebliche Bedeutung und war unter anderem zu dieser Zeit ein wichtiger Hersteller technisch hochwertiger Bauteile. Die Produktionshalle der Firma Deckel stellt damit ein bedeutsames Zeugnis für den „modernen Technologiestandort München" dar. Der Umstand, dass die Fa. Deckel im Jahre 1953 über 3000 Beschäftigte hatte und 1972 der viertgrößte Werkzeugmaschinenhersteller in Deutschland war, stellt ebenfalls ein Indiz für die Bedeutung des Unternehmens dar.
15. Mit dem Merkmal der künstlerischen Bedeutung stellt das Gesetz auf die Qualität in ästhe-tisch-gestalterischer Hinsicht ab, also auf eine Schöpfung, die das ästhetische Empfinden in besonderem Maß anspricht oder den Eindruck vermittelt, dass etwas nicht Alltägliches ge-schaffen worden ist (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpfle-ge, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 9; Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 19). Künstlerische Bedeutung kann auch vorliegen, wenn das Bauwerk Merkmale der Kunst aufweist und diese Resultat einer besonderen individuellen schöpferischen Gestaltung sind (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 04.12.2014, Az.: 1 LC 106/13, juris Rn. 57). Für die individuelle Eigenart ist in der Regel nicht auf einzelne Details des Gebäudes abzustellen, sondern auf die prägenden Elemente (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 04.12.2014, Az.: 1 LC 106/13, juris Rn. 58).
16. Auch für die Wiederaufbauzeit nach dem Zweiten Weltkrieg können Gesichtspunkte der Ästhetik des Bauens der Fünfziger Jahre als Kriterien herangezogen werden. Auch die Person des Urhebers kann in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen (vgl. Eberl/ Martin/ Spenne-mann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015 Art. 1 Rn. 19). Gerade auch technischen, funktional gestalte-ten Bauten kann aus künstlerischen Gründen Denkmalwert zugesprochen werden. Für her-ausragende Architekten ist auch die Stellung des Kunstwerks im Lebenswerk des Schaffenden heranzuziehen (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 9).
17. Bei einem Bauwerk kann die künstlerische Bedeutung sowohl in der eigentlichen architek-tonischen Gestaltung wie in einer künstlerischen Ausschmückung begründet sein. Einer ab-schließenden Entscheidung, ob diese Voraussetzungen bei dem streitgegenständlichen Ge-bäude bedarf es allerdings nicht. Andererseits hat das Gericht erhebliche Zweifel daran, ob die Fassade - als frühes Beispiel einer Vorhangfassade in Bayern - für sich allein im Hinblick auf künstlerische Bedeutung die Schwelle nach Art. 1 BayDSchG erreicht. Soweit in der Halle sich die Aufnahme moderner, an amerikanischen Vorbildern orientierter Architektur widerspiegeln, es sich folglich um eine bloße Nachahmung ausländischer Vorbilder handeln sollte, fehlte es an der eigenständigen künstlerischen Gestaltung, die für die Annahme einer künstlerischen Bedeutung erforderlich ist. Fehlt der baulichen Anlage jeder Hinweis auf eine individuell-künstlerische Gestaltung und hat sie eindeutig auch keine baukünstlerische Epoche angestos-sen oder abgeschlossen, dann kommt ihr auch keine künstlerische Bedeutung zu (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 04.12.2014, Az.: 1 LC 106/13, juris [Rn. 56, 59 und 60]).
18. Eine künstlerische Bedeutung der Fassade könnte daher allenfalls bei einer Gesamtbe-trachtung des Bauwerks zu bejahen sein, da das äußere Erscheinungsbild, das den Hal-lencharakter der ehemaligen Produktionshalle weitgehend verbirgt, ein Beispiel für die Ästhetik des Bauens zum Ende der 1950er Jahre darstellen könnte, wozu gerade die Fassadengestal-tung wesentlich beiträgt, indem durch die vorgehängte Curtain¬-Wall-Fassade der Eindruck ei-nes Bürogebäudes und nicht einer Produktionshalle vermittelt wird.
19. Der Denkmalcharakter würde ferner auch nicht verloren gehen, sollten bei der erforderli-chen Sanierung die Fassadenteile nicht mehr wieder anzubringen sein, da der eigentliche Denkmalwert in der 60 m weiten stützenfreien Deckenkonstruktion liegt.
20. Wissenschaftliche Bedeutung liegt vor, wenn eine Sache für die Wissenschaft oder einen Wissenschaftszweig von Bedeutung ist, so bei einem Bauwerk z. B. für die Statik - modellhafte und erstmalige Bewältigung bestimmter statischer Probleme - oder für die Baukonstruktion (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 14).
21. Der Umstand, dass die ehemalige Produktionshalle in ihrer Entstehungszeit einmalig und am Beginn großer Fabrikhallenbauten der Nachkriegszeit steht und die Spannweite eine bau-ingenieurstechnisch herausragende Leistung in ihrer Zeit darstellt, begründet zwar die bau- und technikgeschichtliche Bedeutung der Halle, ist allerdings wohl nicht ausreichend, selbst auch eine wissenschaftliche Bedeutung zu belegen.
22. Die denkmalschutzrechtliche Bedeutung der ehemaligen Produktionshalle ist auch nicht durch die Veränderungen im Lauf der Zeit verloren gegangen. Die Baudenkmaleigenschaft endet erst mit der Zerstörung der baulichen Anlage. Durch Veränderungen endet sie grund-sätzlich nicht (vgl. BayVGH, Beschluss v. 04.09.2012, Az.: 2 ZB 11.587, juris [Rn. 5]; BayVGH, Urt. v. 27.03.1979, Az.: 305 I 74, VGH n. F. 32, 140 / BayVBI 1979, 616 / FHOeffR 30 Nr. 9871; Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 39). Dies wäre nur dann der Fall, wenn durch die Veränderungen die aus vergangener Zeit stammenden Teile einer bauli-chen Anlage beseitigt werden oder die bauliche Anlage insoweit beeinträchtigt wird, dass sie die Bedeutungsschwelle des Art. 1 Abs. 1 DSchG nicht mehr erreicht (Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Auflage 2015, Art. 1 Rn. 39 m. w. N.).
23. Ein vom Zeitpunkt seiner Errichtung unverändertes Baudenkmal würde angesichts der üblichen, durch Entwicklung und Fortschritt bedingten An-, Um- und Ausbauten, welche bei nahezu jedem Gebäude im Laufe seines Bestehens vorgenommen werden, die Anforderungen an die Begründung der Denkmaleigenschaft bei weitem überspannen (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 29 ff.).
24. Nachträgliche Änderungen lassen das Erhaltungsinteresse grundsätzlich nicht wegfallen, wenn sich an den baulichen Veränderungen, die das Gebäude im Laufe der Jahre erfahren hat, die damit einhergehenden Änderungen im Sinne des Schutzgrundes noch ablesen lassen (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 29).
25. Die nach der Eintragung in die Denkmalliste erteilten Baugenehmigungen betreffen im streitgegenständlichen Fall weitgehend reine Nutzungsänderungen. Der Abriss einer Aufzugs-anlage und das Entfernen eines Treppenhauses sowie der Einzug von Trennwänden im Erd-geschoss führen nicht zum Verlust der Denkmaleigenschaft, sondern stellen vielmehr eine übli-che Entwicklung dar, die nahezu jedes Gebäude im Laufe seines Bestehens nimmt. Da für die Denkmaleigenschaft der streitgegenständlichen Produktionshalle gerade die große stützenfreie Dachkonstruktion von entscheidender Bedeutung ist, diese aber nach wie vor bauzeitlich und unverändert vorhanden ist, lässt sich der Schutzgrund des vorliegenden Baudenkmals trotz baulicher Veränderungen an anderen Teilen der Halle unverändert ablesen, liegen die das zu überliefernde Zeugnis konstituierenden Denkmalwerte unverändert vor.
26. Grundsätzlich entfallen die Baudenkmaleigenschaft und das öffentliche Interesse an der Erhaltung einer denkmalwürdigen Sache erst, wenn ihre historische Substanz soweit verloren geht, dass sie ihre Funktion, Aussagen über geschichtliche Umstände und Vorgänge zu do-kumentieren, nicht mehr erfüllen kann (vgl. OVG NRW, Urt. v. 26.08.2008, Az.: 10 A 3250/07, juris [Rn. 47]). Für die Frage, wann die historische Identität eines Baudenkmals entfällt, kommt es nicht auf eine schematische, an Zahlenwerten orientierte Betrachtungsweise an. Es lässt sich keine feste Regel darüber aufstellen, welcher relative Anteil an historischer Substanz eines Gebäudes wegfallen kann, ohne dass es zu einer Gefährdung oder zum Wegfall seiner Identität kommt. Erforderlich ist vielmehr eine qualitative Betrachtung, die die Gründe der Un-terschutzstellung und alle Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt (vgl. BayVGH, Be-schluss v. 04.09.2012, Az.: 2 ZB 11.587, juris [Rn. 5]; Hönes, BayVBI, 2012, 522 ff. [524]).
27. Maßgeblich ist die Frage, ob ein Objekt trotz Verluste an historischer Substanz noch die Erkennbarkeit der Aussage bewahrt, die zu seiner Anerkennung als Denkmal geführt hat (vgl. OVG NRW, Urt. v. 26.08.2008, Az.: 10 A 3250/07, juris [Rn. 48]). Die Baudenkmaleigenschaft endet grundsätzlich erst mit der Zerstörung der baulichen Anlage und nicht bereits durch bloße Veränderungen (vgl. BayVGH, Beschluss v. 04.09.2012, Az.: 2 ZB 11.587, juris [Rn. 5 m. w. N.]). In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird daher die Ansicht vertreten, dass es abwe-gig sei, anzunehmen, ein Jahrhunderte altes Gebäude verliere spätestens dann seine Denk-maleigenschaft, wenn im Laufe der Jahrhunderte der letzte noch aus der Erbauungszeit stammende Stein in Folge zeitbedingter Verwitterungsschäden ausgetauscht worden ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 15.12.2011, Az.: 2 L 152/06, juris [Rn. 90]).
28. Die Denkmaleigenschaft kann in Ausnahmefällen auch nach Durchführung von Erhal-tungsarbeiten entfallen, wenn die damit verbundenen Eingriffe in das Denkmal so weit gehen, dass die Denkmalaussage verloren geht (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 15.12.2011, Az.: 2 L 152/06, juris [Rn. 90]). Die Sanierungs¬maßnahmen an der Stahlbetonkonstruktion der streit-gegenständlichen Halle führen in diesem Sinne nicht zum Verlust der Denkmaleigenschaft. Das Gebäude kann trotz des Alters des Betonskeletts und der vorhandenen Schäden auch in Zukunft erhalten werden. Nach Darstellung sogar des klägerischen Parteisachverständigen Prof. Dr. Feix ist das Stahlbetontragwerk generell in einem „guten bis befriedigenden" Zustand. Durch dieses Gutachten wird die Erhaltungsfähigkeit des Betonskeletts der streitgegenständli-chen Halle wegen der auf dem Alterungsprozess von Beton beruhenden Karbonatisierung nicht in Frage gestellt. Der seitens der Kläger befürchtete „nahezu komplette Verlust der noch erhaltenen restlichen Originalsubstanz" des Stahlbetontragwerks ist deshalb nicht zu befürch-ten, da ein „neubauähnliches Gebäude" nicht die Folge der Sanierung sein wird. Eine solche Neuerrichtung käme einer Rekonstruktion gleich und würde den Zielen der Denkmalpflege widersprechen. Sie ist aber mangels Gefährdung des Betontragwerks in seiner Substanz ge-rade nicht erforderlich.
29. Werden im Laufe der Zeit lediglich Bauteile im Zuge üblicher Erhaltungsmaßnahmen aus-getauscht, führt dies ebenfalls regelmäßig nicht zum Wegfall der Denkmaleigenschaft (vgl, BayVGH, Urt. v. 04.09.2012, Az.: 2 ZB 11.587, juris [Rn. 5]; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 15.12.2011, Az.: 2 L 152/06, juris [Rn. 90]). Anders ist es nur, wenn sich der Zustand des Ge-bäudes infolge äußerer Einflüsse (Feuchtigkeit, Immissionen, Beanspruchung der Substanz durch übliche oder übermäßige Nutzung) so stark verschlechtert hat, dass ohne eine Sanierung der Verlust des Gebäudes zu erwarten ist und die Wiederherstellung eines gebrauchsfähigen Zustands wie eine Neuerrichtung zu werten ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 15.12.2011, Az.: 2 L 152/06, juris [Rn. 90]). Bloße Erhaltungsmaßnahmen führen hingegen regelmäßig nicht zum Verlust der Denkmaleigenschaft, denn der Eigentümer ist dazu verpflichtet, sein Denkmal zu erhalten (Art. 4 BayDSchG), so dass Arbeiten dieser Art lediglich Ausdruck des selbstverständlichen Umstands sind, dass Baudenkmäler „durch die Zeit gehen" und laufender Unterhaltung bedürfen. Selbst wenn die einer Erhaltung in diesem Sinne zugänglichen Teile eines Gebäudes im Laufe der Zeit vollständig ausgetauscht werden, führt dies regelmäßig nicht zum Verlust der Denkmaleigenschaft, wenn nicht gerade die historische Substanz dieser Gebäudeteile die Identität und damit den Denkmalwert des Gebäudes begründet (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 15.12.2011, Az.: 2 L 152/06, juris [Rn. 90]). Das streitgegenständliche Gebäude verliert insoweit nicht seinen historischen Aussagewert.
30. Die neue Dacheindeckung, die (massive) Verstärkung der Tragwerkkonstruktion, das An-bringen eines Brandschutzanstriches, das Nachbessern der Schweißnähte, die Montage einer Sprinkleranlage, die komplette Erneuerung der Haustechnik, die Verstärkung der Decke im Erdgeschoss mit Brandschutzplatten, der Einbau einer zusätzlichen Rettungstreppe sowie das Anbringen von Korrosionsschutz führen zu keiner überwiegenden Zerstörung der historischen Substanz und des Zeugniswertes der ehemaligen Produktionshalle und ihrer Dachkonstruktion. Durch die erforderlichen Vollsanierungsmaßnahmen wird in die Originalsubstanz, insbesondere in die Dachkonstruktion nicht so nachhaltig eingegriffen, dass der vorliegende Zeugniswert der streitgegenständlichen Halle dadurch zerstört wird. Der Zeugniswert kann vielmehr auch nach der Vollsanierung noch in der Gegenwart weiter veranschaulicht werden (vgl. BayVGH, Urt. v. 03.01.2008, Az.:2 BV 07.760, juris [Rn. 18]), wenn die notwendigen Sanierungsmaßnahmen in Abstimmung mit dem BLfD denkmalverträglich durchgeführt werden, sodass dadurch die Denkmaleigenschaft der ehemaligen Produktionshalle nicht verloren gehen wird. Solche bloße Erhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen, die jedes Denkmal erfährt, führen nicht zum Verlust des Zeugniswerts der streitgegenständlichen Halle.
31. Ebenso kann es für die Beurteilung der Denkmaleigenschaft der ehemaligen Produktions-halle nicht von Bedeutung sein, dass bei ihrer Errichtung zum Teil minderwertige oder gesund-heitsgefährdende Baustoffe verwendet worden waren. Zum einen waren diese Baustoffe zur Bauzeit üblich und zum anderen können sie im Rahmen der Sanierung denkmalverträglich und umweltgerecht von entsprechenden Fachfirmen durch heute übliche Materialien ersetzt werden. Ferner hängt die Baudenkmaleigenschaft nicht von diesen umweltschädlichen Mate-rialien ab, die im Rahmen des Gesamtbauwerks lediglich einen vergleichsweise geringen Um-fang haben, insbesondere der Austausch der Dachhaut und Dacheindeckung führt als reine Erhaltungsmaßnahme nicht zum Wegfall der Denkmaleigenschaft.
32. Schließlich hat ein evtl. unansehnlicher Zustand, in dem sich das Objekt heute befinden könnte, dessen gegenwärtiger Zustand allerdings der jahrzehntelangen Vernachlässigung des Bauunterhalts geschuldet ist, ebenfalls keinen Einfluss auf die Eigenschaft der Produktionshalle als Denkmal. Der Erhaltungszustand ist jedoch grundsätzlich ohne Einfluss auf die Denk-maleigenschaft, es sei denn, dass bei den notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen die Be-wahrung der Identität nicht möglich wäre und eine bloße Rekonstruktion entstünde (vgl. Vie-brock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 29 und 30; Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 15).
33. Soweit es noch der Feststellung der Erhaltenswürdigkeit bzw. eines öffentlichen Erhaltungsinteresses bedarf (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 5), ist nicht auf die Anschauung des gebildeten Durchschnittsmenschen abzustellen, sondern auf den Wissens- und Kenntnisstand sachver-ständiger Kreise; die Denkmaleigenschaft eines Bauwerks wird daher nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Durchschnittsbetrachter es nicht als solches erkennt. Erhaltenswürdig sind dabei nicht nur hervorragende Zeugnisse der Vergangenheit, sondern auch Sachen, die das Geschichtsbild nur in geringem Maß oder zusammen mit anderen Sachen prägen (vgl. BayVGH, Beschluss v. 15.01.2002, Az.: 14 ZB 00.3360, Az.: juris [Rn. 2]).
34. Alle deutschen Denkmalschutzgesetze lassen den Schutz von Objekten aus den oben ge-nannten Gründen nur insoweit zu, als aus ihnen ein „öffentliches Erhaltungsinteresse" bzw. ein entsprechendes „Interesse der Allgemeinheit" hergeleitet werden kann. Dieses Tatbe-standsmerkmal hat die Aufgabe, aus dem Kreis der in Frage kommenden Objekte eine ein-grenzende Auswahl zu treffen. Das Merkmal des öffentlichen Interesses erfüllt daher die Funk-tion, nur Sachen von Erheblichkeit als öffentlich-rechtliches Schutzobjekt zu qualifizieren. Ob-jektiv belanglose Sachen erfüllen nicht die Begriffsbestimmung der gesetzlichen Denkmalbe-griffe. Das Merkmal des öffentlichen Interesses bezweckt indes nicht, dass lediglich herausra-gende Beispiele oder ein besonders typischer Vertreter einer Gattung erhaltenswürdig i. S. d. Vorschrift wären (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Auflage 2010, Teil C Rn. 25). Grundsätzlich kommt es für das öffentliche Interesse an der Erhaltung nicht darauf an, dass sich das Objekt in einem guten Erhaltungszustand befindet. Auch ein schlecht erhaltenes Denkmal ist erhaltenswert (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Auflage 2010, Teil C Rn. 27). Dem Seltenheitswert wird bei der Prüfung des öffentlichen Erhaltungsinteresses ein primärer Rang eingeräumt (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Auflage 2010, Teil C Rn. 26).
35. Das Interesse der Allgemeinheit am Erhalt der ehemaligen Produktionshalle ergibt sich daher inzident insbesondere aus dem Alleinstellungsmerkmal der ehemaligen Produktionshalle der Firma Deckel.
36. Da die Klage als Klage auf Feststellung des Fehlens von Denkmaleigenschaft umgestellt worden war, wurde die seitens der Klägerin eingewandte „wirtschaftliche Zumutbarkeit“ pro-zessual nicht mehr thematisiert. In der ersten mündlichen Verhandlung knapp zwei Jahre vor Urteilsspruch war diese Frage allerdings ausführlich diskutiert und letztlich bejaht worden. Hie-ran änderte sich auch in der mündlichen Verhandlung vom Oktober 2015 nichts. Vielmehr jetzt legte die erkennende Kammer der Klägerin eine mit den Denkmalbehörden (BLfD und Untere Denkmalschutzbehörde) abgestimmte Instandsetzung nahe.
BayVG München, Urteil, 05.10.2015, AZ: M 8 K 12.3464, Publikationsart:
vgl. BayVGH, Beschluss vom 12.06.2017, Az.: 2 ZB 16.342, BayVBl 2018, 348-350 (Ablehnung des klägerischen Antrags auf Zulassung der Berufung)

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.2 Bedeutung
1.1.3 „aus vergangener Zeit“
1.1.4 Denkmalwürdigkeit
1.1.5 Veränderungsfolgen
2 Baudenkmalpflege
2.2 Abbruch
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
2.2.1.1 Grundsätze
2.2.5 Sozialbindung, Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit, Darlegungslast
2.3 Sonstige Veränderungen
2.3.1 Grundsätze
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1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
2. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der beantragte Abbruch des ehemaligen, aus zwei Becken bestehenden Wasserreservoirs mit den Ausmaßen 44 m x 22 m, das zu einem ehemaligen Rüstungswerk aus der NS-Zeit gehört und dessen Reste in der Denk-malliste sowohl als Baudenkmal als auch als Bodendenkmal eingetragen sind, einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSchG bedarf, da dieses Teil eines Baudenkmals im Sinn von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG ist. Der Erhalt des Baudenkmals „Ehemaliges Rüstungswerk im M...“, zu dem das Wasserreservoir zu zählen ist, liegt wegen seiner geschichtlichen und wissenschaftlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit.
3. Baudenkmäler sind bauliche Anlagen oder Teile davon aus vergangener Zeit (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG), deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt (Art. 1 Abs. 1 BayDSchG).
4. Eine „Bedeutung“ in diesem Sinn erfordert zwar nicht, dass das Gebäude Hervorragendes oder Einzigartiges repräsentiert. Sie setzt jedoch voraus, dass das Gebäude in besonderer Weise geeignet ist, geschichtlich, künstlerisch, städtebaulich, wissenschaftlich oder volkskundlich Relevantes zu dokumentieren (BayVGH, Urteil vom 16.07.2015, Az.: 1 B 11.2137, juris [Rn. 17]).
5. Denkmalpflege und Denkmalschutz zielen darauf, historische Zusammenhänge in Gestalt einer baulichen Anlage oder einer Mehrheit baulicher Anlagen in der Gegenwart zu veranschaulichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, Az.: 4 CN 4.00, BVerwGE 114, 247). Die den Denkmalwert begründende geschichtliche Bedeutung muss nicht unmittelbar am Objekt ablesbar sein, es kann ausreichen, wenn das Objekt zusammen mit anderen Quellen seinem Betrachter die geschichtlichen Zusammenhänge vor Augen führen kann (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 16.05.2007, Az.: 2 Bf 298.02, NVwZ-RR 2008, 300). Es kommt dabei nicht auf den Erkenntnisstand eines unbefangenen Betrachters, sondern auf den Wissens- und Erkenntnisstand von sachverständigen Betrachtern an (vgl. BayVGH, Beschluss vom 13.05.2015, Az.: 1 ZB 13.1334, BayVBl 2016, 456).
6. Diese Voraussetzungen sind für das Denkmal „Ehemaliges Rüstungswerk im M...“, zu dem das Wasserreservoir zu zählen ist, gegeben. Wie das Verwaltungsgericht ausführlich dargelegt hat, veranschaulicht die Anlage das Terrorregime des Nationalsozialismus und die damit verbundene „Vernichtung durch Arbeit“, indem es das Bestreben dokumentiert, durch Zwangsarbeiter rücksichtslos innerhalb kürzester Zeit einen Rüstungsgroßbetrieb zu errichten. Der Zulassungsantrag kann diese Beurteilung nicht mit überzeugenden Argumenten in Zweifel ziehen.
7. Soweit in der Zulassungsbegründung behauptet wird, das Wasserreservoir sei eine rein technische Anlage ohne erkennbare geschichtliche und wissenschaftliche Relevanz, geht die Klägerin zu Unrecht davon aus, dass sich die Denkmaleigenschaft allein aus dem Wasserreservoir herleiten muss. Denn das Wasserreservoir ist Teil eines Baudenkmals, das den gesamten Bereich des ehemaligen Rüstungswerks und die hiervon verbliebenen Reste umfasst. Die Denkmalbedeutung erwächst aus dem Bezug des Wasserreservoirs auf den Gesamtkomplex (vgl. Stellungnahme des Bayerisches Landesamts für Denkmalpflege vom 01.07.2014; Bl. 201 der Behördenakte).
8. Ergibt sich die Denkmalbedeutung aus einem Gesamtkomplex baulicher Anlagen, so sind diese als einheitliches Denkmal zu behandeln (vgl. Martin in Martin/ Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 4. Aufl. 2017, S. 187 [Rn. 164]). Auch voneinander räumlich getrennte, als Einzelanlagen sichtbare bauliche Anlagen können in ihrer Mehrheit ein Baudenkmal im Sinn von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG darstellen, wenn die Denkmaleigenschaft gerade durch den Zusammenhang der baulichen Anlagen anzunehmen ist (so auch zum vergleichbaren Denkmalbegriff des nordrhein-westfälischen Denkmalrechts: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.12.1999, Az.: 10 A 606.99, juris [Rn. 29]).
9. Dementsprechend wurde das gesamte ehemalige Rüstungswerk als einheitliches Baudenkmal in die Denkmalliste eingetragen. Durch die Dimension des Wasserreservoirs selbst und die Entfernungen zu den übrigen Bunkerresten wird das Ausmaß des ehemaligen Rüstungswerks deutlich und damit auch die geschichtliche Bedeutung des Denkmals. Das Verwaltungsgericht hat zu diesen Dimensionen ausgeführt, dass die Anlagen den Versuch der Nationalsozialisten verdeutlichen, innerhalb kürzester Zeit durch Zwangsarbeiter rücksichtslos einen Rüstungsgroßbetrieb zu errichten. Darin liegt die geschichtliche Bedeutung der Anlage.
10. Diese Bedeutung wird unabhängig vom derzeitigen Erhaltungszustand und dem Umstand erkennbar, dass aus Sicht der Klägerin bedeutendere Teile des Gesamtkomplexes beseitigt wurden. Nachdem es für die Denkmaleigenschaft auf die Beurteilung durch einen sachverständigen Betrachter ankommt (vgl. BayVGH, Beschluss vom 13.5.2015, Az.: 1 ZB 13.1334, BayVBl 2016, 456), schmälert das Fehlen früher vorhandener, möglicherweise für den Laien besser verständlicher Anlagenteile den Denkmalwert des verbliebenen Denkmals nicht. Vielmehr ist der Erhalt der noch vorhandenen Reste der Gesamtanlage auch wegen des Verlusts anderer Teile nötig, um die räumliche Ausdehnung weiter zu dokumentieren.
11. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit früheren Beseitigungen besteht angesichts der erforderlichen Beurteilung des Einzelfalls nicht (vgl. BayVGH, Beschluss vom 04.09.2012, Az.: 2 ZB 11.587, juris [Rn. 14]).
12. Der Zulassungsantrag vermag auch insofern keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu begründen, als geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht habe ohne nähere Prüfung angenommen, das Wasserreservoir sei schon für die Errichtung der Flugzeugmontagehalle genutzt worden, da es durch eine Lorentrasse mit dieser verbunden gewesen sei. Eine solche Aussage enthält das angegriffene Urteil nicht. Vielmehr wird in dem Urteil lediglich die Vermutung geäußert, dass das Wasserreservoir auch beim Bau der Flugzeugmontagehalle genutzt worden sein könnte (vgl. BayVG München, Urteil vom 05.04.2016, Az.: 1 K 15.1167, https://www.w-goehner.de/rechtsprechungsuebersicht/direktlink.php?id=216: „liegt es nahe, dass das Wasser aus dem Reservoir zur Errichtung der Bunkeranlage verwendet wurde“ [Urteilsausfertigung Seite 6 unten]). Das Verwaltungsgericht hat die konkrete Funktion des Reservoirs indes ausdrücklich offen gelassen, da es auch für den Fall der bloßen Nutzung als Löschwasserbecken die Denkmaleigenschaft bejaht hat (Urteilsausfertigung Seite 7).
13. Es ist für die Denkmaleigenschaft des Gesamtkomplexes sowie des streitgegenständlichen Teils nicht relevant, wenn die Mauern des Wasserreservoirs eingewachsen und auch von öffentlichen Wegen nicht einsehbar sind. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG schützt „das überlieferte Erscheinungsbild“ eines Baudenkmals unabhängig davon, ob sich der Betrachter auf öffentlichem Grund oder Privatgrund befindet. Auf die Einsehbarkeit vom öffentlichen Grund aus kommt es daher nicht an (vgl. BayVGH, Beschluss vom 13.05.2015, Az.: 1 ZB 13.1334, BayVBl 2016, 456; BayVGH, Beschluss vom 12.06.2017, Az.: 2 ZB 16.342, juris [Rn. 5]).
14. Ernstliche Zweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts lassen sich auch nicht mit der Nichtbeanstandung der Ermessensentscheidung des Beklagten begründen. Sie ergeben sich nicht auf Grund der Behauptung, das Verwaltungsgericht habe die Bedeutung der im Jahr 1995 erteilten Erlaubnis zum Abbruch des Wasserreservoirs nicht hinreichend behandelt. Die Berücksichtigung einer früheren, mittlerweile abgelaufenen Genehmigung kommt im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des Erlaubnisanspruchs nicht in Betracht, da es keinen Anspruch auf Wiederholung einer früheren Beurteilung gibt, wenn die Genehmigung keine Wirkung mehr entfaltet. Eine Bindungswirkung der durch Fristablauf erloschenen Genehmigung scheidet ebenso wie ein Vertrauensschutz aus (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG; vgl. zur Baugenehmigung: BayVGH, Beschluss vom 16.03.2017, Az.: 9 ZB 15.948, BayVBl 2017, 710; Decker in Simon/ Busse, BayBO, Stand Oktober 2017, Art. 69 Rn. 71 m. w. N.).
15. Die behauptete unzureichende oder unzutreffende Berücksichtigung der Erweiterungsmöglichkeiten der Klägerin kann Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht begründen. Das Verwaltungsgericht trifft selbst keine Ermessensentscheidung, sondern überprüft lediglich die durch den Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid getroffene Ermessensentscheidung. Eine Abwägung sämtlicher Interessen im Urteil ist daher nicht angezeigt. Im streitgegenständlichen Bescheid wurde das Gewicht der Erweiterungsinteressen der Klägerin umfangreich behandelt.
16. Das Verwaltungsgericht hat ausdrücklich dargelegt, dass die dort vorgenommene Interessensgewichtung nicht zu beanstanden sei (Urteilsausfertigung Seite 11). Es ist zudem auch nicht tragend davon ausgegangen, dass eine Erweiterung der Lagerfläche des Betriebs der Klägerin baurechtlich nicht zu realisieren sei. Ausdrücklich hat es vielmehr ausgeführt, dass die Versagung der Erlaubnis auch unabhängig von der baurechtlichen Zulässigkeit des Lagerplatzes nicht unverhältnismäßig sei (Urteilsausfertigung Seite 13 oben).
17. Zu Recht wird im Urteil bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgeblich darauf abgestellt, dass die Gesamtfläche des Betriebs der Klägerin inklusive des Baugrundstücks etwa 53.000 m² beträgt, während die durch das Denkmal insgesamt in Anspruch genommene Fläche mit ca. 2.000 m² und einer noch geringeren Fläche des Wasserreservoirs im Verhältnis hierzu gering ist. Ob das Vorhaben der Klägerin, künftig das Lager auf die Fläche des Denkmals zu erweitern, realisiert werden kann, brauchte deshalb nicht geklärt zu werden.
18. Darüber hinaus kann auch der Senat keine besondere Schutzwürdigkeit der Erweiterungsinteressen der Klägerin erkennen, da die Klägerin das Baugrundstück erworben hat, obwohl dem Voreigentümer zuletzt mit Bescheid vom 11.04.1996 die Erlaubnis zum Abbruch versagt worden war.
BayVGH, Beschluss, 11.01.2018, AZ: 1 ZB 16.1358, Publikationsart: BeckRS 2018, 487
vgl. BayVG München, Urteil vom 05.04.2016, Az.: 1 K 15.1167, BeckRS 2016, 48469
BayVGH - Beschluss v. 11.01.2018 - 1 ZB 16.1358 - anonym..pdf

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.2 Bedeutung
1.1.3 „aus vergangener Zeit“
1.1.4 Denkmalwürdigkeit
1.1.5 Veränderungsfolgen
1.1.7 Folgen für das Eigentum
1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
1.3 Bauplanungsrecht, Bauleitplanung, Bauordnungsrecht
2 Baudenkmalpflege
2.2 Abbruch
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
2.2.1.1 Grundsätze
2.2.4 Gewichtige Gründe des Denkmalschutzes
2.2.5 Sozialbindung, Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit, Darlegungslast
2.2.6 Gebundene Entscheidung (Prüfung, Ausgleichsleistungen, Ermessen, Abwägung)
2.5 Erhaltungs- und Sicherungspflichten
3 Bodendenkmalpflege
3.1 Unterschutzstellung
3.1.1 Umgrenzung, Ausdehnung, Begrenzung, Nachweis
3.2 Veränderungen, Zerstörungen, Pflichten
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1. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 BayDSchG bedarf der Erlaubnis, wer ein Ensemble verändern will, wenn die Veränderung eine bauliche Anlage betrifft, die für sich genommen ein Baudenkmal ist, oder wenn sie sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann. Die Funktion des Genehmigungserfordernisses als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt erfordert dabei eine weite Auslegung des die Genehmigungspflicht auslösenden Tatbestands (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.02.2008, Az.: 2 B 12.06, BRS 73 Nr. 204; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.06.2005, Az.: 1 S 1674/04, ÖffBauR 2005, 140).
2. Ensembles genießen dabei den gleichen Schutz wie Einzelbaudenkmäler, ensembleprägende Bestandteile sollen grundsätzlich erhalten werden (BayVGH, Urteil vom 03.01.2008, Az.: 2 BV 07.760, BayVBl 2008, 477). Der Schutzanspruch des Ensembles zielt insoweit allerdings stärker und vorrangiger auf das Erscheinungsbild, das die Bedeutung vermittelt und in seiner Anschaulichkeit zu bewahren ist (BayVGH, Urteil vom 03.01.2008, Az.: 2 BV 07.760, a. a. O.).
3. Das Gebäude, das unstreitig nicht die Voraussetzungen, die es selbst zu einem Baudenkmal im Sinn des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG qualifizieren würden, erfüllt, ist danach nicht Teil des unterstellten Ensembles, das sich nach den amtlichen Ausführungen in der Bayerischen Denkmalliste durch eine einheitliche Bauweise auszeichnet, mit der den brandschutztechnischen Anforderungen nach dem großen Flächenbrand von 1863 Rechnung getragen wurde. Insoweit fehlt es ersichtlich schon an ausreichender historischer Bausubstanz, die das unterstellte Ensemble prägen könnte.
4. Bei einem flächenmäßig großen Ensemble ist für die Beurteilung der denkmalschützerischen Aspekte zutreffend auf den Nahbereich um das streitgegenständliche Gebäude abzustellen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 29.07.2013, Az.: 14 ZB 11.398, juris [Rn. 3]; Urteil vom 11.01.2011, Az.: 15 B 10.212, juris [Rn. 31]).
5. Ohne dass es dabei auf die vom BayVG München angeführte fehlende Prägung des unmittelbaren Nahbereichs durch die Einzelbaudenkmäler ankommt, da die Tatsache, dass insoweit kein Blickkontakt besteht, grundsätzlich den historischen Bezug des Gebäudes zum Ensemble und seine Funktion für dieses nicht entfallen lässt (vgl. BayVGH, Urteil vom 03.06.2000, Az.: 2 B 97.1119, juris [Rn. 19]), ist in diesem Nahbereich keine historische Bausubstanz mehr vorhanden, die das Ensemble prägen könnte. Ein insoweit erhaltungswürdiges Ort-, Platz- oder Straßenbild als ein Zeugnis geschichtlicher Ereignisse ist dort nicht mehr vorhanden.
6. Ein Einzelbaudenkmal ist in diesem Nahbereich selbst nicht vorhanden. Auch im Übrigen ist dieser Nahbereich, in dem zwar einzelne historische Bauten saniert wurden im Gegensatz zu anderen Bereichen des ausgewiesenen Ensembles, die durchgehend noch historische Bausubstanz aufweisen, maßgeblich geprägt von Neubauten bzw. von einem sanierten historischen Bau direkt neben dem Gebäude des Klägers, der sich insbesondere auf Grund der erkennbaren Erhöhung des Kniestocks nicht von einem Neubau unterscheidet. Auch der Blick in den Nahbereich aus westlicher Sicht ist geprägt durch den Neubau sowie die Gebäude . die - im Gegensatz zu den sonstigen giebelständigen Gebäuden im Nahbereich - traufseitig errichtet sind. Auch die Neubauten im dem Nahbereich ge-genüber liegenden Bereich‚ dessen Gebäude den Nahbereich jedoch wesentlich prägen, stehen nur teilweise giebelständig, wie das für die historische Bauweise kennzeichnend ist.
7. Da jedenfalls im Nahbereich keine ausreichende historische Bausubstanz mehr vorhanden ist, kommt es ungeachtet der von den Denkmalbehörden nicht zu beanstandenden Zielrichtung, im Ensemble – im Gegensatz zu der bisherigen Handhabung – möglichst alle relevanten Gebäude mit historischer Substanz zu erhalten, für den Fortbestand des unterstellten Ensembles – nicht mehr auf den
Erhalt des streitgegenständlichen Gebäudes an.
8. Des Weiteren stellt das Fehlen von prägenden Einzelbaudenkmälern in einem Ensemble die Ensemblequalität eines in der Denkmalliste eingetragenen Ensembles insgesamt in Frage. Nach Art. 1 Abs. 3 BayDSchG kann zu den Baudenkmälern auch eine Mehrheit von baulichen Anlagen (Ensemble) gehören, und zwar auch dann, wenn nicht jede einzelne dazugehörige bauliche Anlage die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt, das Orts-, Platz- oder Straßenbild aber insgesamt erhaltungswürdig ist, wobei die Eintragung in die Denkmalliste dabei nur deklaratorische Bedeutung hat (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG).
9. Zwar verlangt das BayDSchG nicht, dass es sich um Gebäude mit den gleichen Stilmerkmalen handeln muss, da auch verschiedene, einander ausschließende, nicht abgeschlossene Planungen bzw. „willkürliche Zusammenhänge“ als Zeugnis früherer Entwicklungen zu einem erhaltenswerten Orts-, Platz- oder Straßenbild und damit zu einem Ensemble führen können (vgl. Eberl in Eberl/Martin, BayDSchG, 7. Aufl. 2016, Art. 1 Rn. 54).
10. Jedoch bedarf es eines festzustellenden Funktionszusammenhangs oder eines gemeinsamen Grundprinzips, um den Gebäuden einen sich daraus ergebenden gesteigerten Zeugniswert für bestimmte geschichtliche Entwicklungen oder städtebauliche Gegebenheiten an einem Ort zu vermitteln (vgl. Martin in Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 44).
11. Entgegen den in der Bayerischen Denkmalliste beschriebenen amtlichen Erkenntnissen existieren in dem als Ensemble ausgewiesenen Gebiet keine die Bauweise nach der Brandkatastrophe von 1863 prägenden Einzelbaudenkmäler. Auch die Anwesen, die ebenfalls als Einzelbaudenkmäler in die Bayerische Denkmalliste eingetragen sind, vermögen das unterstellte Ensemble nicht zu prägen. Die beiden Anwesen, die die landwirtschaftlichen Anwesen im Werdenfelser Land mit flachgeneigten, ehemals mit Holzschindeln gedeckten Dächern repräsentieren, sind hingegen Zeugnis der vor dem großen Brand Ende des 18. Jh. und in der 2. Hälfte des 17. Jh. errichteten Bauernhäuser. Das gilt auch für das weitere Gebäude, das ebenfalls vor dem großen Brand errichtet wurde, im Übrigen aber wegen der Neuausführung von Erdgeschoss und erstem Obergeschoss seinen Status als Einzelbaudenkmal verloren hat. Die Gebäude in einem weiteren Straßenzug des unterstellten Ensembles stellen ersichtlich den Vorbestand vor dem großen Brand dar, repräsentieren aber eben nicht die Bedeutung der einheitlichen Bebauung nach dem großen Brand von 1863 in den genannten Straßenzügen.
12. Fehlt es aber an Einzelbaudenkmälern, die den Charakter des Ensembles prägen, so kommt der Rechtsfrage, ob Gebäudemehrheiten, zu denen kein Einzelbaudenkmal (mehr) gehört, als Ensemble anzusehen sind, maßgebliche Bedeutung zu. Nach Auffassung des Senats setzt der Ensembleschutz das Ensemble prägende Einzelbaudenkmäler voraus.
13. Ensembles stellen unzweifelhaft zentrale Bestandteile des BayDSchG dar (Art. 1 Abs. 3 BayDSchG). Sie umfassen räumliche Gesamtheiten aus denkmalgeschützten Anlagen und Anlagen, die für sich genommen nicht als Denkmäler einzustufen sind, aber zusammen insgesamt ein erhaltungswürdiges Orts-, Platz- oder Straßenbild als Erscheinungsform tiefer liegender baulicher Qualitäten ergeben.
14. Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG beschreibt eine städtebauliche Situation, in der durch mehrere einzelne Gebäude, die nicht alle für sich Baudenkmäler sein müssen, eine Gesamtheit entstanden ist, die als Ganzes von geschichtlicher, künstlerischer, städtebaulicher, wissenschaftlicher oder volkskundlicher Bedeutung ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 25.03.1993, Az.: 3 ObOWi 17/93, NVwZ 1994 828). Obwohl dafür der optische Eindruck der Gesamtheit, also das ganzheitliche Erscheinungsbild, entscheidend ist, kann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht auf das Vorliegen von das Ensemble prägenden Einzelbaudenkmälern verzichtet werden, da sich der Gesamteindruck auf die Mehrheit von Anlagen in einem Ensemble und das öffentliche Erhaltungsinteresse bezieht.
15. Zudem formuliert Art. 1 Abs. 3 BayDSchG im Gegensatz zu Art. 1 Abs. 1 Abs. 2 BayDSchG und der Fiktion in Art. 1 Abs. 2 Satz 3 BayDSchG, dass Ensembles zu den Baudenkmälern gehören können. Auch diese Bezugnahme auf Art. 1 Abs. 2 BayDSchG spricht für die Annahme, dass in einem Ensemble eine nennenswerte Anzahl von Baudenkmälern nach Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1
BayDSchG (sog. Einzelbaudenkmäler) vorhanden sein müssen.
16. Gebäudemehrheiten, zu denen kein Einzelbaudenkmal mehr gehört, können zwar aus Gründen der Ortsbildpflege erhaltenswert sein, sie sind aber keine Ensemble (mehr), und zwar selbst dann nicht, wenn sie unter Beachtung eines historischen Stadt-, Platz- oder Straßengrundrisses errichtet wurden (vgl. dazu Martin in Martin/ Krautzberger, a. a. O. [Rn. 49]; Eberl in Eberl/ Martin, a. a. O., Art. 1 [Rn. 54, 54a, 56]). Dieses am Wortlaut orientierte Verständnis findet sich auch in der Rechtsprechung wieder (vgl. BayObLG. Beschluss vom 25.03.1993, Az.: 3 ObOWi 17/93, a. a. O.; BayVGH, Beschluss vom 22.01.2014, Az.: 1 ZB 11.2164, juris [Rn. 3]; Beschluss vom 29.07.2013, Az.: 14 ZB 11.398, juris [Rn. 3]; Beschluss vom 12.12.2012, Az.: 15 ZB 11.736, juris [Rn. 5]; Urteil vom 03.01.2008, Az.: 2 BV 07.160, a, a, O.; Urteil vom 03.08.2000, Az.: 2 B 97.1119, juris [Rn. 18]; BVerwG, Urteil vom 22.02.1980, Az.: IV C 44.76, juris [Rn. 17], das zwar im Zusammenhang mit dem ortsrechtlichen Verbot zur Lichtreklame steht, aber zum Indiz des Ensembleschutzes für die Einheitlichkeit der historischen Altstadt ausführt und es dabei genügen hat lassen, dass die Altstadt von einigen künstlerisch wertvollen Gebäuden geprägt wird und insgesamt den Charakter einer mittelalterlichen Stadt bewahrt hat; BayVGH, Beschluss vom 09.12.2011, Az.: 15 ZB 09.3143, juris [Rn. 12] der ebenfalls im Zusammenhang mit einer Baugenehmigung für eine Werbeanlage auf das Urteil des BVerwG vom 22.02.1980, Az.: IV C 44.76, a. a. O. Bezug nimmt).
17. Dagegen überzeugt das Argument, dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG könne nicht zwingend entnommen werden, dass mindestens eine der zu einem Ensemble gehörenden baulichen An-lagen ein Einzeldenkmal sein müsse, vielmehr nur erforderlich sei, dass das Orts-, Platz- oder Straßenbild insgesamt erhaltungswürdig sei, im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen nicht Gleich-ermaßen ist der Rückschluss auf eine in der 109. Sitzung des Landesdenkmalrats vom 18. Juli 1983 getroffene Entscheidung, in Ausnahmefällen positive Voten für Ensembleeintragungen nicht davon abhängig zu machen, dass sich im Ensemble zumindest ein Einzelbaudenkmal befindet, was ein Beleg für die weite Auslegung des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG sei, nicht überzeugend.
18. Unabhängig von der Stellung des Landesdenkmalrats nach Art. 14 BayDSchG zeigt auch die Formulierung „in Ausnahmefällen“, dass in einem Ensemble notwendigerweise zumindest ein Einzelbaudenkmal vorhanden sein muss und der Ensembleschutz nicht von Anfang an als selbständige Kategorie neben dem Schutz von Einzelbaudenkmälern verstanden wurde. Bereits in den Empfehlungen vom 19.04.1977 im Zusammenhang mit Baumaßnahmen (IMS Nr. II B 4—9130—22, veröffentlicht in Simon/ Busse Anh. 422) führt der Landesdenkmalrat zu den charakteristischen Merkmalen eines Ensembles unter Nummer 1.1.1 „Städtebauliche Struktur“ aus, dass dazu u. a. auch das Stra-ßenschema, die Viertelsbildung, die Maßstäblichkeit der Bebauung sowie das Verhältnis der Baumassen zueinander, zu herausragenden Baudenkmälern und Blickpunkten und zu charakteristischen Vegetationsbereichen zählen und stellt damit ersichtlich darauf ab, dass in einem Ensemble prägende Einzelbaudenkmäler vorhanden sein müssen,
19. Eine Auslegung des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG, wonach bauliche Anlagen als Gesamtheit (im Sinn von „nicht jede für sich“) erhaltungswürdig sind, kann aber auch nicht der Gesetzesbegründung (vgl. LT-Drs. 7/2033 vom 14.02.1972, S. 9) entnommen werden. Darin wird wie folgt zu Art. 1 Abs. 2 BayDSchG (jetzt Art. 1 Abs. 3 BayDSchG) ausgeführt: „(...) Im Einklang mit den in vielen europäischen Ländern zu beobachtenden Bestrebungen des Denkmalschutzes nicht nur einzelne Gebäude zu erhalten, die gelegentlich inmitten von lauter modernen Neubauten wie Fremdkörper wirken können, sondern durch Erhaltung von Häusergruppen, von Straßenzügen und Plätzen ein besseres Abbild der Geschichte zu geben, legt Art. 1 Abs. 2 fest, dass auch eine Mehrheit von Gebäuden ein Baudenkmal sein kann (Ensembleschutz). Baudenkmal ist hier nicht oder jedenfalls nicht nur ein einzelnes Gebäude, sondern ein Platz oder eine Straße. (...)“. Anhaltspunkte dafür, dass der angestrebten Unterschutzstellung von Häusergruppen, Straßenzügen und Plätzen - unabhängig von der Frage, wie viele Einzelbaudenkmäler in einem Ensemble vorhanden sein müssen - ein gänzlicher Verzicht auf das Vorhandensein eines Einzelbaudenkmals entnommen werden könnten, liegen nicht vor.
20. Die von den Denkmalbehörden in den Blick genommen Auslegung orientiert sich vielmehr an der in anderen deutschen Ländern auf Grund von anderslautenden Gesetzesbestimmungen festgelegten Unterschutzstellung von Siedlungen ohne herausragendes Einzeldenkmal als Ensemble (vgl. dazu Eberl in Eberl/ Martin, a. a. O., Art. 1 Rn. 54, 54a, 56 m. w. N. sowie die Formulierungen in § 2 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 19 DSchG Baden-Württemberg, § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchG Brandenburg, § 4 Abs. 3 Satz 1 DSchG Hamburg, § 2 Abs. 3 Satz 1 DSchG Mecklenburg-Vorpommern, § 3 Abs. 3 Satz 1 DSchG Niedersachsen, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, § 5 DSchG Rheinland-Pfalz, § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchG Saarland, § 1 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 21 DSchG Sachsen und § 2 Abs. 3 Nr. 3 DSchG Schleswig-Holstein). Von dieser Möglichkeit, ausdrücklich zu bestimmen, dass ein Ensemble auch dann vorliegt, wenn kein oder nicht jeder einzelne Teil des Ensembles ein Denkmal darstellt, hat der bayerische Gesetzgeber bislang keinen Gebrauch gemacht.
21. Ferner ist nach Auffassung des Senats auch in den Blick zu nehmen, dass nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG - der mit Wirkung vom 01.08.2003 in das BayDSchG eingefügt wurde (vgl. GVBI S. 475) – die Erlaubnispflicht einer Veränderung baulicher Anlagen, die für sich genommen kein Baudenkmal sind, davon abhängt, dass die Veränderung sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann (vgl. BayVGH, Beschluss vom 12.12.2012, Az.: 15 ZB 11.736, juris [Rn. 3]). Diese Regelung dient zwar der Verwaltungsvereinfachung und sollte insbesondere für Nicht-Baudenkmäler in Ensembles die bis dahin grundsätzlich auch bei baulichen Änderungen im Inneren dieser Gebäude bestehende Genehmigungsbedürftigkeit entfallen lassen, sie lässt im Übrigen aber die Genehmigungsbedürftigkeit im Ensemble unverändert (vgl. LT-Drs. 14/12042 S. 4).
22. Das Erscheinungsbild des Ensembles wird aber durch das erhaltungswürdige Orts-, Platz- oder Straßenbild geprägt (Art. 1 Abs. 3 BayDSchG), das wiederum nicht nur aus einzelnen Teilen baulicher Anlagen wie Fronten und/oder Giebeln besteht, sondern aus einem Gesamteindruck (vgl. Eberl in Eberl/ Martin, a. a. O., Art. 1 Rn. 61). Auch das spricht gewichtig dafür, dass das Anliegen des Denkmalschutzes, die Substanz der Objekte zu erhalten, nur dann zu rechtfertigen ist, wenn Einzelbaudenkmäler das Ensemble als Ganzes maßgeblich prägen.
23. Diese Auslegung des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG orientiert sich schließlich auch an dem vom Gesetzgeber in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG angeordneten Substanzschutz, der in Einklang mit Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 103 BV zu bringen ist. Das BVerfG hat dem Denkmalschutz einen hohen Stellenwert eingeräumt, zugleich aber eine ausreichende Berücksichtigung der Eigentümerbelange gefordert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999, Az.: 1 BvL 7/91, BVerfGE 100, 226).
24. Die Lösung von Konfliktfällen erfolgt im Erlaubnisverfahren an Hand der Regelung des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG. Danach kann die Erlaubnis versagt werden, soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Zwar gilt die Regelung ihrem Wortlaut nach nur für die auf einzelne Baudenkmäler bezogenen Fälle des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BayDSchG, doch ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber auch für den in dieser Regelung nicht genannten Fall der Erlaubnis zur Ensembleveränderung ebenfalls eine Versagungsmöglichkeit vorsehen wollte (vgl. dazu BayVGH, Beschluss von 12.12.2012, Az.:15 ZB 11.736, juris [Rn. 5]).
25. Wäre es Absicht des Gesetzgebers gewesen, das Bestehen eines Ensembles auch ohne ein Einzelbaudenkmal anzunehmen, hätte es nahegelegen, in Art. 6 Abs. 2 BayDSchG eine gesonderte Regelung für die Veränderung eines Gebäudes, das selbst kein Baudenkmal ist, jedoch Auswirkungen auf das Erscheinungsbild des Ensembles hat (Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG), vorzusehen, um eine unverhältnismäßige Belastung der Eigentümer von Nicht-Baudenkmälern zu vermeiden, die aus der pauschalen Forderung nach Substanzerhaltung resultieren kann.
26. Ob der Landesgesetzgeber nun die Frage, ob es auch in Bayern - unbeschadet der seit 1973, d. h. sozusagen "von Anbeginn an" geübten Praxis - überhaupt „einzeldenkmalfreie Ensembles“ geben darf, gesetzgeberisch beantworten wird, bleibt abzuwarten. In Anschluss an die aktuelle Rechtsprechung des BayVGH zu Fragen der Zumutbarkeit des Denkmalerhalts würde dann eine „Renovierung“ des BayDSchG in Angriff zu nehmen sein.
BayVGH, Urteil, 22.04.2016, AZ: 1 B 12.2353, Publikationsart: http://www.landesanwaltschaft.bayern.de/media/landesanwaltschaft/entscheidungen/2016_04_22_we_denkmalschutzrecht.pdf / BayVBl 2016, 788-781 / NVwZ-RR 2017, 13 ff. / BeckRS 2016, 47035
1. Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (WFKMS vom 30.07.1999, Nr. XII/4-K 4604/1-20/27 967): "Es stellte sich die Frage, ob ein Ensemble im Sinne von Art. 1 Abs. 3 BayDSchG nur vorliegen könne, wenn mindestens eine der dazugehörigen baulichen Anlagen für sich genommen ein Baudenkmal ist. Zwar ist es richtig, dass der diesbezügliche Beschluss des Landesdenkmalrates keine rechtsverbindliche Wirkung hat. Auch die Eintragung der Ensembles in die Denkmalliste ist nicht rechtsbegründend. Das Staatsministerium hält den Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG jedoch nicht für eindeutig. Dem strengen Wortlaut nach verlangt Absatz 3 nur, dass das Orts-, Platz- oder Straßenbild insgesamt erhaltenswürdig ist. Dies lässt die Auslegung zu, dass nicht jede einzelne bauliche Anlage des Ensembles, sondern die baulichen Anlagen als Gesamtheit erhaltenswürdig sein müssen. Es erscheint durchaus denkbar, dass diese Erhaltenswürdigkeit (vgl. Absatz 1: wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder völkerkundlichen Bedeutung) sich nur und gerade aus der Gesamtbetrachtung des Ensembles ergibt. Ob das Orts-, Platz- und Straßenbild insgesamt erhaltenswürdig ist, kann dann nicht maßgeblich davon abhängen, ob ein Einzeldenkmal darunter ist - ansonsten wäre der Schutz nach Absatz 1 ausreichend. Im Ergebnis kann u. E. für die Festlegung als Ensemble daher nicht entscheidend sein, ob eines der Bestandteile des Ensembles Denkmaleigenschaft hat.." 2. Landesanwaltschaft Bayern: "Im Wege eines „obiter dictums“ hat sich der 1. Senat mit der vorliegenden Entscheidung eines in der Denkmalpflege seit langem schwelenden Streits angenommen. Die Frage, ob Art. 1 Abs. 3 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler vom 25.06.1973 (BayDSchG) für das Vorliegen eines Ensembles mindestens ein Einzelbaudenkmal enthalten muss oder ob – wie in anderen Landesdenkmalgesetzen – etwa auch Mustersiedlungen, Straßenzüge oder Platzsituationen ohne Einzeldenkmäler dem Schutz des Denkmalrecht unterliegen, ist in der Praxis der Ensembleausweisung durch das Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) zugunsten einer möglichst umfassenden Unterschutzstellung beantwortet worden. Nur so konnten etwa in München die Siedlung am Gößweinsteinplatz („Dornier-Siedlung“) oder die „Kriegersiedlung“ dem Regime des Denkmalschutzes und auch den damit verbundenen finanziellen Anreizen unterstellt werden. Dieser jahrzehntelang vom BLfD gepflegten Auslegung des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG hat der 1. Senat eine klare Absage erteilt. Soweit er an dieser Stelle auf die Rechtsprechung der anderen, gleichfalls mit Fragen des Denkmalschutzes befassten Senate des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verweist (Rn. 21 [s. Anhang]), vermittelt die Lektüre der genannten Entscheidungen allerdings nicht den Eindruck, dass dort bereits eine abschließende Positionierung zur Auslegung des Landesdenkmalrechts stattgefunden hätte. Ob der Landesgesetzgeber dieses Urteil zum Anlass wird, sich zur Frage des 'einzeldenkmalfreien Ensembles' neu oder klarstellend zu äußern, bleibt abzuwarten." (http://www.landesanwaltschaft.bayern.de/media/landesanwaltschaft/entscheidungen/2016_04_22_we_denkmalschutzrecht.pdf)
BayVGH - Urteil v. 22.04.2016 - 1 B 12.2353 - anonym.pdf

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.2 Bedeutung
1.1.5 Veränderungsfolgen
1.1.7 Folgen für das Eigentum
2 Baudenkmalpflege
2.1 Ensemble
2.1.1 Ensembleumfang
2.1.2 Erscheinungsbild
2.1.3 Nichtdenkmal im Ensemble
2.2.3 Abbruch eines „Nur“-Nicht-Einzeldenkmals im Ensemble
2.4 Veränderungen in der Umgebung
2.4.1.7 Nachteilige Veränderungen des Orts- und Landschaftsbilds (Umgebung / Freiraum / Sichtbeziehungen vom und zum Denkmal)
Diese Entscheidung per E-Mail versenden
1. Der Einbau eines geplanten Aufzugs in das schmale Treppenauge der Treppenanlage würde einen gravierenden Eingriff über alle Geschosse des denkmalgeschützten Gebäudes hinweg darstellen.
2. Der geplante Eingriff ist als schwerwiegend einzustufen, weil das vorhandene Treppenauge massiv aufgeweitet werden müsste und damit das Erscheinungsbild der Treppenanlage grundlegend verändert würde.
3. Unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege sprechen daher gewichtige Gründe des Denkmalschutzes i. S. v. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes des strittigen Treppenhauses.
4. Die womöglich zu Unrecht in der Vergangenheit genehmigten Umbau und Teilentfernung der Treppenanlage im obersten 4. Obergeschoss stehen dem nicht entgegen.
5. Die Ermessensentscheidung ist rechtsfehlerfrei. Die Abwägung erfolgte unter Berücksichtigung der wesentlichen Gesichtspunkte, insbesondere auch der Frage nach der Schaffung von Barrierefreiheit (vgl. BayVGH, Urteil vom 16.01.2012, Az.: 2 B 11.2408, BayVBl 2012, 788).
BayVGH, Beschluss, 05.02.2015, AZ: 2 ZB 13.2319, Publikationsart:

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.1.5 Veränderungsfolgen
1.2 Zuständigkeiten, Verfahrensfragen
1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
2.2.4 Gewichtige Gründe des Denkmalschutzes
2.3 Sonstige Veränderungen
2.3.3 Um-, An- und Aufbauten, Nutzungsänderungen
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1. Mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, das am 01.01.2002 in Kraft trat, findet auf öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche nach § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG bzw. Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG nicht mehr die kenntnisunabhängige dreißigjährige, sondern die kenntnisabhängige dreijährige Verjährungsfrist Anwendung, da nunmehr § 195 BGB n. F. entsprechend anzuwenden ist.
2. Die Verjährung wird allerdings durch Verhandlungen zwischen Gläubiger und Schuldner grundsätzlich bezüglich sämtlicher Ansprüche gehemmt, welche Gläubiger aus dem einschlägigen Lebenssachverhalt herzuleiten vermögen.
BVerwG, Urteil, 15.03.2017, AZ: 10 C 3.16, Publikationsart: NJW-aktuell 2017, Heft 21 S. 10 / BayVBl 2017, 641-643

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.1.10 Denkmaleigenschaft und Zivilrecht
1.7 Förderung
1.7.1 Zuschüsse
1.7.3.8 Rücknahme des Grundlagenbescheids
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1. Nach Art. 14 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3887/92 ist der Betriebsinhaber bei zu
Unrecht gezahlten Beträgen verpflichtet, diese zuzüglich Zinsen zurückzuzahlen.
2. Die Verpflichtung zur Zurückzahlung der Beträge ist Grundlage der Zinspflicht; sie ist eine akzessorische Nebenforderung zu ihr.
3. Zu Unrecht gezahlte Beihilfen sind nicht zwischen Zahlung und Rückzahlung zu verzinsen, wenn die Zahlung auf einem Irrtum der zuständigen Behörde beruht (Art. 14 Abs. 3 Unterabs. 3 VO [EWG] Nr. 3887/92, § 144 Abs. 4 VwGO).
4. Der Irrtumsbegriff des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems ist gleichbedeutend mit dem Begriff des Fehlers und beschreibt die Ursache einer zu
Unrecht gewährten Beihilfe. Die Zuordnung des Irrtums dient der Abgrenzung
der Verantwortlichkeit für eine rechtswidrige Beihilfe. Soll ein Irrtum der zuständigen Behörde gegeben sein, so muss die Ursache der fehlerhaften Zahlung im Verantwortungsbereich der Behörde liegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.08.2009, Az.: 3 C 15.08, Buchholz 424.3 Förderungsmaßnahmen Nr. 10 Rn. 34;
Urteil vom 16.09.2015, Az.: 3 C 11.14, AUR 2016, 28 [Rn. 16] / RdL 2016,
54 [Rn. 16]; Beschluss vom 20.12.2012, Az.: 3 B 20.12, Buchholz 451.505 Einzelne Stützungsregelungen Nr. 6 [Rn. 10]).
5. Eine Rückausnahme für den Fall, dass der Betriebsinhaber den Irrtum billigerweise hat erkennen können, gilt für die Zinspflicht nach dieser Vorschrift nicht.
BVerwG, Urteil, 17.03.2016, AZ: 3 C 4.15, Publikationsart: http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?lang=de&ent=170316U3C4.15.0

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.7 Förderung
1.7.1 Zuschüsse
1.7.1.1 Vergabegrundsätze
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1. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind u. a. staatliche Beihilfen, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Mit Blick auf die in den Absätzen 2 und 3 der Vorschrift vorgesehenen Ausnahmen unterliegen Beihilfen einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (Kühlung, in: Streinz, AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 107 Rn. 4).
2. Nach Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV darf der betreffende Mitgliedstaat die beabsichtigte Beihilfe-Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat. Dieses sogenannte Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugunsten der Wettbewerber des Beihilfeempfängers Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (BGH, BGHZ 188, 326 Rn. 19 - Flughafen Frankfurt-Hahn; BGH, GRUR-RR 2012, 157 Rn. 22).
3. Zwar sei es allein Aufgabe der Kommission, gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt nach Art. 107 AEUV festzustellen; im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot obliege es aber den nationalen Gerichten, den Begriff der Beihilfe auszulegen, solange die Kommission keine verfahrensabschließende Entscheidung nach Art. 108 Abs. 2 AEUV getroffen habe (BGH, BGHZ 188, 326 Rn. 25 - Flughafen Frankfurt-Hahn; BGH, GRUR-RR 2012, 157 Rn. 30).
4. Auch wenn sich also das Beihilfeverbot des Art. 107 AEUV an die Mitgliedsstaaten und nicht an den begünstigten Wettbewerber richtet, kann dieser als in den Schutzbereich des Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV einbezogen angesehen und können ihm Rückforderungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche zugebilligt werden (Koenig/Paul, in: Streinz, Art. 108 Rn. 35 a.E.).
5. Eine juristische Person des Privatrechts, die im staatlichen Auftrag der Allgemeinheit entgeltliche Konzertveranstaltungen anbietet, betätigt sich - ebenso wie private Konzertveranstalter - am Konzertmarkt und handelt daher geschäftlich im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG bzw. unternehmerisch im Sinne des Kartellrechts. Hingegen wird die auftraggebende öffentlichrechtliche Gebietskörperschaft, die in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe - hier: der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zur Pflege und Förderung der Kunst - handelt, nicht geschäftlich bzw. unternehmerisch tätig.
6. Eine gegen § 4 Nr. 10 UWG verstoßende gezielte Behinderung privater Konzertveranstalter durch das im staatlichen Auftrag erfolgende Konzertangebot kann nicht festgestellt werden, wenn der staatlich geförderten Konzerttätigkeit das Konzept zugrunde liegt, eine duale Struktur mit ca. 70% privaten und 30% öffentlich geförderten Konzertveranstaltungen zu schaffen und hierdurch die Auslastung einer zukünftig (durch die Inbetriebnahme eines großen Veranstaltungsgebäudes) erheblich ausgeweiteten Zahl an Konzertplätzen zu ermöglichen.
7. Die im staatlichen Auftrag erfolgende Konzerttätigkeit ist unter dem Aspekt der §§ 19, 20 GWB jedenfalls sachlich gerechtfertigt, wenn die Interessensabwägung ergibt, dass das ihr zugrunde liegende öffentliche Interesse die wettbewerblichen Interessen der privaten Konzertveranstalter überwiegt, weil gewichtige wettbewerbliche Begleiterscheinungen nicht konkret erkennbar sind und auch der Bestand des Wettbewerbs nicht tangiert ist.
8. Für die Geltendmachung eines Verstoßes gegen das gemeinschaftsrechtliche Beihilferecht (§ 823 Abs. 2, § 1004 BGB i. V. m. Art. 107 f. AEUV) durch die staatliche Förderung der Konzerttätigkeit ist ein Verband privater Konzertveranstalter nicht aktivlegitimiert. Denn er nimmt nicht selbst am Wettbewerb der Konzertveranstalter teil, verfolgt daher keine durch einen etwaigen Verstoß gegen das Durchführungsverbot gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV tangierten wettbewerblichen Interessen und kann sich daher nicht auf die Verletzung dieses deliktsrechtlichen Schutzgesetzes berufen.
Hanseatisches OLG Hamburg, Urteil, 31.07.2014, AZ: 3 U 8/12, Publikationsart: NJW-RR 2015, 293-298 / WRP 2015, 76-83 / Magazindienst 2015, 19-32 / WuW/E DE-R 4512-4523 / GRUR-RR 2015, 120-124 / GRURPrax 2015, 25
Die beihilferechtliche Entscheidung befasst sich mit dem Einsatz öffentlicher Mittel zur Pflege von Kunst und Kultur. Dies gilt allerdings nicht nur für die streitgegenständlichen Kunstförderungen, sondern zugleich u. a. auch für den Einsatz zu Gunsten von archäologischem und baulichem kulturellen Erbes.

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.7 Förderung
1.7.1 Zuschüsse
1.7.1.1 Vergabegrundsätze
3 Bodendenkmalpflege
3.2.1 Schutz des kulturellen Erbes
3.2.2 Veranlassung, Kostentragungsverpflichtung, Öffentliche Eigentümer
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1. Bei Gebäuden, die zu einer Zeit errichtet wurden, als Abdichtungsmaßnahmen der Kelleraußenwände noch nicht üblich waren, begründet anders als bei Bauwerken mit neuzeitlichem Standard nicht jede Feuchtigkeit in dem Kellermauerwerk einen Sachmangel (Anschluss an BGH, Urteil vom 07.11.2008, Az.: V ZR 138/07, juris). Es entspricht allerdings der berechtigten Erwartung des Käufers einer älteren Immobilie, deren Keller im Jahr 1938 errichtet wurde, dass in diesen nicht, und zwar mehr oder weniger regelmäßig bei stärkerem Regen, Wasser in flüssiger Form breitflächig eindringt. Ein derartiger Keller ist mit einem Sachmangel behaftet (§ 434 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB).
2. Das regelmäßige breitflächige Eindringen flüssigen Wassers in den Keller eines Wohnhauses stellt eine Tatsache dar, die der Verkäufer einer Immobilie grundsätzlich ungefragt, erst recht aber auf die Frage des Kaufinteressenten nach der Möglichkeit der Nutzung der Kellerräume zu Lagerzwecken, zu offenbaren hat.
3. Wird eine ausdrückliche Frage des Kaufinteressenten zum Zustand der Kaufsache vom Verkäufer (bewusst) falsch beantwortet, kann sich dieser anschließend nicht mit Erfolg darauf berufen, dass für den Käufer das Gegenteil erkennbar gewesen sei.
OLG Hamm, Urteil, 18.07.2016, AZ: 22 U 161/15, Publikationsart: BeckRS 2016, 13979

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.1.10 Denkmaleigenschaft und Zivilrecht
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1) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist rechtens, da die vorläufige Unterschutzstellung nicht offensichtlich rechtswidrig ist.
2) Die privaten Belange des Antragstellers müssen bis zur endgültigen Klärung zurückstehen.
3) Die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss, mit dem der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen  Bescheid über die  vorläufige Unterschutzstellung eines Bodendenkmals gem. § 4 DSchG NRW abgewiesennworden war, war zurückzuweisen.
4) Die vorläufige Unterschutzstellung ist auch dann gerechtfertigt, wenn das Eintragungsverfahren selbst einige Zeit in Anspruch nimmt.
OVG NRW, Beschluss, 14.11.2013, AZ: 10 B 1156/13, Publikationsart:
vorausgehend: VG Düsseldorf, Beschluss vom 16.09.2013, Az.: 9 L 1221/13

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.1 Eintragung in die Denkmalliste
3 Bodendenkmalpflege
3.1 Unterschutzstellung
3.1.1 Umgrenzung, Ausdehnung, Begrenzung, Nachweis
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1. Die Erteilung einer denkmalrechtlichen Abrissgenehmigung nach § 14 Abs.1 Nr. 5 DSchG LSA setzt voraus, dass es sich bei dem Gebäude tatsächlich um ein Kulturdenkmal handelt. Allein der Umstand, dass diese Frage strittig ist, reicht dafür nicht aus.
2. Die Denkmaleigenschaft eines Gebäudes kann nach Durchführung notwendiger Erhaltungsmaßnahmen ausnahmsweise nachträglich entfallen, wenn seine historische Substanz so weit verloren gegangen ist, dass es seine Funktion, Aussagen über geschichtliche Umstände oder Vorgänge zu dokumentieren, nicht mehr erfüllen kann (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15.12.2011, Az.: L 152/06, juris), die damit verbundenen Eingriffe in das Denkmal also derart weit gehen, dass die Denkmalaussage verloren geht.
3. Ob ein Gebäude nach einer erforderlichen Sanierung noch die Denkmalaussage enthält, die es vor der Sanierung enthalten hat, ist weder vom bautechnischen Aufwand noch von den damit verbundenen Kosten her, sondern allein aus denkmalfachlicher Sicht zu beurteilen.
4. Voraussetzung dafür wäre eine sehr weitgehende Zerstörung. Konstitutiv für den Denkmalstatus ist insoweit der durch die Bausubstanz getragene dokumentarische Wert. Der Zustand ist dabei unerheblich oder bestenfalls nur insoweit relevant, wie durch Schäden oder Auflösungen des überlieferten Zusammenhangs die historische Aussagekraft der Substanz erheblich reduziert wird oder verloren geht – das Bauwerk also im übertragenen Sinn als Quelle unlesbar wird. Dies ist in der
Denkmalpflege ein nur äußerst selten vorkommender Grenzfall, der eine sehr weitgehende Zerstörung voraussetzt.
5. Die Denkmaleigenschaft des Gebäudes wird auch nicht nach der Durchführung von erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen entfallen. Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Denkmaleigenschaft in Ausnahmefällen auch nach Durchführung von Erhaltungsarbeiten entfallen, wenn die damit verbundenen Eingriffe in das Denkmal so weit gehen, dass die Denkmalaussage verloren geht.
6. Regelmäßig nicht zum Wegfall der Denkmaleigenschaft führt es, wenn im Laufe der Zeit lediglich Bauteile im Zuge üblicher Erhaltungsmaßnahmen ausgetauscht werden, auch wenn der überwiegende Teil der Originalsubstanz nach und nach durch Material aus der Zeit der jeweiligen Erhaltungsmaßnahmen ersetzt wird. 7. Anders ist es nur, wenn sich der Zustand des Gebäudes infolge äußerer Einflüsse
(Feuchtigkeit, lmmissionen, Beanspruchung der Substanz durch übliche oder übermäßige Nutzung) so stark verschlechtert hat, dass ohne eine Sanierung der Verlust des Gebäudes zu erwarten und die Wiederherstellung eines gebrauchsfähigen Zustands wie eine Neuerrichtung zu werten ist (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 15.12.2011, Az.: L 152/06, juris).
7. Anders als vom Verwaltungsgericht angenommen würde das Gebäude nach einer erforderlichen Sanierung seine Denkmaleigenschaft nicht verlieren.
8. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass nach der vom gerichtlichen Sachverständigen für zwingend erforderlich gehaltenen Sanierung das Gebäude seine denkmalrechtliche Aussagekraft deshalb verlieren würde, weil die Wiederherstellung des Gebäudes in einen sinnvoll nutzbaren Zustand einer Neuerrichtung des Gebäudes gleichkäme und nur noch
als Kopie des Originals keinen denkmalfähigen Aussagewert mehr besitze. Aus dem vom Verwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten lässt sich diese Annahme nicht herleiten.
9. Wer ein sanierungsbedürftiges Baudenkmal "sehenden Auges" erwirbt, dessen Sanierungsbedürftigkeit offensichtlich ist und dem die Denkmaleigenschaft bekannt ist, kann sich auf die wirtschaftlich Unzumutbarkeit der Erhaltung jedenfalls dann nicht berufen, wenn ihm eine Veräußerungsmöglichkeit des Objekts zu einem angemessenen Preis angeboten wird.
OVG Sachsen-Anhalt, Urteil, 18.02.2015, AZ: 2 L 175/13, Publikationsart: NVwZ-RR 2015, 530 / juris

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.4 Denkmalwürdigkeit
1.1.5 Veränderungsfolgen
2.2 Abbruch
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
2.2.1.1 Grundsätze
2.2.4 Gewichtige Gründe des Denkmalschutzes
2.2.5 Sozialbindung, Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit, Darlegungslast
2.2.6 Gebundene Entscheidung (Prüfung, Ausgleichsleistungen, Ermessen, Abwägung)
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1. Die Aquarell-Collage «Brilliantenschieber im Café Kaiserhof» von George Grosz ist national wertvolles Kulturgut.
2. Mit einer etwaigen Abwanderung des Bildes aus Deutschland würde ein wesentlicher Verlust für den deutschen Kulturbesitz einhergehen.
3. Der gegen die Verfügung des Landes Berlin, verschiedene, im Eigentum eines Berliner Galeristen stehende Kunstwerke (u. a. die Werke "Belebte Straßenszene", "Schönheit, Dich will ich preisen" und "Brilliantenschieber im Café Kaiserhof" von George Grosz, "Ertüchtigung" von Hannah Höch, "Zwischen Bäumen stehendes Mädchen" von Otto Mueller sowie "Zwei nackte Tanzende" und "Mädchen auf violettem Sessel" von Ernst Ludwig Kirchner) in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts einzutragen, gerichteten Klage wurde - bis auf die "Brilliantenschieber" von Georg Grosz - überwiegend stattgegeben. Mit der Verfügung verbunden war ein grundsätzliches Verbot der Ausfuhr der Werke ins Ausland.
4. Für eine Eintragung nach dem Kulturschutzgesetz sei erforderlich, dass mit einer etwaigen Abwanderung der Kunstwerke aus Deutschland ein wesentlicher Verlust für den deutschen Kulturbesitz einhergehe. Maßgebend hierfür sei die künstlerische Eigenart der Objekte, ihr (kunst)historischer Rang und ihr kultureller Wert, ihre Einzigartigkeit oder ihre Seltenheit und ihre Bedeutung für die kulturelle Entwicklung in Deutschland.
5. Bei einer Gesamtschau lasse sich dies für sechs der sieben genannten Werke nicht feststellen. Die Kammer folgte bei ihrer Entscheidung damit im Wesentlichen dem Gutachten einer Kunstsachverständigen, die das Gericht beauftragt hatte.
6. Diese hatte nur das Werk «Brilliantenschieber im Cafe Kaiserhof» als wichtiges Objekt von George Grosz, der ein Künstler von internationalem Rang sei, eingeordnet. Denn dieses Bild stamme aus einer sehr kleinen Werkserie, bei der Grosz erstmals Elemente von Collage und Aquarell miteinander verbunden und damit ein neues und zentrales Gestaltungsprinzip der Avantgarde entwickelt habe.
VG Berlin, Urteil, 22.01.2015, AZ: VG 1 K 228.11, Publikationsart:
http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/vg/presse/archiv/20150122.1555.400958.html / http://www.juris.de/jportal/portal/t/1tkj/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA150100132&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.1.8 Eintragung in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist rechtens, da die vorläufige Unterschutzstellung nicht offensichtlich rechtswidrig ist. Die privaten Belange des Antragstellers müssen bis zur endgültigen Klärung zurückstehen. Ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen  Bescheid über die  vorläufige Unterschutzstellung eines Bodendenkmals gem. § 4 DSchG NRW war daher abzuweisen.
VG Düsseldorf, Beschluss, 16.09.2013, AZ: 9 L 1221/13, Publikationsart:

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.1 Eintragung in die Denkmalliste
3 Bodendenkmalpflege
3.1 Unterschutzstellung
3.1.1 Umgrenzung, Ausdehnung, Begrenzung, Nachweis