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1.2.5 Vorkaufsrecht

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Eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung bei Ausübung eines Vorkaufsrechts setzt voraus, dass nicht nur einzelne Entscheidungsgesichtspunkte ermittelt und dargestellt werden, sondern auch eine Gewichtung oder Abwägung des "Für und Wider" der sich gegenüberstehenden öffentlichen und privaten Belange erkennbar ist oder andere Alternativen im Rahmen des Ermessensspielraums diskutiert werden.
BayVGH, Beschluss, 22.01.2016, AZ: 9 ZB 15.2027, Publikationsart: BeckRS 2016, 41777

1.2.5 Vorkaufsrecht
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1. Für die Allgemeinwohlrechtfertigung im Rahmen der Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts ist entscheidend, dass hierbei überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt werden (vgl. zum Vorkaufsrecht nach § 24 BauGB: BVerwG, Beschl. v. 15.02.1990, Az.: 4 B 245/89, NJW 1990, 2703).
2. Beim denkmalrechtlichen Vorkaufsrecht muss dieser Vorteil zudem einen hinreichenden denkmalschutzrechtlichen Bezug erkennen lassen.
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss, 06.02.2006, AZ: 2 L 6/04, Publikationsart: juris / BauR 2007, 153

1.2.5 Vorkaufsrecht
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1. § 11 Abs. 1 Satz 4 DSchG ST nennt als Regelbeispiele für das anzunehmende Wohl der Allgemeinheit den Erhalt des Denkmals oder die Beseitigung erheblicher Schäden am Denkmal als Ziel der Ausübung des Vorkaufsrechts. Die Annahme einer Allgemeinwohlrechtfertigung liegt zudem vor, wenn hierbei überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt werden (vgl. zum Vorkaufsrecht nach § 24 BauGB: BVerwG, Beschluss vom 15.02.1990, Az. 4 B 245/89, juris; zum Vorkaufsrecht nach § 11 DSchG ST: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 06.02.2006, Az. 2 L 6/04, juris).
2. Bei einem denkmalrechtlichen Vorkaufsrecht muss dieser Vorteil zudem einen hinreichenden denkmalschutzrechtlichen Bezug erkennen lassen. Dieser Bezug muss sich aber, ebenso wie der überwiegende Vorteil der Allgemeinheit, an dem Kulturdenkmal selbst festmachen lassen.
3. Allein der Erhalt des Gebäudes in öffentlicher Hand muss dem Gemeinwohl dienen, weil das Gebäude selbst sonst diesem nicht (mehr) zur Verfügung stehen würde. Unerheblich sind hingegen grundsätzlich fiskalische Hilfserwägungen, etwa dass das Gebäude der öffentlichen Hand einen Nutzungsvorteil verschaffen könnte (vgl. VG Dessau, Urteil vom 03.06.2004, Az. 1 A 2043/03, juris).
4. Offensichtlich ist die Anknüpfung des Allgemeinwohls an das Gebäude bei den Regelbeispielen des § 11 Abs. 1 Satz 4 DSchG ST. Denn wenn der Erwerb dazu dient, der Zerstörung eines Denkmals Einhalt zu gebieten, steht das Denkmal als solches im Mittelpunkt der Erwägungen. Unerheblich ist demgegenüber, welchen Nutzungszweck das Gebäude erfüllt.
5. Die bloße Möglichkeit, dass einem Denkmaleigentümer für die Umsetzung aller denkmalpflegerischen Auflagen bei einer umfassenden Gebäudesanierung die finanziellen Mittel fehlen könnten, genügt ohne konkrete Anhaltspunkte nicht für die Annahme, nur das Land könne das Kulturdenkmal erhalten.
6. Fehlt es an einer erkennbaren Gefährdung der Gebäudesubstanz zur Rechtfertigung der Ausübung des Vorkaufsrechts, kann auch die Lage des Gebäudes oder seine Zuordnung zu einem Gebäudeensemble nicht zu dessen Begründung herangezogen werden. Denn anders als in den vom Beklagten zitierten Entscheidungen des VG Magdeburg (Urteil vom 10.12.2003, Az. 4 A 657/01 MD, und Urteil vom 29.08.2006, Az. 4 A 96/04) sowie des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 06.02.2006, Az.: 2 L 6/04, juris) zu einzelnen Gebäuden aus dem Kulturdenkmal „Klosteranlage Michaelstein“ handelt es sich bei dem Gebäude der ehemaligen Reichsbank erkennbar nicht um ein dem Dom oder einem geschlossenen erkennbaren Denkmalbereich funktional zuzuordnendes Element.
7. Die Klosteranlage Michaelstein stellt mitsamt ihren Erweiterungen, Umbauten und über die Jahrhunderte vorgenommenen Nutzungsänderungen einen Denkmalkomplex dar, in dem jedes zuzuordnende Gebäude den Transformationsprozess beschreibt und daher jedes – auch die nicht sakralen oder erheblich überformten – Gebäude in sich den Denkmalwert des gesamten Ensembles verkörpert.
8. Die Situation des Gebäudes der Reichsbank ist eine völlig andere. Der Standort des Reichsbankgebäudes direkt gegenüber dem Dom mag bauzeitlich bewusst gewählt worden sein und verkörpert ausweislich der Denkmalbeschreibung auch einen gewissen Geltungsanspruch der Erbauer. Das aber nicht allein auf Grund der Nähe zum Dom oder im Bezug zu diesem, sondern auf Grund der zentralen Lage in der – vor der Zerstörung – äußerst imposanten geschlossenen Innenstadtlage M.. Insofern wäre auch ein anderer Standort denkbar gewesen, die Zuordnung des Bankgebäudes zum Dom ist nicht zwingend und ergibt sich auch nicht dadurch, dass der Dom im Bezug zum Reichsbankgebäude noch imposanter wirkt.
9. Insofern ist nicht das 1923 errichtete Gebäude der Reichsbank maßstabsbildend für den Dom, sondern der Dom bildet den Maßstab für das Bankgebäude, ohne dass erkennbar wäre, welcher Denkmalwert dem innewohnen sollte.
10. Auch ein ursprünglicher funktionaler Zusammenhang des Reichsbankgebäudes mit dem Dom oder der Domfreiheit ist nicht erkennbar, denn das Gebäude diente historisch nicht dem Dom, sondern der Reichsbank.
11. Entsprechend dient der Erwerb – anders als im Kloster Michaelstein – auch nicht der Abrundung oder Zusammenführung eines erkennbaren abgeschlossenen Denkmalbereichs, so dass auch damit das Vorkaufsrecht nicht begründet werden kann.
12. Aber auch die von dem Beklagten geplante Nutzung des Gebäudes als Dommuseum vermag das Wohl der Allgemeinheit, dem das Vorkaufsrecht dienen muss, nicht zu begründen. Denn die beabsichtigte Nutzung eines Gebäudes vermag dies nur dann zu rechtfertigen, wenn entweder die frühere Nutzung schon Denkmalwert hatte und es diese konkrete Nutzung zu erhalten gilt – wofür hier nichts ersichtlich ist – oder ohne Überführung in die öffentliche Hand die Öffentlichkeit von der Nutzung des Gebäudes ausgeschlossen würde – etwa durch Wohnnutzung wie in den Fällen betreffend Kloster Michaelstein. Dafür ist aber ebenfalls nichts ersichtlich. Denn ebenso wie der Beklagte plant der Kläger, das Gebäude der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und es als Museum zu nutzen. 13. Auch wenn nachvollziehbar ist, dass das Gebäude der ehemaligen Reichsbank sich für die Zwecke eines Dommuseums bestens eignen würde, vermittelt diese Nutzungsabsicht nicht die zwingende Notwendigkeit, in die grundrechtlich gesicherte Freiheit des Eigentums durch Ausübung des Vorkaufsrechts einzugreifen. Vielmehr hätte es dem Beklagten dann oblegen, den geplanten Ankauf des Gebäudes selbst zügig zu betreiben.
14. Das denkmalschutzrechtliche Vorkaufsrecht knüpft daher an dem Denkmalwert des zu erwerbenden Gebäudes an, nicht an dessen beabsichtigter Nutzung.
VG Magdeburg, Urteil, 05.10.2012, AZ: 4 A 134/11, Publikationsart: juris

1.1.2 Bedeutung
1.1.4 Denkmalwürdigkeit
1.1.10 Denkmaleigenschaft und Zivilrecht
1.2.5 Vorkaufsrecht