zurück zur Übersicht
zur Suche

2.2.3 Abbruch eines „Nur“-Nicht-Einzeldenkmals im Ensemble

Diese Entscheidung per E-Mail versenden
1. Eine Mehrheit von baulichen Anlagen ist nach Art. 1 Abs. 3 BayDSchG grundsĂ€tzlich nur dann als Ensemble geschĂŒtzt, wenn sie prĂ€gende EinzelbaudenkmĂ€lern enthĂ€lt.
2. Je geringer die PrĂ€gung des Ensembles durch EinzelbaudenkmĂ€ler ist, desto grĂ¶ĂŸer muss die prĂ€gende Wirkung der im Übrigen noch vorhandenen historischen Bausubstanz sein.
3. Beinhaltet die Mehrheit von baulichen Anlagen dagegen weder prĂ€gende EinzelbaudenkmĂ€ler noch historische Bausubstanz, kann ein Ensemble im Sinne des BayDSchG nur dann vorliegen, wenn die Orts-, Platz- oder Straßenbild der Mehrheit der baulichen Anlagen aus den in Art. 1 Absatz 1 BayDSchG genannten GrĂŒnden im Interesse der Allgemeinheit erhaltenswĂŒrdig ist.
BayVG MĂŒnchen, Urteil, 16.10.2017, AZ: M 8 K 15.1186, Publikationsart: BeckRS 2017, 141294 / BayVBl. 2018, 562-566 / LSK 2017, 141294

2 Baudenkmalpflege
2.1 Ensemble
2.1.1 Ensembleumfang
2.2.2 Abbruch eines Nicht-Einzeldenkmals, aber konstituierenden Ensemblebestandteils
2.2.3 Abbruch eines „Nur“-Nicht-Einzeldenkmals im Ensemble
Diese Entscheidung per E-Mail versenden
Verlust der Denkmaleigenschaft durch Umbau eines GebÀudes
BayVG MĂŒnchen, Urteil, 20.07.2015, AZ: M 8 K 14.3265, Publikationsart: BeckRS 2016, 44794 / http://www.gesetze-bayern.de/Content/Pdf/Y-300-Z-BECKRS-B-2016-N-44794?all=False
BayVG MĂŒnchen - Urteil v. 20.07.2015 - M 8 K 14.3265 - anonym.pdf

1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.2 Bedeutung
1.1.3 „aus vergangener Zeit“
1.1.4 DenkmalwĂŒrdigkeit
1.1.5 VerÀnderungsfolgen
2.2 Abbruch
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
2.2.3 Abbruch eines „Nur“-Nicht-Einzeldenkmals im Ensemble
Diese Entscheidung per E-Mail versenden
1. GemĂ€ĂŸ Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 BayDSchG bedarf der Erlaubnis, wer ein Ensemble verĂ€ndern will, wenn die VerĂ€nderung eine bauliche Anlage betrifft, die fĂŒr sich genommen ein Baudenkmal ist, oder wenn sie sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann. Die Funktion des Genehmigungserfordernisses als prĂ€ventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt erfordert dabei eine weite Auslegung des die Genehmigungspflicht auslösenden Tatbestands (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.02.2008, Az.: 2 B 12.06, BRS 73 Nr. 204; VGH Baden-WĂŒrttemberg, Urteil vom 27.06.2005, Az.: 1 S 1674/04, ÖffBauR 2005, 140).
2. Ensembles genießen dabei den gleichen Schutz wie EinzelbaudenkmĂ€ler, ensembleprĂ€gende Bestandteile sollen grundsĂ€tzlich erhalten werden (BayVGH, Urteil vom 03.01.2008, Az.: 2 BV 07.760, BayVBl 2008, 477). Der Schutzanspruch des Ensembles zielt insoweit allerdings stĂ€rker und vorrangiger auf das Erscheinungsbild, das die Bedeutung vermittelt und in seiner Anschaulichkeit zu bewahren ist (BayVGH, Urteil vom 03.01.2008, Az.: 2 BV 07.760, a. a. O.).
3. Das GebĂ€ude, das unstreitig nicht die Voraussetzungen, die es selbst zu einem Baudenkmal im Sinn des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG qualifizieren wĂŒrden, erfĂŒllt, ist danach nicht Teil des unterstellten Ensembles, das sich nach den amtlichen AusfĂŒhrungen in der Bayerischen Denkmalliste durch eine einheitliche Bauweise auszeichnet, mit der den brandschutztechnischen Anforderungen nach dem großen FlĂ€chenbrand von 1863 Rechnung getragen wurde. Insoweit fehlt es ersichtlich schon an ausreichender historischer Bausubstanz, die das unterstellte Ensemble prĂ€gen könnte.
4. Bei einem flĂ€chenmĂ€ĂŸig großen Ensemble ist fĂŒr die Beurteilung der denkmalschĂŒtzerischen Aspekte zutreffend auf den Nahbereich um das streitgegenstĂ€ndliche GebĂ€ude abzustellen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 29.07.2013, Az.: 14 ZB 11.398, juris [Rn. 3]; Urteil vom 11.01.2011, Az.: 15 B 10.212, juris [Rn. 31]).
5. Ohne dass es dabei auf die vom BayVG MĂŒnchen angefĂŒhrte fehlende PrĂ€gung des unmittelbaren Nahbereichs durch die EinzelbaudenkmĂ€ler ankommt, da die Tatsache, dass insoweit kein Blickkontakt besteht, grundsĂ€tzlich den historischen Bezug des GebĂ€udes zum Ensemble und seine Funktion fĂŒr dieses nicht entfallen lĂ€sst (vgl. BayVGH, Urteil vom 03.06.2000, Az.: 2 B 97.1119, juris [Rn. 19]), ist in diesem Nahbereich keine historische Bausubstanz mehr vorhanden, die das Ensemble prĂ€gen könnte. Ein insoweit erhaltungswĂŒrdiges Ort-, Platz- oder Straßenbild als ein Zeugnis geschichtlicher Ereignisse ist dort nicht mehr vorhanden.
6. Ein Einzelbaudenkmal ist in diesem Nahbereich selbst nicht vorhanden. Auch im Übrigen ist dieser Nahbereich, in dem zwar einzelne historische Bauten saniert wurden im Gegensatz zu anderen Bereichen des ausgewiesenen Ensembles, die durchgehend noch historische Bausubstanz aufweisen, maßgeblich geprĂ€gt von Neubauten bzw. von einem sanierten historischen Bau direkt neben dem GebĂ€ude des KlĂ€gers, der sich insbesondere auf Grund der erkennbaren Erhöhung des Kniestocks nicht von einem Neubau unterscheidet. Auch der Blick in den Nahbereich aus westlicher Sicht ist geprĂ€gt durch den Neubau sowie die GebĂ€ude . die - im Gegensatz zu den sonstigen giebelstĂ€ndigen GebĂ€uden im Nahbereich - traufseitig errichtet sind. Auch die Neubauten im dem Nahbereich ge-genĂŒber liegenden Bereich‚ dessen GebĂ€ude den Nahbereich jedoch wesentlich prĂ€gen, stehen nur teilweise giebelstĂ€ndig, wie das fĂŒr die historische Bauweise kennzeichnend ist.
7. Da jedenfalls im Nahbereich keine ausreichende historische Bausubstanz mehr vorhanden ist, kommt es ungeachtet der von den Denkmalbehörden nicht zu beanstandenden Zielrichtung, im Ensemble – im Gegensatz zu der bisherigen Handhabung – möglichst alle relevanten GebĂ€ude mit historischer Substanz zu erhalten, fĂŒr den Fortbestand des unterstellten Ensembles – nicht mehr auf den
Erhalt des streitgegenstÀndlichen GebÀudes an.
8. Des Weiteren stellt das Fehlen von prĂ€genden EinzelbaudenkmĂ€lern in einem Ensemble die EnsemblequalitĂ€t eines in der Denkmalliste eingetragenen Ensembles insgesamt in Frage. Nach Art. 1 Abs. 3 BayDSchG kann zu den BaudenkmĂ€lern auch eine Mehrheit von baulichen Anlagen (Ensemble) gehören, und zwar auch dann, wenn nicht jede einzelne dazugehörige bauliche Anlage die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfĂŒllt, das Orts-, Platz- oder Straßenbild aber insgesamt erhaltungswĂŒrdig ist, wobei die Eintragung in die Denkmalliste dabei nur deklaratorische Bedeutung hat (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG).
9. Zwar verlangt das BayDSchG nicht, dass es sich um GebĂ€ude mit den gleichen Stilmerkmalen handeln muss, da auch verschiedene, einander ausschließende, nicht abgeschlossene Planungen bzw. „willkĂŒrliche ZusammenhĂ€nge“ als Zeugnis frĂŒherer Entwicklungen zu einem erhaltenswerten Orts-, Platz- oder Straßenbild und damit zu einem Ensemble fĂŒhren können (vgl. Eberl in Eberl/Martin, BayDSchG, 7. Aufl. 2016, Art. 1 Rn. 54).
10. Jedoch bedarf es eines festzustellenden Funktionszusammenhangs oder eines gemeinsamen Grundprinzips, um den GebĂ€uden einen sich daraus ergebenden gesteigerten Zeugniswert fĂŒr bestimmte geschichtliche Entwicklungen oder stĂ€dtebauliche Gegebenheiten an einem Ort zu vermitteln (vgl. Martin in Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 44).
11. Entgegen den in der Bayerischen Denkmalliste beschriebenen amtlichen Erkenntnissen existieren in dem als Ensemble ausgewiesenen Gebiet keine die Bauweise nach der Brandkatastrophe von 1863 prĂ€genden EinzelbaudenkmĂ€ler. Auch die Anwesen, die ebenfalls als EinzelbaudenkmĂ€ler in die Bayerische Denkmalliste eingetragen sind, vermögen das unterstellte Ensemble nicht zu prĂ€gen. Die beiden Anwesen, die die landwirtschaftlichen Anwesen im Werdenfelser Land mit flachgeneigten, ehemals mit Holzschindeln gedeckten DĂ€chern reprĂ€sentieren, sind hingegen Zeugnis der vor dem großen Brand Ende des 18. Jh. und in der 2. HĂ€lfte des 17. Jh. errichteten BauernhĂ€user. Das gilt auch fĂŒr das weitere GebĂ€ude, das ebenfalls vor dem großen Brand errichtet wurde, im Übrigen aber wegen der NeuausfĂŒhrung von Erdgeschoss und erstem Obergeschoss seinen Status als Einzelbaudenkmal verloren hat. Die GebĂ€ude in einem weiteren Straßenzug des unterstellten Ensembles stellen ersichtlich den Vorbestand vor dem großen Brand dar, reprĂ€sentieren aber eben nicht die Bedeutung der einheitlichen Bebauung nach dem großen Brand von 1863 in den genannten StraßenzĂŒgen.
12. Fehlt es aber an EinzelbaudenkmĂ€lern, die den Charakter des Ensembles prĂ€gen, so kommt der Rechtsfrage, ob GebĂ€udemehrheiten, zu denen kein Einzelbaudenkmal (mehr) gehört, als Ensemble anzusehen sind, maßgebliche Bedeutung zu. Nach Auffassung des Senats setzt der Ensembleschutz das Ensemble prĂ€gende EinzelbaudenkmĂ€ler voraus.
13. Ensembles stellen unzweifelhaft zentrale Bestandteile des BayDSchG dar (Art. 1 Abs. 3 BayDSchG). Sie umfassen rĂ€umliche Gesamtheiten aus denkmalgeschĂŒtzten Anlagen und Anlagen, die fĂŒr sich genommen nicht als DenkmĂ€ler einzustufen sind, aber zusammen insgesamt ein erhaltungswĂŒrdiges Orts-, Platz- oder Straßenbild als Erscheinungsform tiefer liegender baulicher QualitĂ€ten ergeben.
14. Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG beschreibt eine stĂ€dtebauliche Situation, in der durch mehrere einzelne GebĂ€ude, die nicht alle fĂŒr sich BaudenkmĂ€ler sein mĂŒssen, eine Gesamtheit entstanden ist, die als Ganzes von geschichtlicher, kĂŒnstlerischer, stĂ€dtebaulicher, wissenschaftlicher oder volkskundlicher Bedeutung ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 25.03.1993, Az.: 3 ObOWi 17/93, NVwZ 1994 828). Obwohl dafĂŒr der optische Eindruck der Gesamtheit, also das ganzheitliche Erscheinungsbild, entscheidend ist, kann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht auf das Vorliegen von das Ensemble prĂ€genden EinzelbaudenkmĂ€lern verzichtet werden, da sich der Gesamteindruck auf die Mehrheit von Anlagen in einem Ensemble und das öffentliche Erhaltungsinteresse bezieht.
15. Zudem formuliert Art. 1 Abs. 3 BayDSchG im Gegensatz zu Art. 1 Abs. 1 Abs. 2 BayDSchG und der Fiktion in Art. 1 Abs. 2 Satz 3 BayDSchG, dass Ensembles zu den BaudenkmĂ€lern gehören können. Auch diese Bezugnahme auf Art. 1 Abs. 2 BayDSchG spricht fĂŒr die Annahme, dass in einem Ensemble eine nennenswerte Anzahl von BaudenkmĂ€lern nach Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1
BayDSchG (sog. EinzelbaudenkmĂ€ler) vorhanden sein mĂŒssen.
16. GebĂ€udemehrheiten, zu denen kein Einzelbaudenkmal mehr gehört, können zwar aus GrĂŒnden der Ortsbildpflege erhaltenswert sein, sie sind aber keine Ensemble (mehr), und zwar selbst dann nicht, wenn sie unter Beachtung eines historischen Stadt-, Platz- oder Straßengrundrisses errichtet wurden (vgl. dazu Martin in Martin/ Krautzberger, a. a. O. [Rn. 49]; Eberl in Eberl/ Martin, a. a. O., Art. 1 [Rn. 54, 54a, 56]). Dieses am Wortlaut orientierte VerstĂ€ndnis findet sich auch in der Rechtsprechung wieder (vgl. BayObLG. Beschluss vom 25.03.1993, Az.: 3 ObOWi 17/93, a. a. O.; BayVGH, Beschluss vom 22.01.2014, Az.: 1 ZB 11.2164, juris [Rn. 3]; Beschluss vom 29.07.2013, Az.: 14 ZB 11.398, juris [Rn. 3]; Beschluss vom 12.12.2012, Az.: 15 ZB 11.736, juris [Rn. 5]; Urteil vom 03.01.2008, Az.: 2 BV 07.160, a, a, O.; Urteil vom 03.08.2000, Az.: 2 B 97.1119, juris [Rn. 18]; BVerwG, Urteil vom 22.02.1980, Az.: IV C 44.76, juris [Rn. 17], das zwar im Zusammenhang mit dem ortsrechtlichen Verbot zur Lichtreklame steht, aber zum Indiz des Ensembleschutzes fĂŒr die Einheitlichkeit der historischen Altstadt ausfĂŒhrt und es dabei genĂŒgen hat lassen, dass die Altstadt von einigen kĂŒnstlerisch wertvollen GebĂ€uden geprĂ€gt wird und insgesamt den Charakter einer mittelalterlichen Stadt bewahrt hat; BayVGH, Beschluss vom 09.12.2011, Az.: 15 ZB 09.3143, juris [Rn. 12] der ebenfalls im Zusammenhang mit einer Baugenehmigung fĂŒr eine Werbeanlage auf das Urteil des BVerwG vom 22.02.1980, Az.: IV C 44.76, a. a. O. Bezug nimmt).
17. Dagegen ĂŒberzeugt das Argument, dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG könne nicht zwingend entnommen werden, dass mindestens eine der zu einem Ensemble gehörenden baulichen An-lagen ein Einzeldenkmal sein mĂŒsse, vielmehr nur erforderlich sei, dass das Orts-, Platz- oder Straßenbild insgesamt erhaltungswĂŒrdig sei, im Hinblick auf die vorstehenden AusfĂŒhrungen nicht Gleich-ermaßen ist der RĂŒckschluss auf eine in der 109. Sitzung des Landesdenkmalrats vom 18. Juli 1983 getroffene Entscheidung, in AusnahmefĂ€llen positive Voten fĂŒr Ensembleeintragungen nicht davon abhĂ€ngig zu machen, dass sich im Ensemble zumindest ein Einzelbaudenkmal befindet, was ein Beleg fĂŒr die weite Auslegung des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG sei, nicht ĂŒberzeugend.
18. UnabhĂ€ngig von der Stellung des Landesdenkmalrats nach Art. 14 BayDSchG zeigt auch die Formulierung „in AusnahmefĂ€llen“, dass in einem Ensemble notwendigerweise zumindest ein Einzelbaudenkmal vorhanden sein muss und der Ensembleschutz nicht von Anfang an als selbstĂ€ndige Kategorie neben dem Schutz von EinzelbaudenkmĂ€lern verstanden wurde. Bereits in den Empfehlungen vom 19.04.1977 im Zusammenhang mit Baumaßnahmen (IMS Nr. II B 4—9130—22, veröffentlicht in Simon/ Busse Anh. 422) fĂŒhrt der Landesdenkmalrat zu den charakteristischen Merkmalen eines Ensembles unter Nummer 1.1.1 „StĂ€dtebauliche Struktur“ aus, dass dazu u. a. auch das Stra-ßenschema, die Viertelsbildung, die MaßstĂ€blichkeit der Bebauung sowie das VerhĂ€ltnis der Baumassen zueinander, zu herausragenden BaudenkmĂ€lern und Blickpunkten und zu charakteristischen Vegetationsbereichen zĂ€hlen und stellt damit ersichtlich darauf ab, dass in einem Ensemble prĂ€gende EinzelbaudenkmĂ€ler vorhanden sein mĂŒssen,
19. Eine Auslegung des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG, wonach bauliche Anlagen als Gesamtheit (im Sinn von „nicht jede fĂŒr sich“) erhaltungswĂŒrdig sind, kann aber auch nicht der GesetzesbegrĂŒndung (vgl. LT-Drs. 7/2033 vom 14.02.1972, S. 9) entnommen werden. Darin wird wie folgt zu Art. 1 Abs. 2 BayDSchG (jetzt Art. 1 Abs. 3 BayDSchG) ausgefĂŒhrt: „(...) Im Einklang mit den in vielen europĂ€ischen LĂ€ndern zu beobachtenden Bestrebungen des Denkmalschutzes nicht nur einzelne GebĂ€ude zu erhalten, die gelegentlich inmitten von lauter modernen Neubauten wie Fremdkörper wirken können, sondern durch Erhaltung von HĂ€usergruppen, von StraßenzĂŒgen und PlĂ€tzen ein besseres Abbild der Geschichte zu geben, legt Art. 1 Abs. 2 fest, dass auch eine Mehrheit von GebĂ€uden ein Baudenkmal sein kann (Ensembleschutz). Baudenkmal ist hier nicht oder jedenfalls nicht nur ein einzelnes GebĂ€ude, sondern ein Platz oder eine Straße. (...)“. Anhaltspunkte dafĂŒr, dass der angestrebten Unterschutzstellung von HĂ€usergruppen, StraßenzĂŒgen und PlĂ€tzen - unabhĂ€ngig von der Frage, wie viele EinzelbaudenkmĂ€ler in einem Ensemble vorhanden sein mĂŒssen - ein gĂ€nzlicher Verzicht auf das Vorhandensein eines Einzelbaudenkmals entnommen werden könnten, liegen nicht vor.
20. Die von den Denkmalbehörden in den Blick genommen Auslegung orientiert sich vielmehr an der in anderen deutschen LĂ€ndern auf Grund von anderslautenden Gesetzesbestimmungen festgelegten Unterschutzstellung von Siedlungen ohne herausragendes Einzeldenkmal als Ensemble (vgl. dazu Eberl in Eberl/ Martin, a. a. O., Art. 1 Rn. 54, 54a, 56 m. w. N. sowie die Formulierungen in § 2 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 19 DSchG Baden-WĂŒrttemberg, § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchG Brandenburg, § 4 Abs. 3 Satz 1 DSchG Hamburg, § 2 Abs. 3 Satz 1 DSchG Mecklenburg-Vorpommern, § 3 Abs. 3 Satz 1 DSchG Niedersachsen, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, § 5 DSchG Rheinland-Pfalz, § 2 Abs. 2 Nr. 2 DSchG Saarland, § 1 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 21 DSchG Sachsen und § 2 Abs. 3 Nr. 3 DSchG Schleswig-Holstein). Von dieser Möglichkeit, ausdrĂŒcklich zu bestimmen, dass ein Ensemble auch dann vorliegt, wenn kein oder nicht jeder einzelne Teil des Ensembles ein Denkmal darstellt, hat der bayerische Gesetzgeber bislang keinen Gebrauch gemacht.
21. Ferner ist nach Auffassung des Senats auch in den Blick zu nehmen, dass nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG - der mit Wirkung vom 01.08.2003 in das BayDSchG eingefĂŒgt wurde (vgl. GVBI S. 475) – die Erlaubnispflicht einer VerĂ€nderung baulicher Anlagen, die fĂŒr sich genommen kein Baudenkmal sind, davon abhĂ€ngt, dass die VerĂ€nderung sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann (vgl. BayVGH, Beschluss vom 12.12.2012, Az.: 15 ZB 11.736, juris [Rn. 3]). Diese Regelung dient zwar der Verwaltungsvereinfachung und sollte insbesondere fĂŒr Nicht-BaudenkmĂ€ler in Ensembles die bis dahin grundsĂ€tzlich auch bei baulichen Änderungen im Inneren dieser GebĂ€ude bestehende GenehmigungsbedĂŒrftigkeit entfallen lassen, sie lĂ€sst im Übrigen aber die GenehmigungsbedĂŒrftigkeit im Ensemble unverĂ€ndert (vgl. LT-Drs. 14/12042 S. 4).
22. Das Erscheinungsbild des Ensembles wird aber durch das erhaltungswĂŒrdige Orts-, Platz- oder Straßenbild geprĂ€gt (Art. 1 Abs. 3 BayDSchG), das wiederum nicht nur aus einzelnen Teilen baulicher Anlagen wie Fronten und/oder Giebeln besteht, sondern aus einem Gesamteindruck (vgl. Eberl in Eberl/ Martin, a. a. O., Art. 1 Rn. 61). Auch das spricht gewichtig dafĂŒr, dass das Anliegen des Denkmalschutzes, die Substanz der Objekte zu erhalten, nur dann zu rechtfertigen ist, wenn EinzelbaudenkmĂ€ler das Ensemble als Ganzes maßgeblich prĂ€gen.
23. Diese Auslegung des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG orientiert sich schließlich auch an dem vom Gesetzgeber in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG angeordneten Substanzschutz, der in Einklang mit Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 103 BV zu bringen ist. Das BVerfG hat dem Denkmalschutz einen hohen Stellenwert eingerĂ€umt, zugleich aber eine ausreichende BerĂŒcksichtigung der EigentĂŒmerbelange gefordert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999, Az.: 1 BvL 7/91, BVerfGE 100, 226).
24. Die Lösung von KonfliktfĂ€llen erfolgt im Erlaubnisverfahren an Hand der Regelung des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG. Danach kann die Erlaubnis versagt werden, soweit gewichtige GrĂŒnde des Denkmalschutzes fĂŒr die unverĂ€nderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Zwar gilt die Regelung ihrem Wortlaut nach nur fĂŒr die auf einzelne BaudenkmĂ€ler bezogenen FĂ€lle des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BayDSchG, doch ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber auch fĂŒr den in dieser Regelung nicht genannten Fall der Erlaubnis zur EnsembleverĂ€nderung ebenfalls eine Versagungsmöglichkeit vorsehen wollte (vgl. dazu BayVGH, Beschluss von 12.12.2012, Az.:15 ZB 11.736, juris [Rn. 5]).
25. WĂ€re es Absicht des Gesetzgebers gewesen, das Bestehen eines Ensembles auch ohne ein Einzelbaudenkmal anzunehmen, hĂ€tte es nahegelegen, in Art. 6 Abs. 2 BayDSchG eine gesonderte Regelung fĂŒr die VerĂ€nderung eines GebĂ€udes, das selbst kein Baudenkmal ist, jedoch Auswirkungen auf das Erscheinungsbild des Ensembles hat (Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG), vorzusehen, um eine unverhĂ€ltnismĂ€ĂŸige Belastung der EigentĂŒmer von Nicht-BaudenkmĂ€lern zu vermeiden, die aus der pauschalen Forderung nach Substanzerhaltung resultieren kann.
26. Ob der Landesgesetzgeber nun die Frage, ob es auch in Bayern - unbeschadet der seit 1973, d. h. sozusagen "von Anbeginn an" geĂŒbten Praxis - ĂŒberhaupt „einzeldenkmalfreie Ensembles“ geben darf, gesetzgeberisch beantworten wird, bleibt abzuwarten. In Anschluss an die aktuelle Rechtsprechung des BayVGH zu Fragen der Zumutbarkeit des Denkmalerhalts wĂŒrde dann eine „Renovierung“ des BayDSchG in Angriff zu nehmen sein.
BayVGH, Urteil, 22.04.2016, AZ: 1 B 12.2353, Publikationsart: http://www.landesanwaltschaft.bayern.de/media/landesanwaltschaft/entscheidungen/2016_04_22_we_denkmalschutzrecht.pdf / BayVBl 2016, 788-781 / NVwZ-RR 2017, 13 ff. / BeckRS 2016, 47035
1. Bayerisches Staatsministerium fĂŒr Wissenschaft, Forschung und Kunst (WFKMS vom 30.07.1999, Nr. XII/4-K 4604/1-20/27 967): "Es stellte sich die Frage, ob ein Ensemble im Sinne von Art. 1 Abs. 3 BayDSchG nur vorliegen könne, wenn mindestens eine der dazugehörigen baulichen Anlagen fĂŒr sich genommen ein Baudenkmal ist. Zwar ist es richtig, dass der diesbezĂŒgliche Beschluss des Landesdenkmalrates keine rechtsverbindliche Wirkung hat. Auch die Eintragung der Ensembles in die Denkmalliste ist nicht rechtsbegrĂŒndend. Das Staatsministerium hĂ€lt den Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG jedoch nicht fĂŒr eindeutig. Dem strengen Wortlaut nach verlangt Absatz 3 nur, dass das Orts-, Platz- oder Straßenbild insgesamt erhaltenswĂŒrdig ist. Dies lĂ€sst die Auslegung zu, dass nicht jede einzelne bauliche Anlage des Ensembles, sondern die baulichen Anlagen als Gesamtheit erhaltenswĂŒrdig sein mĂŒssen. Es erscheint durchaus denkbar, dass diese ErhaltenswĂŒrdigkeit (vgl. Absatz 1: wegen ihrer geschichtlichen, kĂŒnstlerischen, stĂ€dtebaulichen, wissenschaftlichen oder völkerkundlichen Bedeutung) sich nur und gerade aus der Gesamtbetrachtung des Ensembles ergibt. Ob das Orts-, Platz- und Straßenbild insgesamt erhaltenswĂŒrdig ist, kann dann nicht maßgeblich davon abhĂ€ngen, ob ein Einzeldenkmal darunter ist - ansonsten wĂ€re der Schutz nach Absatz 1 ausreichend. Im Ergebnis kann u. E. fĂŒr die Festlegung als Ensemble daher nicht entscheidend sein, ob eines der Bestandteile des Ensembles Denkmaleigenschaft hat.." 2. Landesanwaltschaft Bayern: "Im Wege eines „obiter dictums“ hat sich der 1. Senat mit der vorliegenden Entscheidung eines in der Denkmalpflege seit langem schwelenden Streits angenommen. Die Frage, ob Art. 1 Abs. 3 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der DenkmĂ€ler vom 25.06.1973 (BayDSchG) fĂŒr das Vorliegen eines Ensembles mindestens ein Einzelbaudenkmal enthalten muss oder ob – wie in anderen Landesdenkmalgesetzen – etwa auch Mustersiedlungen, StraßenzĂŒge oder Platzsituationen ohne EinzeldenkmĂ€ler dem Schutz des Denkmalrecht unterliegen, ist in der Praxis der Ensembleausweisung durch das Bayerischen Landesamt fĂŒr Denkmalpflege (BLfD) zugunsten einer möglichst umfassenden Unterschutzstellung beantwortet worden. Nur so konnten etwa in MĂŒnchen die Siedlung am GĂ¶ĂŸweinsteinplatz („Dornier-Siedlung“) oder die „Kriegersiedlung“ dem Regime des Denkmalschutzes und auch den damit verbundenen finanziellen Anreizen unterstellt werden. Dieser jahrzehntelang vom BLfD gepflegten Auslegung des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG hat der 1. Senat eine klare Absage erteilt. Soweit er an dieser Stelle auf die Rechtsprechung der anderen, gleichfalls mit Fragen des Denkmalschutzes befassten Senate des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verweist (Rn. 21 [s. Anhang]), vermittelt die LektĂŒre der genannten Entscheidungen allerdings nicht den Eindruck, dass dort bereits eine abschließende Positionierung zur Auslegung des Landesdenkmalrechts stattgefunden hĂ€tte. Ob der Landesgesetzgeber dieses Urteil zum Anlass wird, sich zur Frage des 'einzeldenkmalfreien Ensembles' neu oder klarstellend zu Ă€ußern, bleibt abzuwarten." (http://www.landesanwaltschaft.bayern.de/media/landesanwaltschaft/entscheidungen/2016_04_22_we_denkmalschutzrecht.pdf)
BayVGH - Urteil v. 22.04.2016 - 1 B 12.2353 - anonym.pdf

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.2 Bedeutung
1.1.5 VerÀnderungsfolgen
1.1.7 Folgen fĂŒr das Eigentum
2 Baudenkmalpflege
2.1 Ensemble
2.1.1 Ensembleumfang
2.1.2 Erscheinungsbild
2.1.3 Nichtdenkmal im Ensemble
2.2.3 Abbruch eines „Nur“-Nicht-Einzeldenkmals im Ensemble
2.4 VerÀnderungen in der Umgebung
2.4.1.7 Nachteilige VerÀnderungen des Orts- und Landschaftsbilds (Umgebung / Freiraum / Sichtbeziehungen vom und zum Denkmal)