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1.1.1 Eintragungspflicht

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1. Die streitgegenständliche Aufhebung der Baugenehmigung ist rechtmäßig, da die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides nach Art. 48 BayVwVfG gegeben sind und ein Verstoß gegen allgemeine Handlungsgrundsätze nicht erkennbar ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die von der Beklagten angegebene Rechtsgrundlage (Widerruf nach Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG) für die Aufhebung des Verwaltungsakts dürfte zwar unrichtig sein, da nach objektiver Sach- und Rechtslage die Denkmaleigenschaft des Gebäudes bereits im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung vorlag, weshalb von keiner nachträglich eingetretenen Tatsache im Sinn des Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG gesprochen werden kann (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Auflage, § 49 Rdn. 45).
2. Die Baugenehmigung, die im Rahmen der Konzentrationswirkung die denkmalrechtliche Erlaubnis, die für den Abbruch erforderlich wäre, nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayDSchG i. V. m. Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO mit umfasst, war allerdings bereits im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig, da die Erlaubnisfähigkeit nach Art. 6 BayDSchG nicht geprüft wurde.
3. Der Widerruf kann aber ohne weiteres in eine Rücknahme nach Art. 48 BayVwVfG umgedeutet werden, da ein rechtswidriger Verwaltungsakt im Vergleich zu einem rechtmäßigen Verwaltungsakt unter erleichterten tatbestandlichen Voraussetzungen aufgehoben werden kann.
4. Dazu, dass es sich bei dem Gebäude um ein Baudenkmal im Sinn des Art. 1 Abs. 1, 2 BayDSchG handelt, kann auf das zwischen den gleichen Beteiligten ergangene Urteil vom gleichen Tag (Az.: B 2 K 13.809) verwiesen werden.
5. Ein derartiges Baudenkmal kann allenfalls nach Durchlaufen eines denkmalrechtlichen Erlaubnisverfahrens beseitigt werden. Die Baugenehmigung regelt aufgrund der Unkenntnis der Beklagten im Rahmen der Konzentrationswirkung auch die denkmalrechtliche Erlaubnis für den Abbruch dieses Gebäudes. Diese von der Beklagten offensichtlich nicht gewollte und mangels durchgeführter denkmalfachlicher Prüfung nach Art. 6 BayDSchG auch rechtswidrige Regelung wurde durch die Rücknahme der Baugenehmigung zu Recht aufgehoben.
6. Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid umfangreich die Frage geprüft, ob ohne Aufhebung das öffentliche Interesse gefährdet wäre. Sie hat damit von dem ihr eingeräumten Ermessen ordnungsgemäß Gebrauch gemacht.
BayVG Bayreuth, Urteil, 20.03.2014, AZ: B 2 K 14/79, Publikationsart: EzD 2.2.6.1 Nr. 55 mit Anm. J. Spennemann) / juris / BeckRS 2014, 50953 / http://www.denkmalnetzbayern.de/index.php/menueeintrag/index/id/17/seite_id/1238/parameter/YToyOntzOjE1OiJzZWl0ZW5fcGVyX3RlaWwiO2k6MTA7czo0OiJ0ZWlsIjtzOjE6IjIiO30=

1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.2 Bedeutung
1.2 Zuständigkeiten, Verfahrensfragen
1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
1.2.4 Rücknahme eines Verwaltungsaktes
2.2 Abbruch
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
2.2.6 Gebundene Entscheidung (Prüfung, Ausgleichsleistungen, Ermessen, Abwägung)
2.6 Ausstattung
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BayVG München, Urteil, 16.07.2020, AZ: M 11 K 18.4756, Publikationsart:
• Bayerisches Verwaltungsgericht München (BayVG München), Urteil vom 23. Juni 2005 - M 11 S 04.308, https://rechtsprechungsuebersicht.w-goehner.de/upload/226/BayVG%20M%C3%BCnchen%20-%20Urteil%20v.%2023.06.2005%20-%20M%2011%20K%2004.308.pdf, • BayVG München, Beschluss vom 9. November 2012 - M 11 S 12.5132, https://openjur.de/u/589880.html, • Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 10. Januar 2013 - 1 CS 12.2638, https://www.vgh.bayern.de/media/bayvgh/presse/12a02638b.pdf
BayVG München - Urteil v. 16.07.2020 - M 11 K 18.4756 - anonym.pdf

1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.2 Bedeutung
1.1.4 Denkmalwürdigkeit
1.1.5 Veränderungsfolgen
2 Baudenkmalpflege
2.2 Abbruch
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
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1. Art. 4 Abs. 4 BayDSchG bietet die Möglichkeit, gegen Maßnahmen einzuschreiten, die ein Denkmal gefährden. Die Bestimmung setzt voraus, dass die Baudenkmaleigenschaft feststeht.
2. Als Rechtsgrundlage für den Erlass einer präventiven Abrissuntersagung in Fällen, in denen gerade die Denkmaleigenschaft umstritten ist, kann zur Vermeidung der Schaffung vollendeter Tatsachen auf die Möglichkeit einer präventiven Abrissuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2, Art. 6 BayDSchG i. V. m. Art. 75 Abs. 1 BayBO zurückgegriffen werden.
3. Art. 75 BayBO Einstellung von Arbeiten
(1) Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt, kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen. Das gilt auch dann, wenn
1. die Ausführung eines Bauvorhabens entgegen den Vorschriften des Art. 68 Abs. 5 begonnen wurde oder
2. bei der Ausführung
a) eines genehmigungsbedürftigen Bauvorhabens von den genehmigten Bauvorlagen,
b) eines genehmigungsfreigestellten Bauvorhabens von den eingereichten Unterlagen
abgewichen wird,
3. Bauprodukte verwendet werden, die entgegen Art. 15 Abs. 1 keine CE-Kennzeichnung oder kein Ü-Zeichen tragen,
4. Bauprodukte verwendet werden, die unberechtigt mit der CE-Kennzeichnung (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) oder dem Ü-Zeichen (Art. 20 Abs. 4) gekennzeichnet sind.
(2) Werden unzulässige Arbeiten trotz einer schriftlich oder mündlich verfügten Einstellung fortgesetzt, kann die Bauaufsichtsbehörde die Baustelle versiegeln oder die an der Baustelle vorhandenen Bauprodukte, Geräte, Maschinen und Bauhilfsmittel in amtlichen Gewahrsam bringen.
4. Gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung von Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden.
5. Die Einstellung von Arbeiten setzt einen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften voraus. Dabei kann es sich sowohl um einen Verstoß gegen verfahrensrechtliche als auch um einen solchen gegen materiell-rechtliche Regelungen handeln, und zwar grundsätzlich (soweit nicht die Subsidiaritätsklausel in Art. 54 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BayBO eingreift) unabhängig davon, ob sie dem spezifischen öffentlichen Baurecht oder anderen öffentlich-rechtlichen Rechtsbereichen angehören (vgl. Jäde, Bayerisches Bauordnungsrecht, 1. Auflage 2013, Rn. 433).
6. Eine Baueinstellung kommt sowohl bei genehmigungs- wie nicht genehmigungspflichtigen Bauvorhaben in Betracht. Bei genehmigungspflichtigen Vorhaben reicht für die Anordnung die formelle Baurechtswidrigkeit aus, also der Umstand, dass für das Vorhaben keine Genehmigung vorliegt. Die Baueinstellung beinhaltet folglich auch keine Aussage über die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens, sondern soll nur sicherstellen, dass eine Prüfung und Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens in dem dafür vorgesehenen Verfahren ordnungsgemäß erfolgt und bis dahin keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden (stRspr. vgl. BayVGH, Beschluss vom 14.11.2001, Az.: 20 ZB 01.2648, juris).
7. Eine Abrissuntersagung beinhaltet nicht nur das Gebot, die beabsichtigte Beseitigung (einmalig) zu unterlassen, sondern auch ein sich täglich erneuerndes Verbot dies weiterhin zu unterlassen. Es handelt sich somit um einen Dauerverwaltungsakt. Aus der Eigenschaft der Abrissuntersagung als Dauerverwaltungsakt folgt, dass die Rechtmäßigkeit der Verfügung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ständig zu kontrollieren ist. Im Falle der Klage gegen die Abrissuntersagung ist daher nicht der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, sondern der der letzten mündlichen Verhandlung für die Prüfung der Rechtmäßigkeit maßgebend.
8. Die Einstellung von Arbeiten bzw. eine Abrissuntersagung setzen einen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften voraus, Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Die Beseitigung der Nebengebäude der Hofanlage verstößt gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, wenn es sich entweder um Einzelbaudenkmäler im Sinn von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG handelt oder es sich um Gebäude handelt, die einem Ensemble nach Art. 1 Abs. 3 BayDSchG angehören und sich deren Beseitigung auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann, Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG.
9. Die Denkmaleigenschaft der Hofanlage war zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses und auch noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung umstritten. Der Beklagte stützt seinen Bescheid im Wesentlichen darauf, dass aus Sicht der unteren Denkmalschutzbehörde eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass es sich bei der Hofanlage als Zeugnis bergmännischer Siedlungsgeschichte um ein Denkmal handele, also die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 BayDSchG in geschichtlicher und städtebaulicher Hinsicht gegeben seien.
10. Im Hinblick auf die Zielrichtung des Art. 75 BayBO, kann ein vorbeugendes Abrissverbot jedoch auch bis zur endgültigen Klärung der Denkmaleigenschaft des bzw. der streitgegenständlichen Gebäude erlassen werden.
11. Im vorliegenden Fall dient die Baueinstellung bzw. das Abrissverbot als bauaufsichtliche Sofortmaßnahme der Verhinderung der Schaffung vollendeter Tatsachen. Sie ist deshalb nicht erst dann gerechtfertigt, wenn feststeht, dass die Bauarbeiten einem rechtswidrigen Vorhaben dienen. Vielmehr reicht für den Erlass der durch Tatsachen belegte „Anfangsverdacht“ eines formellen oder materiellen Rechtverstoßes aus. Bauarbeiten bzw. Beseitigungsmaßnahmen dürfen demgemäß schon dann unterbunden werden, wenn objektiv konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es wahrscheinlich machen, dass ein dem öffentlichen Recht formell oder materiell widersprechender Zustand geschaffen wird (vgl. BayVGH, Urteil vom 04.07.1973, Az.: 60 II 71, BayVBl 1974, 436; Beschluss vom 26.06.1996, Az.: 1 CS 95.4162, n. v.; Beschluss vom 14.10.2013, Az.: 9 CS 13.1407, juris [Rn. 15]; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.01.2012, Az.: 2 M 194.11, juris [Rn. 6]; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.12.1993, Az.: 3 S 507.93, juris [Rn. 7]).
12. Ob ein im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehender Zustand tatsächlich hergestellt wird, ist für die Rechtmäßigkeit einer Baueinstellung unerheblich. Diese Frage ist erst Gegenstand der behördlichen Prüfung, ob eine Baueinstellung aufrechtzuerhalten oder gegebenenfalls aufzuheben ist, denn gerade in einem solchen Fall ist ein erhebliches Interesse dafür gegeben, dass vor der Ausführung des Vorhabens und der dadurch bewirkten Schaffung von Verhältnissen, die nicht oder nur mehr schwer rückgängig zu machen sind, geklärt wird, ob das Vorhaben im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht oder nicht.
13. Demgemäß muss dem Bauherrn, wenn die Bauaufsichtsbehörde unter Darlegung von nicht schlechthin von der Hand zu weisenden Gründen geltend macht, ein Vorhaben sei genehmigungspflichtig, jedoch nicht genehmigt, zugemutet werden, mit der Ausführung seines Vorhabens zu warten, bis der Streit im Hauptsacheverfahren abschließend geklärt ist (vgl. Decker in: Simon/ Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, 126. EL Oktober 2017, Art. 75, Rn. 48). Die Bauaufsichtsbehörde ist bei einer solchen Fallgestaltung allerdings gehalten, in der Folgezeit nachzuprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Einstellung von Arbeiten bzw. ein vorbeugendes Abrissverbot tatsächlich (noch) vorliegen oder die Untersagung aufzuheben ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 19.07.2007, Az.: 2 CS 06.3083, juris [Rn. 3]; OVG Sachsen Anhalt, Beschluss vom 31.01.2012, Az.: 2 M 194.11, juris [Rn. 6]).
14. Zu beachten ist vorliegend insbesondere, dass die Eintragung in die Denkmalliste nach der Fassung des BayDSchG nicht Voraussetzung für die Eigenschaft als Baudenkmal ist. Vielmehr ist in Art. 1 BayDSchG abschließend definiert, wann ein Baudenkmal vorliegt. Auf die Eintragung in die Denkmalliste wird dort nicht Bezug genommen. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG sollen Baudenkmäler lediglich nachrichtlich in ein Verzeichnis (Denkmalliste) aufgenommen werden. Die Erstellung der Denkmalliste und die „nachrichtliche“ Vornahme der Eintragung haben somit keine rechtsbegründende Wirkung. In Bayern gilt für Baudenkmäler vielmehr das deklaratorische System. Die Denkmalliste ist eine reine Orientierungs- und Subsumtionshilfe (vgl. Eberl/Martin, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, Kommentar, 7. Auflage 2016, Art. 2 Rn. 2), hat aber keinerlei konstituierende Bedeutung für die Denkmaleigenschaft.
15. Daher kann die Tatsache, dass weder die Hofanlage als Ganzes noch einzelne Gebäude hier-von bislang als Denkmäler eingetragen sind, nicht zur Verneinung der Eigenschaft von Einzeldenkmälern oder als Ensemble herangezogen werden.
16. Vorliegend waren die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage im Zeitpunkt des Bescheidserlasses gegeben. Dass nach damals geltender Rechtslage, nämlich vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom 4. April 2017 am 1. Mai 2017, eine Ensembleeigenschaft nach Art. 1 Abs. 3 BayDSchG a. F. nur vorliegen konnte, sofern auch ensembleprägende Einzeldenkmäler vorhanden sind, ist unerheblich.
17. Grund hierfür ist, dass sich der Begründung des Bescheids keinesfalls entnehmen lässt, dass er allein auf den Verdacht des Vorliegens einer Ensembleeigenschaft gestützt worden ist und zugleich vom vollständigen Fehlen von Einzeldenkmälern ausgegangen worden ist. Vielmehr wurde u. a. ausgeführt, dass die vom geplanten Abbruch betroffenen, in Teilen gemauerten Nebengebäude und der hölzerne Schuppenhof, die als Holzlegen und Unterstellmöglichkeiten als solche bis heute den Bewohnern der Anlage dienten, integraler Bestandteil der Gesamtanlage seien. Gerade die Schuppen würden die geschilderte Bedeutung der Wohnanlage ablesbar machen. Es handele sich hierbei gewissermaßen um Wirtschaftsgebäude „für den kleinen Mann“. Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang, dass die Holzfronten mit den Türen der Nebengebäude noch im Original erhalten seien.
18. Aus diesen Ausführungen hinsichtlich der Bedeutung der in Bezug genommenen Neben-gebäude und der hierbei noch im Original erhaltenen Teile lässt sich vielmehr schließen, dass auch von einer insoweit vorliegenden hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Einzeldenkmaleigenschaft ausgegangen worden ist, da die Geschichte der Gebäude und der Gesamtanlage insbesondere an den im Original erhaltenen Teilen ablesbar sei. Nach damaliger Rechtslage lag mithin ein ausreichender Denkmalverdacht vor.
19. Auf Grund der Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) vom 21.12.2016 sowie des durchgeführten Augenscheins der Kammer steht fest, dass es sich bei der Hofanlage in seiner Gesamtheit jedenfalls um ein Ensemble im Sinne des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG handelt. Das Gericht teilt die Auffassung, dass es sich hierbei um ein Zeugnis bergmännischer Siedlungsgeschichte handelt, das die Rahmenbedingungen ihrer Entstehungszeit und den sozialen Kontext der Bewohner anschaulich widergibt. Entgegen den klägerischen Ausführungen ist auch von der ursprünglichen Konzeption und Nutzung des Innenhofs noch ein noch ausreichendes Maß vorhanden. Obwohl die ursprüngliche Parzellierung aus dem Jahr 1950 nicht mehr vorhanden ist, wurde im Rahmen des Augenscheins festgestellt, dass noch kleingärtnerische Nutzung, also Nutzung im Rahmen des ursprünglichen Zwecks des Innenhofs, vorhanden ist. Ob sich in der Anlage auch Einzeldenkmäler befinden oder nicht, kann offen bleiben, da Art. 1 Abs. 3 BayDSchG in der seit 1. Mai 2017 geltenden Fassung ausdrücklich klarstellt, dass eine Mehrheit baulicher Anlagen ein Ensemble bilden kann, obwohl sich darunter keine Einzeldenkmäler befinden.
20. Voraussetzung für eine Baueinstellung ist darüber hinaus grundsätzlich, dass (Bau-) Arbeiten tatsächlich begonnen wurden. Begrifflich können noch nicht begonnene Maßnahmen nicht eingestellt werden. Für präventive Verbote enthält die BayBO keine unmittelbare Rechtsgrundlage. Wegen des präventiv-polizeilichen Zwecks einer vorbeugenden Abrissuntersagung (Gefahrenabwehr, Verhinderung vollendeter Tatsachen), kann jedoch in entsprechender Anwendung des Art. 75 Abs. 1 BayBO vorbeugend die Errichtung von Anlagen und die Ausführung von Bauarbeiten, z. B. der Abriss bereits dann verboten werden, wenn objektiv konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass alsbald mit rechtswidrigen Bauarbeiten begonnen wird (vgl. Decker in: Simon/ Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, 126. EL Oktober 2017, Art. 75, Rn. 42; BayVGH, Beschluss vom 03.09.2001, Az.: 2 ZS 01.1506, juris [Rn. 2]).
21. Hier war zu befürchten, dass nicht mehr rückgängig zu machende Baumaßnahmen alsbald erfolgen würden, da die Klägerin auf telefonische Nachfrage des Landratsamts äußerte, dass die Abbruchfirma bereits beauftragt sei und der Vorgang nicht mehr gestoppt werden könne. Hierbei war der Erlass der Abbruchuntersagung auch hinsichtlich sämtlicher Nebengebäude gerechtfertigt, da im vorgenannten Telefonat die Klägerin auf Nachfrage nicht präzisieren konnte, welche Nebengebäude konkret abgebrochen werden sollten.
22. Auch wurde das gemäß Art. 75 BayBO i. V. m. Art. 15 Abs. 1 Satz 2 und Art. 6 BayDSchG eingeräumte Ermessen im streitgegenständlichen Bescheid zum Erlasszeitpunkt in rechtmäßiger Weise ausgeübt. Da der Anfangsverdacht nicht allein auf das Vorliegen einer Ensembleeigenschaft ohne Einzeldenkmäler gestützt worden ist, liegt auch kein Ermessensfehler in der Gestalt vor, dass das Landratsamt von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen wäre.
23. Soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die streitgegenständliche Verfügung unmittelbar vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom 4. April 2017 am 1. Mai 2017 rechtswidrig war, ist die zulässige Klage begründet. Zwar war der streitgegenständliche Bescheid im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig (s. o.). Im Zeitpunkt unmittelbar vor Inkrafttreten besagter Änderung des Denkmalschutzgesetzes jedoch war der Bescheid rechtswidrig (geworden) und wäre bei ordnungsgemäßer Überprüfung der Rechtmäßigkeit und pflichtgemäßer Ermessensausübung vom Landratsamt aufzuheben gewesen.
24. Die streitgegenständliche Verfügung war auf Grund ihrer Dauerwirkung, nämlich des sich täglich erneuernden Verbots der Veränderung, insbesondere des Abbruchs der Nebengebäude, regelmäßig vom Landratsamt dahingehend zu überprüfen, ob sie aufrechtzuerhalten oder ggf. aufzuheben ist.
25. Im vorliegenden Fall hätte im Zeitpunkt unmittelbar vor Inkrafttreten besagter Rechtsänderung, die streitgegenständliche Verfügung bereits aufgrund des verstrichenen langen Zeitraums seit Erlass, ohne dass eine abschließende Klärung der Denkmaleigenschaft erfolgt ist, aufgehoben worden sein müssen. Zwar hat der von der Verfügung Betroffene die Wirkungen der Verfügung grundsätzlich während der gesamten Dauer des Verfahrens bis zur abschließenden Klärung der Denkmaleigenschaft hinzunehmen. Je mehr Zeit allerdings verstreicht, ohne dass das Verfahren mit der gebotenen Zügigkeit und ohne nicht nachvollziehbare Verzögerungen weitergeführt wird, desto größer wird sein Interesse an der Aufhebung der Verfügung. Übermäßige Verfahrensdauer und nichtnachvollziehbare Verzögerungen dürfen letztlich nicht grenzenlos zu Lasten des von der Baueinstellung bzw. des vom Veränderungsverbot Betroffenen gehen.
26. Die Länge dieses Verfahrens ist vorliegend nicht nachvollziehbar. Es ist weder erkennbar noch seitens des Landratsamts oder des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) vorgetragen, weshalb das Verfahren zur Klärung der Denkmaleigenschaft sich derart verzögert hat. Jedenfalls spätestens im Zeitpunkt der hier relevanten Rechtsänderung, mithin 17 Monate nach Bescheidserlass, wäre das streitgegenständliche Veränderungsverbot aufzuheben gewesen, da die Aufrechterhaltung auf Grund des sich bis dahin über einen derart langen Zeitraum in nicht nachvollziehbarer Weise nicht erhärteten Verdachts ermessensfehlerhaft gewesen ist.
BayVG München, Urteil, 30.11.2017, AZ: M 11 K 15.5680, Publikationsart: BeckRS 2017, 140592
BayVG München - Urteil v. 30.11.2017 - M 11 K 15.5680 - anonym..pdf

1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.5 Veränderungsfolgen
1.2 Zuständigkeiten, Verfahrensfragen
1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
1.2.7 Aufgabenzuweisung
2 Baudenkmalpflege
2.1 Ensemble
2.2 Abbruch
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
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1. Art. 4 Abs. 4 BayDSchG bietet die Möglichkeit, gegen Maßnahmen einzuschreiten, die ein Denkmal gefährden. Die Bestimmung setzt voraus, dass die Baudenkmaleigenschaft feststeht.
2. Als Rechtsgrundlage für den Erlass einer präventiven Abrissuntersagung in Fällen, in denen gerade die Denkmaleigenschaft umstritten ist, kann zur Vermeidung der Schaffung vollendeter Tatsachen auf die Möglichkeit einer präventiven Abrissuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2, Art. 6 BayDSchG i. V. m. Art. 75 Abs. 1 BayBO zurückgegriffen werden.
3. Art. 75 BayBO Einstellung von Arbeiten
(1) Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt, kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen. Das gilt auch dann, wenn
1. die Ausführung eines Bauvorhabens entgegen den Vorschriften des Art. 68 Abs. 5 begonnen wurde oder
2. bei der Ausführung
a) eines genehmigungsbedürftigen Bauvorhabens von den genehmigten Bauvorlagen,
b) eines genehmigungsfreigestellten Bauvorhabens von den eingereichten Unterlagen
abgewichen wird,
3. Bauprodukte verwendet werden, die entgegen Art. 15 Abs. 1 keine CE-Kennzeichnung oder kein Ü-Zeichen tragen,
4. Bauprodukte verwendet werden, die unberechtigt mit der CE-Kennzeichnung (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) oder dem Ü-Zeichen (Art. 20 Abs. 4) gekennzeichnet sind.
(2) Werden unzulässige Arbeiten trotz einer schriftlich oder mündlich verfügten Einstellung fortgesetzt, kann die Bauaufsichtsbehörde die Baustelle versiegeln oder die an der Baustelle vorhandenen Bauprodukte, Geräte, Maschinen und Bauhilfsmittel in amtlichen Gewahrsam bringen.
4. Gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung von Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden.
5. Die Einstellung von Arbeiten setzt einen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften voraus. Dabei kann es sich sowohl um einen Verstoß gegen verfahrensrechtliche als auch um einen solchen gegen materiell-rechtliche Regelungen handeln, und zwar grundsätzlich (soweit nicht die Subsidiaritätsklausel in Art. 54 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BayBO eingreift) unabhängig davon, ob sie dem spezifischen öffentlichen Baurecht oder anderen öffentlich-rechtlichen Rechtsbereichen angehören (vgl. Jäde, Bayerisches Bauordnungsrecht, 1. Auflage 2013, Rn. 433).
6. Eine Baueinstellung kommt sowohl bei genehmigungs- wie nicht genehmigungspflichtigen Bauvorhaben in Betracht. Bei genehmigungspflichtigen Vorhaben reicht für die Anordnung die formelle Baurechtswidrigkeit aus, also der Umstand, dass für das Vorhaben keine Genehmigung vorliegt. Die Baueinstellung beinhaltet folglich auch keine Aussage über die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens, sondern soll nur sicherstellen, dass eine Prüfung und Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens in dem dafür vorgesehenen Verfahren ordnungsgemäß erfolgt und bis dahin keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden (stRspr. vgl. BayVGH, Beschluss vom 14.11.2001, Az.: 20 ZB 01.2648, juris).
7. Eine Abrissuntersagung beinhaltet nicht nur das Gebot, die beabsichtigte Beseitigung (einmalig) zu unterlassen, sondern auch ein sich täglich erneuerndes Verbot dies weiterhin zu unterlassen. Es handelt sich somit um einen Dauerverwaltungsakt. Aus der Eigenschaft der Abrissuntersagung als Dauerverwaltungsakt folgt, dass die Rechtmäßigkeit der Verfügung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ständig zu kontrollieren ist. Im Falle der Klage gegen die Abrissuntersagung ist daher nicht der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, sondern der der letzten mündlichen Verhandlung für die Prüfung der Rechtmäßigkeit maßgebend.
8. Die Einstellung von Arbeiten bzw. eine Abrissuntersagung setzen einen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften voraus, Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Die Beseitigung der Nebengebäude der Hofanlage verstößt gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, wenn es sich entweder um Einzelbaudenkmäler im Sinn von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG handelt oder es sich um Gebäude handelt, die einem Ensemble nach Art. 1 Abs. 3 BayDSchG angehören und sich deren Beseitigung auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann, Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG.
9. Die Denkmaleigenschaft der Hofanlage war zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses und auch noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung umstritten. Der Beklagte stützt seinen Bescheid im Wesentlichen darauf, dass aus Sicht der unteren Denkmalschutzbehörde eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass es sich bei der Hofanlage als Zeugnis bergmännischer Siedlungsgeschichte um ein Denkmal handele, also die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 BayDSchG in geschichtlicher und städtebaulicher Hinsicht gegeben seien.
10. Im Hinblick auf die Zielrichtung des Art. 75 BayBO, kann ein vorbeugendes Abrissverbot jedoch auch bis zur endgültigen Klärung der Denkmaleigenschaft des bzw. der streitgegenständlichen Gebäude erlassen werden.
11. Im vorliegenden Fall dient die Baueinstellung bzw. das Abrissverbot als bauaufsichtliche Sofortmaßnahme der Verhinderung der Schaffung vollendeter Tatsachen. Sie ist deshalb nicht erst dann gerechtfertigt, wenn feststeht, dass die Bauarbeiten einem rechtswidrigen Vorhaben dienen. Vielmehr reicht für den Erlass der durch Tatsachen belegte „Anfangsverdacht“ eines formellen oder materiellen Rechtverstoßes aus. Bauarbeiten bzw. Beseitigungsmaßnahmen dürfen demgemäß schon dann unterbunden werden, wenn objektiv konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es wahrscheinlich machen, dass ein dem öffentlichen Recht formell oder materiell widersprechender Zustand geschaffen wird (vgl. BayVGH, Urteil vom 04.07.1973, Az.: 60 II 71, BayVBl 1974, 436; Beschluss vom 26.06.1996, Az.: 1 CS 95.4162, n. v.; Beschluss vom 14.10.2013, Az.: 9 CS 13.1407, juris [Rn. 15]; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.01.2012, Az.: 2 M 194.11, juris [Rn. 6]; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.12.1993, Az.: 3 S 507.93, juris [Rn. 7]).
12. Ob ein im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehender Zustand tatsächlich hergestellt wird, ist für die Rechtmäßigkeit einer Baueinstellung unerheblich. Diese Frage ist erst Gegenstand der behördlichen Prüfung, ob eine Baueinstellung aufrechtzuerhalten oder gegebenenfalls aufzuheben ist, denn gerade in einem solchen Fall ist ein erhebliches Interesse dafür gegeben, dass vor der Ausführung des Vorhabens und der dadurch bewirkten Schaffung von Verhältnissen, die nicht oder nur mehr schwer rückgängig zu machen sind, geklärt wird, ob das Vorhaben im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht oder nicht.
13. Demgemäß muss dem Bauherrn, wenn die Bauaufsichtsbehörde unter Darlegung von nicht schlechthin von der Hand zu weisenden Gründen geltend macht, ein Vorhaben sei genehmigungspflichtig, jedoch nicht genehmigt, zugemutet werden, mit der Ausführung seines Vorhabens zu warten, bis der Streit im Hauptsacheverfahren abschließend geklärt ist (vgl. Decker in: Simon/ Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, 126. EL Oktober 2017, Art. 75, Rn. 48). Die Bauaufsichtsbehörde ist bei einer solchen Fallgestaltung allerdings gehalten, in der Folgezeit nachzuprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Einstellung von Arbeiten bzw. ein vorbeugendes Abrissverbot tatsächlich (noch) vorliegen oder die Untersagung aufzuheben ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 19.07.2007, Az.: 2 CS 06.3083, juris [Rn. 3]; OVG Sachsen Anhalt, Beschluss vom 31.01.2012, Az.: 2 M 194.11, juris [Rn. 6]).
14. Zu beachten ist vorliegend insbesondere, dass die Eintragung in die Denkmalliste nach der Fassung des BayDSchG nicht Voraussetzung für die Eigenschaft als Baudenkmal ist. Vielmehr ist in Art. 1 BayDSchG abschließend definiert, wann ein Baudenkmal vorliegt. Auf die Eintragung in die Denkmalliste wird dort nicht Bezug genommen. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG sollen Baudenkmäler lediglich nachrichtlich in ein Verzeichnis (Denkmalliste) aufgenommen werden. Die Erstellung der Denkmalliste und die „nachrichtliche“ Vornahme der Eintragung haben somit keine rechtsbegründende Wirkung. In Bayern gilt für Baudenkmäler vielmehr das deklaratorische System. Die Denkmalliste ist eine reine Orientierungs- und Subsumtionshilfe (vgl. Eberl/Martin, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, Kommentar, 7. Auflage 2016, Art. 2 Rn. 2), hat aber keinerlei konstituierende Bedeutung für die Denkmaleigenschaft.
15. Daher kann die Tatsache, dass weder die Hofanlage als Ganzes noch einzelne Gebäude hier-von bislang als Denkmäler eingetragen sind, nicht zur Verneinung der Eigenschaft von Einzeldenkmälern oder als Ensemble herangezogen werden.
16. Vorliegend waren die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage im Zeitpunkt des Bescheidserlasses gegeben. Dass nach damals geltender Rechtslage, nämlich vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom 4. April 2017 am 1. Mai 2017, eine Ensembleeigenschaft nach Art. 1 Abs. 3 BayDSchG a. F. nur vorliegen konnte, sofern auch ensembleprägende Einzeldenkmäler vorhanden sind, ist unerheblich.
17. Grund hierfür ist, dass sich der Begründung des Bescheids keinesfalls entnehmen lässt, dass er allein auf den Verdacht des Vorliegens einer Ensembleeigenschaft gestützt worden ist und zugleich vom vollständigen Fehlen von Einzeldenkmälern ausgegangen worden ist. Vielmehr wurde u. a. ausgeführt, dass die vom geplanten Abbruch betroffenen, in Teilen gemauerten Nebengebäude und der hölzerne Schuppenhof, die als Holzlegen und Unterstellmöglichkeiten als solche bis heute den Bewohnern der Anlage dienten, integraler Bestandteil der Gesamtanlage seien. Gerade die Schuppen würden die geschilderte Bedeutung der Wohnanlage ablesbar machen. Es handele sich hierbei gewissermaßen um Wirtschaftsgebäude „für den kleinen Mann“. Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang, dass die Holzfronten mit den Türen der Nebengebäude noch im Original erhalten seien.
18. Aus diesen Ausführungen hinsichtlich der Bedeutung der in Bezug genommenen Neben-gebäude und der hierbei noch im Original erhaltenen Teile lässt sich vielmehr schließen, dass auch von einer insoweit vorliegenden hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Einzeldenkmaleigenschaft ausgegangen worden ist, da die Geschichte der Gebäude und der Gesamtanlage insbesondere an den im Original erhaltenen Teilen ablesbar sei. Nach damaliger Rechtslage lag mithin ein ausreichender Denkmalverdacht vor.
19. Auf Grund der Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) vom 21.12.2016 sowie des durchgeführten Augenscheins der Kammer steht fest, dass es sich bei der Hofanlage in seiner Gesamtheit jedenfalls um ein Ensemble im Sinne des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG handelt. Das Gericht teilt die Auffassung, dass es sich hierbei um ein Zeugnis bergmännischer Siedlungsgeschichte handelt, das die Rahmenbedingungen ihrer Entstehungszeit und den sozialen Kontext der Bewohner anschaulich widergibt. Entgegen den klägerischen Ausführungen ist auch von der ursprünglichen Konzeption und Nutzung des Innenhofs noch ein noch ausreichendes Maß vorhanden. Obwohl die ursprüngliche Parzellierung aus dem Jahr 1950 nicht mehr vorhanden ist, wurde im Rahmen des Augenscheins festgestellt, dass noch kleingärtnerische Nutzung, also Nutzung im Rahmen des ursprünglichen Zwecks des Innenhofs, vorhanden ist. Ob sich in der Anlage auch Einzeldenkmäler befinden oder nicht, kann offen bleiben, da Art. 1 Abs. 3 BayDSchG in der seit 1. Mai 2017 geltenden Fassung ausdrücklich klarstellt, dass eine Mehrheit baulicher Anlagen ein Ensemble bilden kann, obwohl sich darunter keine Einzeldenkmäler befinden.
20. Voraussetzung für eine Baueinstellung ist darüber hinaus grundsätzlich, dass (Bau-) Arbeiten tatsächlich begonnen wurden. Begrifflich können noch nicht begonnene Maßnahmen nicht eingestellt werden. Für präventive Verbote enthält die BayBO keine unmittelbare Rechtsgrundlage. Wegen des präventiv-polizeilichen Zwecks einer vorbeugenden Abrissuntersagung (Gefahrenabwehr, Verhinderung vollendeter Tatsachen), kann jedoch in entsprechender Anwendung des Art. 75 Abs. 1 BayBO vorbeugend die Errichtung von Anlagen und die Ausführung von Bauarbeiten, z. B. der Abriss bereits dann verboten werden, wenn objektiv konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass alsbald mit rechtswidrigen Bauarbeiten begonnen wird (vgl. Decker in: Simon/ Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, 126. EL Oktober 2017, Art. 75, Rn. 42; BayVGH, Beschluss vom 03.09.2001, Az.: 2 ZS 01.1506, juris [Rn. 2]).
21. Hier war zu befürchten, dass nicht mehr rückgängig zu machende Baumaßnahmen alsbald erfolgen würden, da die Klägerin auf telefonische Nachfrage des Landratsamts äußerte, dass die Abbruchfirma bereits beauftragt sei und der Vorgang nicht mehr gestoppt werden könne. Hierbei war der Erlass der Abbruchuntersagung auch hinsichtlich sämtlicher Nebengebäude gerechtfertigt, da im vorgenannten Telefonat die Klägerin auf Nachfrage nicht präzisieren konnte, welche Nebengebäude konkret abgebrochen werden sollten.
22. Auch wurde das gemäß Art. 75 BayBO i. V. m. Art. 15 Abs. 1 Satz 2 und Art. 6 BayDSchG eingeräumte Ermessen im streitgegenständlichen Bescheid zum Erlasszeitpunkt in rechtmäßiger Weise ausgeübt. Da der Anfangsverdacht nicht allein auf das Vorliegen einer Ensembleeigenschaft ohne Einzeldenkmäler gestützt worden ist, liegt auch kein Ermessensfehler in der Gestalt vor, dass das Landratsamt von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen wäre.
23. Soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die streitgegenständliche Verfügung unmittelbar vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom 4. April 2017 am 1. Mai 2017 rechtswidrig war, ist die zulässige Klage begründet. Zwar war der streitgegenständliche Bescheid im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig (s. o.). Im Zeitpunkt unmittelbar vor Inkrafttreten besagter Änderung des Denkmalschutzgesetzes jedoch war der Bescheid rechtswidrig (geworden) und wäre bei ordnungsgemäßer Überprüfung der Rechtmäßigkeit und pflichtgemäßer Ermessensausübung vom Landratsamt aufzuheben gewesen.
24. Die streitgegenständliche Verfügung war auf Grund ihrer Dauerwirkung, nämlich des sich täglich erneuernden Verbots der Veränderung, insbesondere des Abbruchs der Nebengebäude, regelmäßig vom Landratsamt dahingehend zu überprüfen, ob sie aufrechtzuerhalten oder ggf. aufzuheben ist.
25. Im vorliegenden Fall hätte im Zeitpunkt unmittelbar vor Inkrafttreten besagter Rechtsänderung, die streitgegenständliche Verfügung bereits aufgrund des verstrichenen langen Zeitraums seit Erlass, ohne dass eine abschließende Klärung der Denkmaleigenschaft erfolgt ist, aufgehoben worden sein müssen. Zwar hat der von der Verfügung Betroffene die Wirkungen der Verfügung grundsätzlich während der gesamten Dauer des Verfahrens bis zur abschließenden Klärung der Denkmaleigenschaft hinzunehmen. Je mehr Zeit allerdings verstreicht, ohne dass das Verfahren mit der gebotenen Zügigkeit und ohne nicht nachvollziehbare Verzögerungen weitergeführt wird, desto größer wird sein Interesse an der Aufhebung der Verfügung. Übermäßige Verfahrensdauer und nichtnachvollziehbare Verzögerungen dürfen letztlich nicht grenzenlos zu Lasten des von der Baueinstellung bzw. des vom Veränderungsverbot Betroffenen gehen.
26. Die Länge dieses Verfahrens ist vorliegend nicht nachvollziehbar. Es ist weder erkennbar noch seitens des Landratsamts oder des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) vorgetragen, weshalb das Verfahren zur Klärung der Denkmaleigenschaft sich derart verzögert hat. Jedenfalls spätestens im Zeitpunkt der hier relevanten Rechtsänderung, mithin 17 Monate nach Bescheidserlass, wäre das streitgegenständliche Veränderungsverbot aufzuheben gewesen, da die Aufrechterhaltung auf Grund des sich bis dahin über einen derart langen Zeitraum in nicht nachvollziehbarer Weise nicht erhärteten Verdachts ermessensfehlerhaft gewesen ist.
BayVG München, Urteil, 30.11.2017, AZ: M 11 K 15.5680, Publikationsart: BeckRS 2017, 140592

1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.5 Veränderungsfolgen
1.2 Zuständigkeiten, Verfahrensfragen
1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
1.2.7 Aufgabenzuweisung
2 Baudenkmalpflege
2.1 Ensemble
2.2 Abbruch
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
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1. Es besteht kein Anspruch auf Erteilung der beantragten Erlaubnis der nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSchG erforderlichen denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis für den Abbruch des betonierten, Teil eines NS-Rüstungswerks seienden Wasserreservoirs.
2. Bei dem Wasserreservoir handelt es sich um ein Baudenkmal i. S. d. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG, da es eine bauliche Anlage aus vergangener Zeit ist, die von Menschen geschaffen wurde und deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen und wissenschaftlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt.
3. Das Wasserreservoir ist Teil eines integralen Denkmals, das die obertägigen und untertägigen Reste des ehemaligen Rüstungswerks im Bereich des Mühldorfer Harts und damit Bau- und Bodendenkmäler umfasst (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 22.07.2008, Az.: Vf. 11-VII-07, https://www.w-goehner.de/rechtsprechungsuebersicht/direktlink.php?id=1 / juris [Rn. 45 ff.]).
4. Das Reservoir gehört zu den baulichen Anlagen des Rüstungswerks im Mühldorfer Hart und veranschaulicht das Terrorregime des Nationalsozialismus, die „Topographie des Terrors“ und die „Vernichtung durch Arbeit“ in einzigartiger Weise. Dabei dokumentiert es den Versuch der Nationalsozialisten, innerhalb kürzester Zeit durch Zwangsarbeiter rücksichtslos einen Rüstungsgroßbetrieb zu errichten. Das Wasserreservoir steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem ehemaligen Rüstungswerk im Mühldorfer Hart, von dem insbesondere die Ruine einer halbunterirdischen Flugzeugmontagehalle noch erhalten ist. Die räumliche Entfernung des Reservoirs zu dieser Ruine spricht nicht gegen die Denkmaleigenschaft des Wasserbeckens, sondern verdeutlicht vielmehr die immensen Ausmaße des Rüstungswerks.
5. Dass westlich der als Ruine vorhandenen Flugzeugträgerhalle in größerer Entfernung zum Wasserreservoir weitere Ruinen vorhanden sind, beseitigt nicht die Denkmaleigenschaft des Reservoirs, sondern bestätigt umso mehr die Bedeutung zur Veranschaulichung der Dimension des ehemaligen Rüstungswerks. Das Vorhandensein größerer und ggf. auch besser erhaltener Teile des integralen Denkmals ändert nichts an der Eigenschaft des Reservoirs als Baudenkmal, sondern unterstreicht nur dessen Bedeutung.
6. Dass das Wasserreservoir sehr eingewachsen ist und die Spuren der Zeit trägt, ändert ebenfalls nichts daran, dass es sich um ein Denkmal handelt. Denn der Erhaltungszustand des Bauwerks hat grundsätzlich keinen Einfluss auf seine Denkmaleigenschaft (vgl. BayVGH, Urteil v. 18.10.2010, Az.: 1 B 06.63, juris [Rn. 32 zur Beseitigung eines ehemaligen Gasthofs]). Hinzu kommt, dass es sich um ein Denkmal handelt, das als Mahnmal an die vergangene NS-Zeit erinnert und dessen Wiederaufbau - anders als etwa bei einem erhaltenswerten, alten Wohnhaus - gerade keinen Sinn machen würde. Allein durch sein Vorhandensein im jetzigen Zustand ist das Wasserreservoir denkmalwürdig und dient als Mahnung an die Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus. Daher ist es gerade auch in seinem derzeitigen, durch die Jahrzehnte gezeichneten und verwitterten Zustand als Denkmal erhaltenswert.
7. Dass das Wasserreservoir nicht öffentlich zugänglich ist, ändert ebenfalls nichts an seiner Denkmaleigenschaft. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass sich Denkmäler auf Privatgrund befinden. Das Wasserreservoir liegt zudem am Rande des Privatgrundstücks in unmittelbarer Nähe zu einem öffentlich genutzten Weg, so dass es von östlicher und südlicher Seite betrachtet werden kann. Der interessierte Besucher kann sich somit von dem öffentlich genutzten Weg aus einen guten Überblick über das Reservoir und dessen Zusammenhang zum gesamten Rüstungswerk verschaffen. Hinzu kommt, dass der interessierte Besucher gerade durch einen Fußmarsch von der Ruine der Flugzeughalle zum Wasserreservoir auch die immensen Größenausmaße der ehemaligen Bunkeranlage nachvollziehen kann.
8. Die Denkmaleigenschaft ist auch nicht aufgrund des Abrisses mehrerer zur Gesamtanlage gehörender Bunker und des Zwangsarbeiterlagers in den 1990er Jahren entfallen. Den Genehmigungen von damals kommt keine Wirkung dahingehend zu, dass, wenn schon der Abbruch der Bunkeranlagen denkmalrechtlich genehmigt wurde, erst Recht der Abbruch des Wasserreservoirs genehmigt werden müsste.
9. Dass das Wasserreservoir nicht zusammen mit der Flugzeugmontagehalle in den geplanten „Gedenkort einbezogen werden soll, ändert ebenfalls nichts an seiner Denkmaleigenschaft. Denn es ist zwischen einem Gedenkort einerseits und der Denkmaleigenschaft eines Bauwerks andererseits zu unterscheiden. Es obliegt der Entscheidung des Freistaats Bayern, welchen Bereich er tatsächlich als Gedenkort ausgestalten will. Diese Entscheidung ist von einer Vielzahl an Faktoren, insbesondere auch von der Zugänglichkeit, der tatsächlichen Verfügbarkeit und der Geeignetheit eines Denkmals als Gedenkort, abhängig. Dabei ist es keine Voraussetzung zur Bejahung der Denkmaleigenschaft, dass das Bauwerk als Gedenkort ausgewiesen ist.
10. Es sprechen gewichtige Gründe des Denkmalschutzes i. S. d. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG gegen den Abriss des Wasserreservoirs und für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands. Sie ergeben sich unabhängig davon, wie die Bedeutung des Baudenkmals bei der Abwägung zwischen den für und gegen einen Abbruch sprechenden Gründen zu gewichten ist, aus den dargelegten Gründen, die die Denkmaleigenschaft des Reservoirs begründen.
11. Die „gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes“ stellen einen uneingeschränkt gerichtlicher Überprüfung unterliegenden unbestimmten Rechtsbegriff dar (BayVGH, Beschluss vom 31.10.2012, Az.: 2 ZB 11.1575, juris [Rn. 4 m. w. N.]).
12. Fehlen gewichtige Gründe, so ist ein Versagungsermessen nicht eröffnet, d. h. es bestünde ein Anspruch der Klägerin auf die Erteilung der Erlaubnis. Dabei sind die gewichtigen Gründe nicht dahingehend zu verstehen, dass dem Baudenkmal im Vergleich mit der allgemein für die Begründung der Denkmaleigenschaft maßgebenden Bewertung eine gesteigerte Bedeutung zukommen müsste. Vielmehr ergibt sie sich bereits aus der Bedeutung, auf der die Denk-maleigenschaft beruht (BayVGH, Urteil v. 27.09.2007, Az.: 1 B 00.2474, juris [Rn. 70]).
13. Für den Regelfall ist daher bei Baudenkmälern davon auszugehen, dass stets ein Erhaltungsinteresse anzuerkennen ist und damit gewichtige Gründe für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes indiziert sind. Gewichtige Gründe liegen allenfalls bei völlig un-bedeutenden Baudenkmälern nicht vor (BayVGH, Beschluss v. 31.10.2012, Az.: 2 ZB 11.1575, juris [Rn. 4]; BayVGH, Urteil v. 18.10.2010, Az.: 1 B 06.63, juris [Rn. 35]).
14. Der klägerische Antrag darf nicht alleine aus den festgestellten gewichtigen Gründen des Denkmalschutzes abgelehnt werden. Vielmehr verlangt Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG eine Ermessensentscheidung. Nach Art. 40 BayVwVfG ist das Ermessen dem Zweck der Ermächtigung entsprechend auszuüben. Zweck des Erlaubnisvorbehaltes in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG ist vor allem, durch eine präventive Kontrolle den Hauptzielen des Gesetzes, einer möglichst unveränderten Erhaltung (Art. 4 BayDSchG) und einer möglichst zweckentsprechenden Nutzung (Art. 5 BayDSchG) der Denkmäler gegen Maßnahmen, die diesen Zielen typischerweise zuwiderlaufen, im Rahmen des dem Denkmaleigentümer Zumutbaren Rechnung zu tragen.
15. Die Behörde trifft mithin eine rechtsgestaltende Entscheidung, welche die Belange des Denkmalschutzes auf der einen sowie die widerstreitenden öffentlichen Belange und die betroffenen privaten Belange auf der anderen Seite ausgleichen muss. Hierfür müssen alle vom Vorhaben betroffenen Belange berücksichtigt und miteinander und gegeneinander abgewogen werden (BayVGH, Urteil v. 27.09.2007, Az.: 1 B 00.2474, juris [Rn. 87 m. w. N.]; BayVG München, Urteil v. 20.04.2015, Az.: M 8 K 14.635, juris [Rn. 42]).
16. Die Erlaubnis darf nur versagt werden, wenn die Gründe, die für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen, so viel Gewicht haben, dass sie die für das Vorhaben streitenden öffentlichen und privaten Belange überwiegen (BayVGH, Urteil v. 11.01.2011, Az.: 15 B 10.212, juris [Rn. 26]).
17. Bei der Ermessensausübung ist maßgeblich die Bedeutung des Baudenkmals zu berücksichtigen sowie Art und Intensität des beabsichtigten Eingriffs zu den gewichtigen Gründen des Denkmalschutzes ins Verhältnis zu setzen. Je gravierender der Eingriff aus denkmalfachlicher Sicht ist, desto größere Bedeutung kommt danach bei der Abwägung den für einen unveränderten Erhalt sprechenden gewichtigen Gründen des Denkmalschutzes zu, was im Einzelfall auch zur Folge haben kann, dass sich das Versagungsermessen zu einer Versagungspflicht verdichtet (BayVG München, Urteil v. 20.04.2015, Az.: M 8 K 14.635, juris [Rn. 43]).
18. Ferner ist Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG so auszulegen und anzuwenden, dass den aus Art. 14 Grundgesetz (GG) folgenden Anforderungen an ein Inhalt und Schranken des Grundeigentums bestimmendes Gesetz entsprochen wird. Hierfür muss die Prüfung, ob dem Denkmaleigentümer die (unveränderte) Beibehaltung des bisherigen Zustands mit den Erhaltungs- und Nutzungspflichten gemäß Art. 4 und Art. 5 BayDSchG zuzumuten ist, zumindest dem Grunde nach im Erlaubnisverfahren erfolgen. Im Fall der Unzumutbarkeit muss die Erlaubnis erteilt werden. Bei der Zumutbarkeitsprüfung ist nicht auf die besondere Situation des jeweiligen Eigentümers, sondern auf den „für Denkmalbelange aufgeschlossenen Eigentümer“ abzustellen (BayVGH, Urteil v. 18.10.2010, Az.: 1 B 06.63, juris [Rn. 38]; BVerfG, Beschluss v. 02.03.1999, Az.: 1 BvL 7/91, BVerfGE 100, 226).
19. Der Beklagte hat sein Ermessen, das nach § 114 VwGO nur eingeschränkter gerichtlicher Überprüfung unterliegt, rechtmäßig ausgeübt und unter Berücksichtigung aller vorgebrachten Interessen der Klägerin und der Allgemeinheit von der Erteilung einer Abbrucherlaubnis in ermessensgerechter und damit rechtmäßiger Weise abgesehen. Die Versagung der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis ist auch verhältnismäßig.
20. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass keine größeren Erhaltungsmaßnahmen von der Klägerin gefordert werden und ihr damit kein größerer finanzieller Aufwand zur Erhaltung des Denkmals, insb. keine Sanierung des Reservoirs abverlangt wird, auch wenn jedoch Pflegemaßnahmen wie etwa das Zurückschneiden der wuchernden Vegetation auf der Grundstücksfläche von rund 3.500 m² in Betracht kämen. Das Baudenkmal soll in einem Zustand erhalten werden, dass es für den Betrachter erlebbar bleibe. Diese Vorgaben der Bayerischen Denkmalfachbehörde BLfD sind nachvollziehbar, da Sanierungsmaßnahmen unter Würdigung des geschichtlichen Hintergrunds nicht sinnvoll erscheinen. Das Wasserreservoir dient zusammen mit der gesamten Anlage als Zeuge des nationalsozialistischen Terrors und damit als Mahnmal für die Allge-meinheit.
21. Auch die objektiv fehlende Nutzbarkeit des Wasserreservoirs ändert angesichts seiner immensen geschichtlichen Bedeutung nichts. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass selbst bei einer Erteilung der denkmalschutzrechtlichen Abbrucherlaubnis der Platz, auf dem sich das Wasserreservoir befindet, nicht wie angedacht als Lagerfläche genutzt werden könnte, da das Grundstück sich im Außenbereich befindet, wo ein Lagerplatz nicht zulässig ist, so dass somit im Entscheidungszeitpunkt auch kein Lagerplatz „verloren“ gehen kann. Daher liegt in der Ablehnung der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis auch keine unzumutbare Beeinträchtigung des Eigentums.
22. Aber auch unabhängig von der baurechtlichen Zulässigkeit des Lagerplatzes ist die Versagung der Erlaubnis unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 GG nicht unverhältnismäßig. Die Gesamtfläche des streitgegenständlichen Grundstücks beträgt knapp 11.000 m², die gesamte Fläche des Betriebs der Klägerin inklusive des streitgegenständlichen Grundstücks beträgt etwa 53.000 m². Selbst wenn der beabsichtigten Lagerung auf dem streitgegenständlichen Grundstück baurechtlich nichts entgegenstünde, wäre die der Klägerin auf Grund des Denkmals nicht als Lagerfläche zur Verfügung stehende Fläche mit etwa 2.900 m² im Verhältnis dazu relativ gering, so dass es auch von daher nicht unverhältnismäßig erscheint, den Bereich des Denkmals als Lagerfläche auszunehmen. Bei den etwa 2.900 m² ist nicht nur das Wasserreservoir selbst mit seinen etwa 1.700 m², sondern die gesamte Fläche ab dem Wasserreservoir bis hin zur Grundstücksgrenze berücksichtigt.
23. Im Übrigen würde auch dann die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein, wenn die nicht als Lager zur Verfügung stehende Fläche mindestens 4.000 m² betragen würde. Denn von Art. 14 GG ist nicht stets die wirtschaftlichste Verwendung des Privateigentums geschützt. Auch wenn das Wasserreservoir auf dem streitgegenständlichen Grundstück bestehen bleibt, kann sie - sofern die baurechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen – dieses Grundstück als Lagerfläche benutzten. Allein der Bereich, auf dem das Denkmal steht, ist hiervon ausgenommen.
24. Berücksichtigt man gegenüber den Interessen der Klägerin die erhebliche geschichtliche Bedeutung des Denkmals, folgt hieraus keine Unverhältnismäßigkeit der Erhaltung des Wasserreservoirs. Es ist Zeitzeuge des Terrorregimes zu NS-Zeiten und dient als mahnende Erinnerung an diese Zeit. Es verdeutlicht das Ausmaß des ehemaligen Rüstungswerks und damit auch der „Topographie des Terrors“. Würde es abgerissen, würde ein wichtiger Teil der erhaltenswerten, da einzigartigen - aus heutiger Sicht erschreckenden - Bunkeranlage fehlen.
25. Photos zur Dokumentation des Wasserreservoirs können die Substanz der baulichen Anlage nicht ersetzen und sind im Hinblick auf die Erlebbarkeit des Denkmals nicht mit dessen Vorhandensein vergleichbar. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Ausmaße des Wasserreservoirs selbst. Schon das Wasserreservoir für sich genommen ist von eindrucksvollem Ausmaß. Hinzu kommt, dass es Teil eines integralen Denkmals ist (vgl. BayVerfGH, Entscheidung vom 22.07.2008, Az.: Vf. 11-VII-07, https://www.w-goehner.de/rechtsprechungsuebersicht/direktlink.php?id=1 / juris [Rn. 45 ff.]).
BayVG München, Urteil , 05.04.2016, AZ: M 1 K 15.1167, Publikationsart: BeckRS 2016, 48469 / juris

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.2 Bedeutung
1.1.3 „aus vergangener Zeit“
1.1.4 Denkmalwürdigkeit
1.1.5 Veränderungsfolgen
1.1.7 Folgen für das Eigentum
1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
1.3 Bauplanungsrecht, Bauleitplanung, Bauordnungsrecht
1.3.2 Bebauungsplan
2 Baudenkmalpflege
2.2 Abbruch
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
2.2.1.1 Grundsätze
2.2.4 Gewichtige Gründe des Denkmalschutzes
2.2.5 Sozialbindung, Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit, Darlegungslast
2.2.6 Gebundene Entscheidung (Prüfung, Ausgleichsleistungen, Ermessen, Abwägung)
2.5 Erhaltungs- und Sicherungspflichten
3 Bodendenkmalpflege
3.1 Unterschutzstellung
3.1.1 Umgrenzung, Ausdehnung, Begrenzung, Nachweis
3.2 Veränderungen, Zerstörungen, Pflichten
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1. Die beantragte Feststellung, dass die Produktionshalle der Maschinenbaufirma Deckel kein Denkmal im Sinne des Art. 1 Abs. 1 BayDSchG sei, ist als Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses statthaft. Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d. h. es muss „in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig" sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.01.2010, Az.: 8 C 38.09, juris [Rn. 32] / BVerwGE 136, 75 m. w. N.). Aus der Denkmaleigenschaft i. S. v. Art. 1 BayDSchG folgen zahlreiche gesetzliche Pflichten, u. a. die in Art. 4 BayDSchG geregelte Erhaltungspflicht, die Pflicht zur denkmalgerechten Nutzung (Art. 5 BayDSchG) sowie der in Art. 6 BayDSchG geregelte Genehmigungsvorbehalt.
2. Der Feststellungsklage steht auch nicht der Grundsatz der Subsidiarität (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) entgegen. Der der Klägerin zustehende Rechtsschutz soll auf dasjenige Verfahren, das ihrem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.03.2014, Az.: 6 C 8.13, juris [Rn. 13]). Gemessen daran kann die Klägerin nicht auf eine Klage auf Erteilung einer Abrisserlaubnis nach Art. 6 BayDSchG verwiesen werden, da sich aus der von der Klägerin vorrangig geltend gemachten fehlenden Denkmaleigenschaft des streitgegenständlichen Gebäudes ein Anspruch auf Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Abrissgenehmigung nicht ableiten lässt, weil eine Erlaubnispflicht gern. Art. 6 Abs. 1 S. 1 BayDSchG für einen Gebäudeabriss nur besteht, wenn es sich um ein Baudenkmal i. S. v. Art. 1 BayDSchG handelt (vgl. Sächs. OVG, Urt. v. 16.03.2015, Az.: 1 A 727/13, juris [Rn. 10]). Ausgehend davon legt die Klägerin mit ihrem Hauptvorbringen zur „mangelnden Denkmalwür-digkeit" des streitgegenständlichen Gebäudes einen Sachverhalt dar, der zur Unzulässigkeit einer Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Abrissgenehmigung und damit zur Klageabweisung führen würde (vgl. Sächs. OVG, Urt. v. 16.03.2015, Az.: 1 A 727/13, juris [Rn. 10]). Vor diesem Hintergrund stellt in diesem Fall gerade die Feststellungsklage den wirkungs-vollsten Rechtsschutz bereit (vgl. BayVG München, Urt. v. 18.10.2010, M 8 K 09.3950, n. V. [bestätigt durch BayVGH, Beschl. v. 04.09.2012, Az.: 2 ZB 11.587, juris]; BayVG München, Urt. v. 20.07.2015, Az.: M 8 K 14.3265, n. V.).
3. Nach Art. 2 Abs. 1 BayDSchG hat dies Eintragung in die Bayerische Denkmalliste für die Denkmaleigenschaft keine rechtsbegründende Wirkung, sondern erfolgt nur nachrichtlich (Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 2 Rn. 2). Die Eigenschaft einer Sache als Baudenkmal hängt nicht von der Eintragung ab (Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 2 Rn. 4).
4. Bei dem streitgegenständlichen Gebäude „Produktionshalle 03“ handelt es sich um eine von Menschen geschaffene Sache.
5. Das Gebäude stammt zudem „aus vergangener Zeit“ und gehört heute einer abgeschlosse-nen Epoche der Vergangenheit an, also einem Zeitabschnitt, sind, also in der Gegenwart nicht mehr andauern, ist jeweils im Zeitpunkt der Anwendung des Gesetzes zu entscheiden. Abge-schlossen ist heute nicht nur die Epoche der Gründerzeit, des Jugendstils und der Wilhelmini-schen Ära, sondern darüber hinaus etwa auch die Neue Sachlichkeit der Zwanziger Jahre, die Bauhaus-Zeit und der Kolossalstil des Dritten Reiches. Bei Werken aus den 1950er Jahren handelt es sich um Schöpfungen einer abgeschlossenen, historisch gewordenen Epoche der Vergangenheit (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 22; Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 7 f.). Das Ende der Wiederaufbauzeit wird dabei allgemein mit 1960 angenommen (vgl. Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 6).
6. Für Bauten der 1970er und 1980er Jahre sind auch heute die Grenzen für eine Zuordnung zur Vergangenheit nicht eindeutig zu definieren. Allerdings finden sich in der Bayerischen Denkmalliste bereits Gebäude, wie das Olympiastadion und das Hypohochhaus, die erst deut-lich später als die streitgegenständliche Produktionshalle errichtet wurden. Bauliche Anlagen der Postmoderne können allerdings noch nicht als Bauten der Vergangenheit eingeordnet werden (vgl. BayVGH, Urt. v. 10.06.2008, Az.: 2 BV 07.762, juris). Schließlich soll eine Mu-sealisierung des Lebens ebenso vermieden werden, wie eine Bevormundung der Bürger und jeder Zeit ein Handlungsspielraum zugestanden werden (vgl. Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 8; Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 22). Sachen, die in der lebendigen und noch im Fluss befindlichen Gegenwart entstanden sind, können daher nicht als Denkmäler angesehen wer-den.
7. Gemessen an diesen Maßstäben stammt die ehemalige Produktionshalle der Firma Deckel aus vergangener Zeit im Sinn von Art. 1 Abs. 1 BayDSchG. Die im Wesentlichen von 1958 bis 1960 erbaute Halle gehört damit (noch) der sog. Wiederaufbauzeit angehört. Bei einem Bau-denkmal muss für die Einordnung in die jeweilige historische Epoche auf den Zeitraum seiner tatsächlichen Errichtung abgestellt werden, während es auf die vollständige Fertigstellung ebenso wenig ankommt als die Epoche der Wiederaufbauzeit exakt am Stichtag 31.12.1959 geendet haben sollte. Die Bewertung der Halle als ein Objekt aus einer abgeschlossenen his-torischen Epoche wird auch durch das gerichtliche Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Raabe vorn 30.09.2014 bestätigt. Die streitgegenständliche Produktionshalle ist damit denk-malfähig.
8. Ziel des Denkmalschutzes ist es, die Baukultur der Vergangenheit, d. h. die geschichtlichen Zeugnisse im Original zu erhalten. Denkmalpflege und Denkmalschutz zielen darauf, histori-sche Zusammenhänge in Gestalt einer baulichen Anlage in der Gegenwart zu veranschauli-chen (vgl. BayVGH, Urt. v. 03.01.2008, Az.: 2 BV 07.760, juris [Rn. 18]). Tragender Grund für die mit der Unterschutzstellung als Denkmal verbundenen weitreichenden Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse ist, dass Denkmäler für geschichtliche Umstände und Entwicklun-gen Zeugnis ablegen. Der Denkmalschutz will körperliche Zeugnisse aus vergangener Zeit als sichtbare Identitätszeichen für historische Umstände bewahren und die Zerstörung historischer Substanz verhindern (vgl. OVG NRW, Urt. v. 26.08.2008, Az.: 10 A 3250/07, juris [Rn. 45]).
9. Den Einschätzungen des BLfD und der von seiner Seite vorgelegten gutachterlichen Stel-lungnahmen kommt tatsächliches Gewicht zu (vgl. BayVGH, Urt. v. 18.07.2013, Az.: 2 ZB 12.1741, juris [Rn. 27]), da das BLfD nach Art. 12 Abs. 1 und 2 BayDSchG die in Bayern zu-ständige Fachbehörde für alle Fragen des Denkmalschutzes ist (Eberl/ Martin/ Greipl, BayDSchG, 6. Aufl. 2007, Art. 12 Rn. 11 und 14). Es ist durch Art. 12 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 5 und 1 BayDSchG dazu berufen, durch sachverständige Bedienstete fachliche Stellungnahmen und Gutachten abzugeben. Damit wird die erforderliche Sachkunde vermutet (Eberl/ Martin/ Greipl, BayDSchG, 6. Aufl. 2007, Art. 12 Rn. 39). Gerade die Denkmalfachbehörden der Län-der sind dazu berufen, sachkundige Stellungnahmen zur Schutzwürdigkeit von Denkmalen abzugeben. Nur dadurch wird ein wirksamer und maßstabsgerechter Denkmalschutz unab-hängig von einem sich wandelnden Bewusstsein der Bevölkerung sichergestellt (Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010 Teil C Rn. 34 und 33).
10. Der streitgegenständlichen Produktionshalle „Gebäude 03" kommt die erforderliche ge-schichtliche Bedeutung zu. In rechtlicher Hinsicht muss ein geschichtlich bedeutendes Denk-mal historische Ereignisse oder Entwicklungen heute und für zukünftige Generationen an-schaulich machen. Dem modernen Denkmalverständnis liegt der Dokumentationswert früherer Bauweisen und der in ihnen zum Ausdruck kommenden politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse aller gesellschaftlicher Schichten zugrunde (vgl. Vierbrock, in: Martin/Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Auflage 2010, Teil C Rn. 11). Geschichtliche Bedeutung ist gegeben, wenn ein Gebäude historische Ereignisse oder Entwicklungen heute und für zukünftige Generationen anschaulich macht. Die Bedeutung kann aus allen Zweigen der Geschichte hergeleitet werden, so aus der Wirtschafts-, Architektur-, Technik-, Kunst und Sozialgeschichte (vgl. Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 18). Auch bauliche Anlagen, die als hässlich oder störend empfunden werden, können von geschichtlicher Bedeutung sein (vgl. Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 18). Die geschichtliche Bedeutung kann auch darin liegen, dass das Gebäude das erste oder das einzige in einer bestimmten Gegend noch erhaltene Beispiel einer bestimmten Bautechnik oder einer Stilrichtung oder einer Gebäudeart ist (vgl. Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 18).
11. Bei baulichen Anlagen aus der Wiederaufbauzeit nach dem Zeiten Weltkrieg kann sich die geschichtliche Bedeutung u. a. aus der Verwendung neuer Baustoffe und der Anwendung neuer Baumethoden ergeben. Von geschichtlicher Bedeutung können auch neuartige Lösun-gen bautechnischer Probleme oder althergebrachter Aufgaben sein (vgl. Eberl/ Martin/ Spen-nemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 18). Denn hier liegt dem modernen Denkmalbe-griff der Dokumentationswert früherer Bauweisen und der in ihnen zum Ausdruck gekomme-nen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse zugrunde (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzber-ger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 11).
12. Die ehemalige Produktionshalle hat architekturgeschichtliche Bedeutung. Nach dem Gut-achten des BLfD vom 28.07.2014 ist sie zur Zeit ihrer Entstehung in Bayern als in der Bau-technik Stahlrohrfachwerk errichtetes Bauwerk einmalig und steht am Beginn großer Fabrik-hallen der Nachkriegszeit. Dieses „,Alleinstellungsmerkmal" spricht bereits wesentlich für die Denkmaleigenschaft der Halle (vgl. Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 18). Hallen in anderen deutschen Ländern sind insoweit nicht maßgeblich. Zudem unterscheidet sich die Halle in den Abmessungen deutlich von den von der Klägerin angeführ-ten beiden Vergleichsobjekten (Paketposthalle, Werner-von-Linde-Halle im Olympiapark Mün-chen), ebenso in der Form und dem äußeren Erscheinungsbild. Auch der Zweck der beiden Bauten war unterschiedlich, vorliegend war es die Maschinenproduktion, die Paketposthalle diente dem Umschlag von Paketpost von der Eisenbahn auf die Straße. Die zur Ausrichtung der XX. Olympischen Spiele 1972 errichtete Werner-von-Linde-Sporthalle stammt ihrerseits aus einer anderen Entstehungszeit und hat als Sportstätte ebenfalls eine andere Funktion.
13. Die ehemalige Produktionshalle der Fa. Deckel hat daneben auch technikgeschichtliche Bedeutung. Die Dreigurt-Fachwerkbinder-Konstruktion des Daches als Stahlrohrfachwerk mit der großen Spannweite von 60 Metern ist zumindest für Bayern neuartig und stellt damit die erste Anwendung dieser Technik in diesem Maßstab sowie eine ingenieur-technisch zu ihrer Zeit herausragende Leistung dar. Bei der Frage, ob ein Bauwerk ein Baudenkmal ist, kommt es im Übrigen nicht darauf an, ob die Technologie zu seiner Errichtung bereits vorhanden und bekannt war. Es genügt nicht, dass der Architekt oder Ingenieur in der Theorie bereits wusste, wie etwas zu bauen ist. Entscheidend ist vielmehr die erstmalige oder zumindest im Vergleich zu anderen ähnlichen Objekten frühzeitige tatsächliche Verwirklichung, also die Umsetzung des Wissens und Könnens in gebaute Praxis. Erst dadurch entsteht ein materielles Zeugnis, das später als Baudenkmal Zeugnis von eben diesem Umsetzungsvorgang ablegen kann. Insoweit stellt die Halle ein anschauliches Zeugnis für die erstmalige praktische Anwendung eines so weit gespannten Daches aus Stahlrohrfachwerkträgern in Bayern dar.
14. Ob die streitgegenständliche Halle darüber hinaus auch im Hinblick auf die Firmenge-schichte der früher dort produzierende Firma Deckel geschichtliche Bedeutung hat, kann im vorliegenden Fall – unbeschadet der nachstehenden Überlegungen – dahinstehen. Der Ein-wand, bei allgemeiner Anwendung dieses Gedankens würden bald alle Gewerbegebiete mit alten Produktionsstätten „vollstehen", für die es keine Verwendung mehr gäbe, kann nicht von vornherein von der Hand gewiesen werden. In der Halle selbst weist heute unmittelbar nichts mehr darauf hin, dass dort einmal eine Maschinenfabrik ihre Produkte fertigte. Nicht ohne Ge-wicht ist dabei, dass die Halle eben keine typische Fabrikhalle ist. Andererseits hatte die Firma Deckel zumindest über einen gewissen Zeitraum erhebliche Bedeutung und war unter anderem zu dieser Zeit ein wichtiger Hersteller technisch hochwertiger Bauteile. Die Produktionshalle der Firma Deckel stellt damit ein bedeutsames Zeugnis für den „modernen Technologiestandort München" dar. Der Umstand, dass die Fa. Deckel im Jahre 1953 über 3000 Beschäftigte hatte und 1972 der viertgrößte Werkzeugmaschinenhersteller in Deutschland war, stellt ebenfalls ein Indiz für die Bedeutung des Unternehmens dar.
15. Mit dem Merkmal der künstlerischen Bedeutung stellt das Gesetz auf die Qualität in ästhe-tisch-gestalterischer Hinsicht ab, also auf eine Schöpfung, die das ästhetische Empfinden in besonderem Maß anspricht oder den Eindruck vermittelt, dass etwas nicht Alltägliches ge-schaffen worden ist (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpfle-ge, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 9; Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 19). Künstlerische Bedeutung kann auch vorliegen, wenn das Bauwerk Merkmale der Kunst aufweist und diese Resultat einer besonderen individuellen schöpferischen Gestaltung sind (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 04.12.2014, Az.: 1 LC 106/13, juris Rn. 57). Für die individuelle Eigenart ist in der Regel nicht auf einzelne Details des Gebäudes abzustellen, sondern auf die prägenden Elemente (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 04.12.2014, Az.: 1 LC 106/13, juris Rn. 58).
16. Auch für die Wiederaufbauzeit nach dem Zweiten Weltkrieg können Gesichtspunkte der Ästhetik des Bauens der Fünfziger Jahre als Kriterien herangezogen werden. Auch die Person des Urhebers kann in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen (vgl. Eberl/ Martin/ Spenne-mann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015 Art. 1 Rn. 19). Gerade auch technischen, funktional gestalte-ten Bauten kann aus künstlerischen Gründen Denkmalwert zugesprochen werden. Für her-ausragende Architekten ist auch die Stellung des Kunstwerks im Lebenswerk des Schaffenden heranzuziehen (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 9).
17. Bei einem Bauwerk kann die künstlerische Bedeutung sowohl in der eigentlichen architek-tonischen Gestaltung wie in einer künstlerischen Ausschmückung begründet sein. Einer ab-schließenden Entscheidung, ob diese Voraussetzungen bei dem streitgegenständlichen Ge-bäude bedarf es allerdings nicht. Andererseits hat das Gericht erhebliche Zweifel daran, ob die Fassade - als frühes Beispiel einer Vorhangfassade in Bayern - für sich allein im Hinblick auf künstlerische Bedeutung die Schwelle nach Art. 1 BayDSchG erreicht. Soweit in der Halle sich die Aufnahme moderner, an amerikanischen Vorbildern orientierter Architektur widerspiegeln, es sich folglich um eine bloße Nachahmung ausländischer Vorbilder handeln sollte, fehlte es an der eigenständigen künstlerischen Gestaltung, die für die Annahme einer künstlerischen Bedeutung erforderlich ist. Fehlt der baulichen Anlage jeder Hinweis auf eine individuell-künstlerische Gestaltung und hat sie eindeutig auch keine baukünstlerische Epoche angestos-sen oder abgeschlossen, dann kommt ihr auch keine künstlerische Bedeutung zu (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 04.12.2014, Az.: 1 LC 106/13, juris [Rn. 56, 59 und 60]).
18. Eine künstlerische Bedeutung der Fassade könnte daher allenfalls bei einer Gesamtbe-trachtung des Bauwerks zu bejahen sein, da das äußere Erscheinungsbild, das den Hal-lencharakter der ehemaligen Produktionshalle weitgehend verbirgt, ein Beispiel für die Ästhetik des Bauens zum Ende der 1950er Jahre darstellen könnte, wozu gerade die Fassadengestal-tung wesentlich beiträgt, indem durch die vorgehängte Curtain¬-Wall-Fassade der Eindruck ei-nes Bürogebäudes und nicht einer Produktionshalle vermittelt wird.
19. Der Denkmalcharakter würde ferner auch nicht verloren gehen, sollten bei der erforderli-chen Sanierung die Fassadenteile nicht mehr wieder anzubringen sein, da der eigentliche Denkmalwert in der 60 m weiten stützenfreien Deckenkonstruktion liegt.
20. Wissenschaftliche Bedeutung liegt vor, wenn eine Sache für die Wissenschaft oder einen Wissenschaftszweig von Bedeutung ist, so bei einem Bauwerk z. B. für die Statik - modellhafte und erstmalige Bewältigung bestimmter statischer Probleme - oder für die Baukonstruktion (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 14).
21. Der Umstand, dass die ehemalige Produktionshalle in ihrer Entstehungszeit einmalig und am Beginn großer Fabrikhallenbauten der Nachkriegszeit steht und die Spannweite eine bau-ingenieurstechnisch herausragende Leistung in ihrer Zeit darstellt, begründet zwar die bau- und technikgeschichtliche Bedeutung der Halle, ist allerdings wohl nicht ausreichend, selbst auch eine wissenschaftliche Bedeutung zu belegen.
22. Die denkmalschutzrechtliche Bedeutung der ehemaligen Produktionshalle ist auch nicht durch die Veränderungen im Lauf der Zeit verloren gegangen. Die Baudenkmaleigenschaft endet erst mit der Zerstörung der baulichen Anlage. Durch Veränderungen endet sie grund-sätzlich nicht (vgl. BayVGH, Beschluss v. 04.09.2012, Az.: 2 ZB 11.587, juris [Rn. 5]; BayVGH, Urt. v. 27.03.1979, Az.: 305 I 74, VGH n. F. 32, 140 / BayVBI 1979, 616 / FHOeffR 30 Nr. 9871; Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 39). Dies wäre nur dann der Fall, wenn durch die Veränderungen die aus vergangener Zeit stammenden Teile einer bauli-chen Anlage beseitigt werden oder die bauliche Anlage insoweit beeinträchtigt wird, dass sie die Bedeutungsschwelle des Art. 1 Abs. 1 DSchG nicht mehr erreicht (Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Auflage 2015, Art. 1 Rn. 39 m. w. N.).
23. Ein vom Zeitpunkt seiner Errichtung unverändertes Baudenkmal würde angesichts der üblichen, durch Entwicklung und Fortschritt bedingten An-, Um- und Ausbauten, welche bei nahezu jedem Gebäude im Laufe seines Bestehens vorgenommen werden, die Anforderungen an die Begründung der Denkmaleigenschaft bei weitem überspannen (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 29 ff.).
24. Nachträgliche Änderungen lassen das Erhaltungsinteresse grundsätzlich nicht wegfallen, wenn sich an den baulichen Veränderungen, die das Gebäude im Laufe der Jahre erfahren hat, die damit einhergehenden Änderungen im Sinne des Schutzgrundes noch ablesen lassen (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 29).
25. Die nach der Eintragung in die Denkmalliste erteilten Baugenehmigungen betreffen im streitgegenständlichen Fall weitgehend reine Nutzungsänderungen. Der Abriss einer Aufzugs-anlage und das Entfernen eines Treppenhauses sowie der Einzug von Trennwänden im Erd-geschoss führen nicht zum Verlust der Denkmaleigenschaft, sondern stellen vielmehr eine übli-che Entwicklung dar, die nahezu jedes Gebäude im Laufe seines Bestehens nimmt. Da für die Denkmaleigenschaft der streitgegenständlichen Produktionshalle gerade die große stützenfreie Dachkonstruktion von entscheidender Bedeutung ist, diese aber nach wie vor bauzeitlich und unverändert vorhanden ist, lässt sich der Schutzgrund des vorliegenden Baudenkmals trotz baulicher Veränderungen an anderen Teilen der Halle unverändert ablesen, liegen die das zu überliefernde Zeugnis konstituierenden Denkmalwerte unverändert vor.
26. Grundsätzlich entfallen die Baudenkmaleigenschaft und das öffentliche Interesse an der Erhaltung einer denkmalwürdigen Sache erst, wenn ihre historische Substanz soweit verloren geht, dass sie ihre Funktion, Aussagen über geschichtliche Umstände und Vorgänge zu do-kumentieren, nicht mehr erfüllen kann (vgl. OVG NRW, Urt. v. 26.08.2008, Az.: 10 A 3250/07, juris [Rn. 47]). Für die Frage, wann die historische Identität eines Baudenkmals entfällt, kommt es nicht auf eine schematische, an Zahlenwerten orientierte Betrachtungsweise an. Es lässt sich keine feste Regel darüber aufstellen, welcher relative Anteil an historischer Substanz eines Gebäudes wegfallen kann, ohne dass es zu einer Gefährdung oder zum Wegfall seiner Identität kommt. Erforderlich ist vielmehr eine qualitative Betrachtung, die die Gründe der Un-terschutzstellung und alle Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt (vgl. BayVGH, Be-schluss v. 04.09.2012, Az.: 2 ZB 11.587, juris [Rn. 5]; Hönes, BayVBI, 2012, 522 ff. [524]).
27. Maßgeblich ist die Frage, ob ein Objekt trotz Verluste an historischer Substanz noch die Erkennbarkeit der Aussage bewahrt, die zu seiner Anerkennung als Denkmal geführt hat (vgl. OVG NRW, Urt. v. 26.08.2008, Az.: 10 A 3250/07, juris [Rn. 48]). Die Baudenkmaleigenschaft endet grundsätzlich erst mit der Zerstörung der baulichen Anlage und nicht bereits durch bloße Veränderungen (vgl. BayVGH, Beschluss v. 04.09.2012, Az.: 2 ZB 11.587, juris [Rn. 5 m. w. N.]). In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird daher die Ansicht vertreten, dass es abwe-gig sei, anzunehmen, ein Jahrhunderte altes Gebäude verliere spätestens dann seine Denk-maleigenschaft, wenn im Laufe der Jahrhunderte der letzte noch aus der Erbauungszeit stammende Stein in Folge zeitbedingter Verwitterungsschäden ausgetauscht worden ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 15.12.2011, Az.: 2 L 152/06, juris [Rn. 90]).
28. Die Denkmaleigenschaft kann in Ausnahmefällen auch nach Durchführung von Erhal-tungsarbeiten entfallen, wenn die damit verbundenen Eingriffe in das Denkmal so weit gehen, dass die Denkmalaussage verloren geht (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 15.12.2011, Az.: 2 L 152/06, juris [Rn. 90]). Die Sanierungs¬maßnahmen an der Stahlbetonkonstruktion der streit-gegenständlichen Halle führen in diesem Sinne nicht zum Verlust der Denkmaleigenschaft. Das Gebäude kann trotz des Alters des Betonskeletts und der vorhandenen Schäden auch in Zukunft erhalten werden. Nach Darstellung sogar des klägerischen Parteisachverständigen Prof. Dr. Feix ist das Stahlbetontragwerk generell in einem „guten bis befriedigenden" Zustand. Durch dieses Gutachten wird die Erhaltungsfähigkeit des Betonskeletts der streitgegenständli-chen Halle wegen der auf dem Alterungsprozess von Beton beruhenden Karbonatisierung nicht in Frage gestellt. Der seitens der Kläger befürchtete „nahezu komplette Verlust der noch erhaltenen restlichen Originalsubstanz" des Stahlbetontragwerks ist deshalb nicht zu befürch-ten, da ein „neubauähnliches Gebäude" nicht die Folge der Sanierung sein wird. Eine solche Neuerrichtung käme einer Rekonstruktion gleich und würde den Zielen der Denkmalpflege widersprechen. Sie ist aber mangels Gefährdung des Betontragwerks in seiner Substanz ge-rade nicht erforderlich.
29. Werden im Laufe der Zeit lediglich Bauteile im Zuge üblicher Erhaltungsmaßnahmen aus-getauscht, führt dies ebenfalls regelmäßig nicht zum Wegfall der Denkmaleigenschaft (vgl, BayVGH, Urt. v. 04.09.2012, Az.: 2 ZB 11.587, juris [Rn. 5]; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 15.12.2011, Az.: 2 L 152/06, juris [Rn. 90]). Anders ist es nur, wenn sich der Zustand des Ge-bäudes infolge äußerer Einflüsse (Feuchtigkeit, Immissionen, Beanspruchung der Substanz durch übliche oder übermäßige Nutzung) so stark verschlechtert hat, dass ohne eine Sanierung der Verlust des Gebäudes zu erwarten ist und die Wiederherstellung eines gebrauchsfähigen Zustands wie eine Neuerrichtung zu werten ist (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 15.12.2011, Az.: 2 L 152/06, juris [Rn. 90]). Bloße Erhaltungsmaßnahmen führen hingegen regelmäßig nicht zum Verlust der Denkmaleigenschaft, denn der Eigentümer ist dazu verpflichtet, sein Denkmal zu erhalten (Art. 4 BayDSchG), so dass Arbeiten dieser Art lediglich Ausdruck des selbstverständlichen Umstands sind, dass Baudenkmäler „durch die Zeit gehen" und laufender Unterhaltung bedürfen. Selbst wenn die einer Erhaltung in diesem Sinne zugänglichen Teile eines Gebäudes im Laufe der Zeit vollständig ausgetauscht werden, führt dies regelmäßig nicht zum Verlust der Denkmaleigenschaft, wenn nicht gerade die historische Substanz dieser Gebäudeteile die Identität und damit den Denkmalwert des Gebäudes begründet (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 15.12.2011, Az.: 2 L 152/06, juris [Rn. 90]). Das streitgegenständliche Gebäude verliert insoweit nicht seinen historischen Aussagewert.
30. Die neue Dacheindeckung, die (massive) Verstärkung der Tragwerkkonstruktion, das An-bringen eines Brandschutzanstriches, das Nachbessern der Schweißnähte, die Montage einer Sprinkleranlage, die komplette Erneuerung der Haustechnik, die Verstärkung der Decke im Erdgeschoss mit Brandschutzplatten, der Einbau einer zusätzlichen Rettungstreppe sowie das Anbringen von Korrosionsschutz führen zu keiner überwiegenden Zerstörung der historischen Substanz und des Zeugniswertes der ehemaligen Produktionshalle und ihrer Dachkonstruktion. Durch die erforderlichen Vollsanierungsmaßnahmen wird in die Originalsubstanz, insbesondere in die Dachkonstruktion nicht so nachhaltig eingegriffen, dass der vorliegende Zeugniswert der streitgegenständlichen Halle dadurch zerstört wird. Der Zeugniswert kann vielmehr auch nach der Vollsanierung noch in der Gegenwart weiter veranschaulicht werden (vgl. BayVGH, Urt. v. 03.01.2008, Az.:2 BV 07.760, juris [Rn. 18]), wenn die notwendigen Sanierungsmaßnahmen in Abstimmung mit dem BLfD denkmalverträglich durchgeführt werden, sodass dadurch die Denkmaleigenschaft der ehemaligen Produktionshalle nicht verloren gehen wird. Solche bloße Erhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen, die jedes Denkmal erfährt, führen nicht zum Verlust des Zeugniswerts der streitgegenständlichen Halle.
31. Ebenso kann es für die Beurteilung der Denkmaleigenschaft der ehemaligen Produktions-halle nicht von Bedeutung sein, dass bei ihrer Errichtung zum Teil minderwertige oder gesund-heitsgefährdende Baustoffe verwendet worden waren. Zum einen waren diese Baustoffe zur Bauzeit üblich und zum anderen können sie im Rahmen der Sanierung denkmalverträglich und umweltgerecht von entsprechenden Fachfirmen durch heute übliche Materialien ersetzt werden. Ferner hängt die Baudenkmaleigenschaft nicht von diesen umweltschädlichen Mate-rialien ab, die im Rahmen des Gesamtbauwerks lediglich einen vergleichsweise geringen Um-fang haben, insbesondere der Austausch der Dachhaut und Dacheindeckung führt als reine Erhaltungsmaßnahme nicht zum Wegfall der Denkmaleigenschaft.
32. Schließlich hat ein evtl. unansehnlicher Zustand, in dem sich das Objekt heute befinden könnte, dessen gegenwärtiger Zustand allerdings der jahrzehntelangen Vernachlässigung des Bauunterhalts geschuldet ist, ebenfalls keinen Einfluss auf die Eigenschaft der Produktionshalle als Denkmal. Der Erhaltungszustand ist jedoch grundsätzlich ohne Einfluss auf die Denk-maleigenschaft, es sei denn, dass bei den notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen die Be-wahrung der Identität nicht möglich wäre und eine bloße Rekonstruktion entstünde (vgl. Vie-brock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 29 und 30; Eberl/ Martin/ Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 1 Rn. 15).
33. Soweit es noch der Feststellung der Erhaltenswürdigkeit bzw. eines öffentlichen Erhaltungsinteresses bedarf (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Aufl. 2010, Teil C Rn. 5), ist nicht auf die Anschauung des gebildeten Durchschnittsmenschen abzustellen, sondern auf den Wissens- und Kenntnisstand sachver-ständiger Kreise; die Denkmaleigenschaft eines Bauwerks wird daher nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Durchschnittsbetrachter es nicht als solches erkennt. Erhaltenswürdig sind dabei nicht nur hervorragende Zeugnisse der Vergangenheit, sondern auch Sachen, die das Geschichtsbild nur in geringem Maß oder zusammen mit anderen Sachen prägen (vgl. BayVGH, Beschluss v. 15.01.2002, Az.: 14 ZB 00.3360, Az.: juris [Rn. 2]).
34. Alle deutschen Denkmalschutzgesetze lassen den Schutz von Objekten aus den oben ge-nannten Gründen nur insoweit zu, als aus ihnen ein „öffentliches Erhaltungsinteresse" bzw. ein entsprechendes „Interesse der Allgemeinheit" hergeleitet werden kann. Dieses Tatbe-standsmerkmal hat die Aufgabe, aus dem Kreis der in Frage kommenden Objekte eine ein-grenzende Auswahl zu treffen. Das Merkmal des öffentlichen Interesses erfüllt daher die Funk-tion, nur Sachen von Erheblichkeit als öffentlich-rechtliches Schutzobjekt zu qualifizieren. Ob-jektiv belanglose Sachen erfüllen nicht die Begriffsbestimmung der gesetzlichen Denkmalbe-griffe. Das Merkmal des öffentlichen Interesses bezweckt indes nicht, dass lediglich herausra-gende Beispiele oder ein besonders typischer Vertreter einer Gattung erhaltenswürdig i. S. d. Vorschrift wären (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Auflage 2010, Teil C Rn. 25). Grundsätzlich kommt es für das öffentliche Interesse an der Erhaltung nicht darauf an, dass sich das Objekt in einem guten Erhaltungszustand befindet. Auch ein schlecht erhaltenes Denkmal ist erhaltenswert (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Auflage 2010, Teil C Rn. 27). Dem Seltenheitswert wird bei der Prüfung des öffentlichen Erhaltungsinteresses ein primärer Rang eingeräumt (vgl. Viebrock, in: Martin/ Krautzberger, Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Auflage 2010, Teil C Rn. 26).
35. Das Interesse der Allgemeinheit am Erhalt der ehemaligen Produktionshalle ergibt sich daher inzident insbesondere aus dem Alleinstellungsmerkmal der ehemaligen Produktionshalle der Firma Deckel.
36. Da die Klage als Klage auf Feststellung des Fehlens von Denkmaleigenschaft umgestellt worden war, wurde die seitens der Klägerin eingewandte „wirtschaftliche Zumutbarkeit“ pro-zessual nicht mehr thematisiert. In der ersten mündlichen Verhandlung knapp zwei Jahre vor Urteilsspruch war diese Frage allerdings ausführlich diskutiert und letztlich bejaht worden. Hie-ran änderte sich auch in der mündlichen Verhandlung vom Oktober 2015 nichts. Vielmehr jetzt legte die erkennende Kammer der Klägerin eine mit den Denkmalbehörden (BLfD und Untere Denkmalschutzbehörde) abgestimmte Instandsetzung nahe.
BayVG München, Urteil, 05.10.2015, AZ: M 8 K 12.3464, Publikationsart:
vgl. BayVGH, Beschluss vom 12.06.2017, Az.: 2 ZB 16.342, BayVBl 2018, 348-350 (Ablehnung des klägerischen Antrags auf Zulassung der Berufung)

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.2 Bedeutung
1.1.3 „aus vergangener Zeit“
1.1.4 Denkmalwürdigkeit
1.1.5 Veränderungsfolgen
2 Baudenkmalpflege
2.2 Abbruch
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
2.2.1.1 Grundsätze
2.2.5 Sozialbindung, Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit, Darlegungslast
2.3 Sonstige Veränderungen
2.3.1 Grundsätze
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1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
2. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der beantragte Abbruch des ehemaligen, aus zwei Becken bestehenden Wasserreservoirs mit den Ausmaßen 44 m x 22 m, das zu einem ehemaligen Rüstungswerk aus der NS-Zeit gehört und dessen Reste in der Denk-malliste sowohl als Baudenkmal als auch als Bodendenkmal eingetragen sind, einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSchG bedarf, da dieses Teil eines Baudenkmals im Sinn von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG ist. Der Erhalt des Baudenkmals „Ehemaliges Rüstungswerk im M...“, zu dem das Wasserreservoir zu zählen ist, liegt wegen seiner geschichtlichen und wissenschaftlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit.
3. Baudenkmäler sind bauliche Anlagen oder Teile davon aus vergangener Zeit (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG), deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt (Art. 1 Abs. 1 BayDSchG).
4. Eine „Bedeutung“ in diesem Sinn erfordert zwar nicht, dass das Gebäude Hervorragendes oder Einzigartiges repräsentiert. Sie setzt jedoch voraus, dass das Gebäude in besonderer Weise geeignet ist, geschichtlich, künstlerisch, städtebaulich, wissenschaftlich oder volkskundlich Relevantes zu dokumentieren (BayVGH, Urteil vom 16.07.2015, Az.: 1 B 11.2137, juris [Rn. 17]).
5. Denkmalpflege und Denkmalschutz zielen darauf, historische Zusammenhänge in Gestalt einer baulichen Anlage oder einer Mehrheit baulicher Anlagen in der Gegenwart zu veranschaulichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.05.2001, Az.: 4 CN 4.00, BVerwGE 114, 247). Die den Denkmalwert begründende geschichtliche Bedeutung muss nicht unmittelbar am Objekt ablesbar sein, es kann ausreichen, wenn das Objekt zusammen mit anderen Quellen seinem Betrachter die geschichtlichen Zusammenhänge vor Augen führen kann (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 16.05.2007, Az.: 2 Bf 298.02, NVwZ-RR 2008, 300). Es kommt dabei nicht auf den Erkenntnisstand eines unbefangenen Betrachters, sondern auf den Wissens- und Erkenntnisstand von sachverständigen Betrachtern an (vgl. BayVGH, Beschluss vom 13.05.2015, Az.: 1 ZB 13.1334, BayVBl 2016, 456).
6. Diese Voraussetzungen sind für das Denkmal „Ehemaliges Rüstungswerk im M...“, zu dem das Wasserreservoir zu zählen ist, gegeben. Wie das Verwaltungsgericht ausführlich dargelegt hat, veranschaulicht die Anlage das Terrorregime des Nationalsozialismus und die damit verbundene „Vernichtung durch Arbeit“, indem es das Bestreben dokumentiert, durch Zwangsarbeiter rücksichtslos innerhalb kürzester Zeit einen Rüstungsgroßbetrieb zu errichten. Der Zulassungsantrag kann diese Beurteilung nicht mit überzeugenden Argumenten in Zweifel ziehen.
7. Soweit in der Zulassungsbegründung behauptet wird, das Wasserreservoir sei eine rein technische Anlage ohne erkennbare geschichtliche und wissenschaftliche Relevanz, geht die Klägerin zu Unrecht davon aus, dass sich die Denkmaleigenschaft allein aus dem Wasserreservoir herleiten muss. Denn das Wasserreservoir ist Teil eines Baudenkmals, das den gesamten Bereich des ehemaligen Rüstungswerks und die hiervon verbliebenen Reste umfasst. Die Denkmalbedeutung erwächst aus dem Bezug des Wasserreservoirs auf den Gesamtkomplex (vgl. Stellungnahme des Bayerisches Landesamts für Denkmalpflege vom 01.07.2014; Bl. 201 der Behördenakte).
8. Ergibt sich die Denkmalbedeutung aus einem Gesamtkomplex baulicher Anlagen, so sind diese als einheitliches Denkmal zu behandeln (vgl. Martin in Martin/ Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 4. Aufl. 2017, S. 187 [Rn. 164]). Auch voneinander räumlich getrennte, als Einzelanlagen sichtbare bauliche Anlagen können in ihrer Mehrheit ein Baudenkmal im Sinn von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG darstellen, wenn die Denkmaleigenschaft gerade durch den Zusammenhang der baulichen Anlagen anzunehmen ist (so auch zum vergleichbaren Denkmalbegriff des nordrhein-westfälischen Denkmalrechts: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.12.1999, Az.: 10 A 606.99, juris [Rn. 29]).
9. Dementsprechend wurde das gesamte ehemalige Rüstungswerk als einheitliches Baudenkmal in die Denkmalliste eingetragen. Durch die Dimension des Wasserreservoirs selbst und die Entfernungen zu den übrigen Bunkerresten wird das Ausmaß des ehemaligen Rüstungswerks deutlich und damit auch die geschichtliche Bedeutung des Denkmals. Das Verwaltungsgericht hat zu diesen Dimensionen ausgeführt, dass die Anlagen den Versuch der Nationalsozialisten verdeutlichen, innerhalb kürzester Zeit durch Zwangsarbeiter rücksichtslos einen Rüstungsgroßbetrieb zu errichten. Darin liegt die geschichtliche Bedeutung der Anlage.
10. Diese Bedeutung wird unabhängig vom derzeitigen Erhaltungszustand und dem Umstand erkennbar, dass aus Sicht der Klägerin bedeutendere Teile des Gesamtkomplexes beseitigt wurden. Nachdem es für die Denkmaleigenschaft auf die Beurteilung durch einen sachverständigen Betrachter ankommt (vgl. BayVGH, Beschluss vom 13.5.2015, Az.: 1 ZB 13.1334, BayVBl 2016, 456), schmälert das Fehlen früher vorhandener, möglicherweise für den Laien besser verständlicher Anlagenteile den Denkmalwert des verbliebenen Denkmals nicht. Vielmehr ist der Erhalt der noch vorhandenen Reste der Gesamtanlage auch wegen des Verlusts anderer Teile nötig, um die räumliche Ausdehnung weiter zu dokumentieren.
11. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit früheren Beseitigungen besteht angesichts der erforderlichen Beurteilung des Einzelfalls nicht (vgl. BayVGH, Beschluss vom 04.09.2012, Az.: 2 ZB 11.587, juris [Rn. 14]).
12. Der Zulassungsantrag vermag auch insofern keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu begründen, als geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht habe ohne nähere Prüfung angenommen, das Wasserreservoir sei schon für die Errichtung der Flugzeugmontagehalle genutzt worden, da es durch eine Lorentrasse mit dieser verbunden gewesen sei. Eine solche Aussage enthält das angegriffene Urteil nicht. Vielmehr wird in dem Urteil lediglich die Vermutung geäußert, dass das Wasserreservoir auch beim Bau der Flugzeugmontagehalle genutzt worden sein könnte (vgl. BayVG München, Urteil vom 05.04.2016, Az.: 1 K 15.1167, https://www.w-goehner.de/rechtsprechungsuebersicht/direktlink.php?id=216: „liegt es nahe, dass das Wasser aus dem Reservoir zur Errichtung der Bunkeranlage verwendet wurde“ [Urteilsausfertigung Seite 6 unten]). Das Verwaltungsgericht hat die konkrete Funktion des Reservoirs indes ausdrücklich offen gelassen, da es auch für den Fall der bloßen Nutzung als Löschwasserbecken die Denkmaleigenschaft bejaht hat (Urteilsausfertigung Seite 7).
13. Es ist für die Denkmaleigenschaft des Gesamtkomplexes sowie des streitgegenständlichen Teils nicht relevant, wenn die Mauern des Wasserreservoirs eingewachsen und auch von öffentlichen Wegen nicht einsehbar sind. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG schützt „das überlieferte Erscheinungsbild“ eines Baudenkmals unabhängig davon, ob sich der Betrachter auf öffentlichem Grund oder Privatgrund befindet. Auf die Einsehbarkeit vom öffentlichen Grund aus kommt es daher nicht an (vgl. BayVGH, Beschluss vom 13.05.2015, Az.: 1 ZB 13.1334, BayVBl 2016, 456; BayVGH, Beschluss vom 12.06.2017, Az.: 2 ZB 16.342, juris [Rn. 5]).
14. Ernstliche Zweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts lassen sich auch nicht mit der Nichtbeanstandung der Ermessensentscheidung des Beklagten begründen. Sie ergeben sich nicht auf Grund der Behauptung, das Verwaltungsgericht habe die Bedeutung der im Jahr 1995 erteilten Erlaubnis zum Abbruch des Wasserreservoirs nicht hinreichend behandelt. Die Berücksichtigung einer früheren, mittlerweile abgelaufenen Genehmigung kommt im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des Erlaubnisanspruchs nicht in Betracht, da es keinen Anspruch auf Wiederholung einer früheren Beurteilung gibt, wenn die Genehmigung keine Wirkung mehr entfaltet. Eine Bindungswirkung der durch Fristablauf erloschenen Genehmigung scheidet ebenso wie ein Vertrauensschutz aus (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG; vgl. zur Baugenehmigung: BayVGH, Beschluss vom 16.03.2017, Az.: 9 ZB 15.948, BayVBl 2017, 710; Decker in Simon/ Busse, BayBO, Stand Oktober 2017, Art. 69 Rn. 71 m. w. N.).
15. Die behauptete unzureichende oder unzutreffende Berücksichtigung der Erweiterungsmöglichkeiten der Klägerin kann Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht begründen. Das Verwaltungsgericht trifft selbst keine Ermessensentscheidung, sondern überprüft lediglich die durch den Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid getroffene Ermessensentscheidung. Eine Abwägung sämtlicher Interessen im Urteil ist daher nicht angezeigt. Im streitgegenständlichen Bescheid wurde das Gewicht der Erweiterungsinteressen der Klägerin umfangreich behandelt.
16. Das Verwaltungsgericht hat ausdrücklich dargelegt, dass die dort vorgenommene Interessensgewichtung nicht zu beanstanden sei (Urteilsausfertigung Seite 11). Es ist zudem auch nicht tragend davon ausgegangen, dass eine Erweiterung der Lagerfläche des Betriebs der Klägerin baurechtlich nicht zu realisieren sei. Ausdrücklich hat es vielmehr ausgeführt, dass die Versagung der Erlaubnis auch unabhängig von der baurechtlichen Zulässigkeit des Lagerplatzes nicht unverhältnismäßig sei (Urteilsausfertigung Seite 13 oben).
17. Zu Recht wird im Urteil bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung maßgeblich darauf abgestellt, dass die Gesamtfläche des Betriebs der Klägerin inklusive des Baugrundstücks etwa 53.000 m² beträgt, während die durch das Denkmal insgesamt in Anspruch genommene Fläche mit ca. 2.000 m² und einer noch geringeren Fläche des Wasserreservoirs im Verhältnis hierzu gering ist. Ob das Vorhaben der Klägerin, künftig das Lager auf die Fläche des Denkmals zu erweitern, realisiert werden kann, brauchte deshalb nicht geklärt zu werden.
18. Darüber hinaus kann auch der Senat keine besondere Schutzwürdigkeit der Erweiterungsinteressen der Klägerin erkennen, da die Klägerin das Baugrundstück erworben hat, obwohl dem Voreigentümer zuletzt mit Bescheid vom 11.04.1996 die Erlaubnis zum Abbruch versagt worden war.
BayVGH, Beschluss, 11.01.2018, AZ: 1 ZB 16.1358, Publikationsart: BeckRS 2018, 487
vgl. BayVG München, Urteil vom 05.04.2016, Az.: 1 K 15.1167, BeckRS 2016, 48469
BayVGH - Beschluss v. 11.01.2018 - 1 ZB 16.1358 - anonym..pdf

1 Allgemeine Rechtsfragen
1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.2 Bedeutung
1.1.3 „aus vergangener Zeit“
1.1.4 Denkmalwürdigkeit
1.1.5 Veränderungsfolgen
1.1.7 Folgen für das Eigentum
1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
1.3 Bauplanungsrecht, Bauleitplanung, Bauordnungsrecht
2 Baudenkmalpflege
2.2 Abbruch
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
2.2.1.1 Grundsätze
2.2.4 Gewichtige Gründe des Denkmalschutzes
2.2.5 Sozialbindung, Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit, Darlegungslast
2.2.6 Gebundene Entscheidung (Prüfung, Ausgleichsleistungen, Ermessen, Abwägung)
2.5 Erhaltungs- und Sicherungspflichten
3 Bodendenkmalpflege
3.1 Unterschutzstellung
3.1.1 Umgrenzung, Ausdehnung, Begrenzung, Nachweis
3.2 Veränderungen, Zerstörungen, Pflichten
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1. Baudenkmäler, die nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG ohne Erlaubnis nicht beseitigt werden dürfen, sind bauliche Anlagen oder Teile davon aus vergangener Zeit (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG), deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt (Art. 1 Abs. 1
BayDSchG).
2. Eine „Bedeutung" in diesem Sinn erfordert zwar nicht, dass das Gebäude Hervorragendes oder Einzigartiges repräsentiert. Sie setzt jedoch voraus, dass das Gebäude in besonderer Weise geeignet ist, geschichtlich, künstlerisch, städtebaulich, wissenschaftlich oder volkskundlich Relevantes zu dokumentieren. 3. Es genügt also nicht, wenn das Gebäude - wie jedes alte Haus - eine Geschichte hat oder irgendeinen geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Aspekt aufweist.
4. Vorausgesetzt wird weiter, dass die Bedeutung - ggf. mit sachverständiger Hilfe - auch noch an der vorhandenen Substanz ablesbar und nicht nur gedanklich rekonstruierbar ist (vgl. BayVGH, Urteil v. 21.10.2004, Az.: 15 B 02.943, VGH n. F. 58, 17).
5. Dass die beiden streitgegenständlichen baulichen Anlagen im Zeitpunkt der Verfügung der Beklagten nicht in der Denkmalliste aufgeführt und sie im Bebauungsplan Nr. 206 vom 18. Februar 1998 nicht als Baudenkmäler, sondern als abzubrechende Gebäude dargestellt worden waren, ist ohne Bedeutung für die Bewertung der Denkmaleigenschaft. Zum einen werden Denkmäler [in Bayern - nur nachrichtlich in die Denkmalliste aufgenommen (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG), zum anderen ist der Bebauungsplan im Bereich des „Sondergebiets F.“ funktionslos geworden, weil die dort einst vorgesehene Erweiterung entgegen der ursprünglichen Annahme an ihrem bisherigen Standort erfolgen konnte.
6. Das zwischen 1906 und 1908 errichtete Gebäude ist baugeschichtlich von
besonderer Bedeutung. Seine Erhaltung liegt daher im Interesse der Allgemeinheit.
7. Es repräsentiert eine Anfang des 20. Jahrhunderts innovative Bauweise mit Eisenbeton, von der in Bayern nur noch wenige Exemplare erhalten sind. Das gleichmäßige Stützenraster des Eisenbetonskelettbaus verwendet ein um die Jahrhundertwende von Francois Hennebique entwickeltes, monolithisches Tragsystem, das aus Stützen, Unterzügen und Decken besteht. Lediglich das Dachgeschoss des Gebäudes ist wegen der geringeren Traglasten in herkömmlicher Holzkonstruktion erstellt.
8. Zahlreiche Veränderungen der Nutzer über ein Jahrhundert sowohl im Innern als auch durch Anbauten ändern nichts daran, dass das Eisenbetonskelett, das die baugeschichtliche Bedeutung des Gebäudes begründet, nahezu vollständig erhalten ist. Dadurch wurde das gleichmäßige Stützenraster im Wesentlichen unberührt gelassen. Die baugeschichtliche Bedeutung wird auch nicht dadurch gemindert, dass die ursprüngliche Rieseleinrichtung des Getreidelagers komplett entfernt worden ist.
9. Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Verwaltungsgerichts kann das Gebäude trotz des Alters des Betonskeletts und der vorhandenen Schäden auch in Zukunft erhalten werden. Nach der überzeugenden Darstellung des von der Beklagten beauftragten Ingenieurbüros stellt die auf dem Alterungsprozess von Beton beruhende Carbonatisierung die Erhaltungsfähigkeit des Betonskeletts nicht in Frage. Im Innern des Gebäudes kann die Korrosion jedoch vermieden werden, wenn die Luftfeuchtigkeit nicht über 65% ansteigt, was beim Körnermagazin durch die Sanierung des Daches und der äußeren Ausfachungen einschließlich der Fenster sichergestellt werden kann.
10. Soweit darauf hingewiesen wird, dass nach den Anlagen F und J der DIN EN 206-1 Beton eine Dauerhaftigkeit von lediglich 50 Jahren aufweise und deshalb die Tragfähigkeit und Gebrauchseigenschaft des Betonskeletts nicht mehr gewährleistet sei, verkennt man, dass die Norm nicht den Zeitraum beschreibt, in dem Beton erhalten werden kann, sondern nur eine Mindestdauer für nach diesen Vorschriften hergestellten Beton definiert, ohne dass in dieser Zeit statisch-konstruktive Maßnahmen erforderlich werden.
11. Da das Betonskelett in seiner Substanz nicht gefährdet ist, liegt der Erhalt des Baudenkmals aus baugeschichtlichen Gründen im Interesse der Allgemeinheit.
12. Auch die Geschützremise, das zweite zwecks Abbruch in Rede stehende Gebäude, ist wegen ihrer geschichtlichen und städtebaulichen Bedeutung ein Baudenkmal.
13. Der ziegelgemauerte, zweigeschossige Satteldachbau mit seinen Stichbogenfenstern und dem erhalten gebliebenen Tragwerksystem aus Holz gehört zu den in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts üblichen Backsteinbauten
der bayerischen Militärverwaltung.
14. Die Beseitigung der Auffahrtrampen zum Obergeschoss, die Schließung und Veränderung von Fenster- und Türöffnungen sowie der Einbau eines Treppenhauses beeinträchtigen zwar den historischen Bestand, können die Denkmaleigenschaft aber nicht in Frage stellen, weil die ursprüngliche Verwendung des Gebäudes zu militärischen Zwecken aufgrund seiner Bauweise und Lage im historischen Festungsbereich weiterhin erkennbar ist.
15. Dass es sich um einen schlichten Zweckbau handelt, ändert an der Denkmalqualität nichts, zumal die Geschützremise die letzte ihrer Art in Ingolstadt ist und dem Gebäude daher ein gewisser Seltenheitswert zukommt.
16. Darüber hinaus ist die Geschützremise auch aus städtebaulichen Gründen erhaltenswert. Die Remise schließt die östliche Einfahrt in die Altstadt nach dem Passieren des gut erhaltenen „Kavalier Heydeck“ ab und steht daher in prominenter Sichtbeziehung und funktionalem Zusammenhang mit dem aus
Verteidigungsbauwerken bestehenden äußeren Ring der Festungsanlage, wie sie
sich im ausgehenden 19. Jahrhundert dargestellt hat.
17. Da die Klägerin beabsichtigte, den gesamten, aus mehr als den beiden streitgegenständlichen Baudenkmälern bestehenden Gebäudekomplex abzubrechen, hat die Beklagte zu Recht in entsprechender Anwendung von Art. 4 Abs. 4 BayDSchG ein Veränderungsverbot für die beiden Baudenkmäler bis zur Klärung der Denkmaleigenschaft dieser Gebäude angeordnet.
18. Da aber von Beginn an klar war, dass dem hallenartigen Verbindungsbau zwischen den beiden Gebäuden und dem südlichen Anbau an die Geschützremise keine Denkmalqualität zukommen kann, deren Beseitigung vielmehr mit den Interessen des Denkmalschutzes vereinbar ist, war ein Veränderungsverbot für diese Gebäudeteile nicht erforderlich. Denn das erlassene Verbot aller die beiden Baudenkmäler beeinträchtigenden Maßnahmen stellte auch bei Abbruch der übrigen Gebäudeteile einen ausreichenden Schutz der beiden denkmalwürdigen Gebäude sicher.
BayVGH, Urteil, 16.07.2015, AZ: 1 B 11.2137, Publikationsart: BeckRS 2015, 51959
BayVGH - Urteil v. 16.07.2015 - 1 B 11.2137 - anonym..pdf

1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.2 Bedeutung
1.1.4 Denkmalwürdigkeit
1.1.5 Veränderungsfolgen
1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
1.2.3 Nebenbestimmungen, Nachträgliche Anordnungen
1.3.2 Bebauungsplan
2 Baudenkmalpflege
2.2 Abbruch
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
2.2.1.1 Grundsätze
2.2.4 Gewichtige Gründe des Denkmalschutzes
2.2.5 Sozialbindung, Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit, Darlegungslast
2.2.6 Gebundene Entscheidung (Prüfung, Ausgleichsleistungen, Ermessen, Abwägung)
2.3.1 Grundsätze
2.3.3 Um-, An- und Aufbauten, Nutzungsänderungen
2.5 Erhaltungs- und Sicherungspflichten
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1. Die Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes - insbesondere § 4 Abs. 2 DSchG HH und das in § 6 DSchG HH zum Ausdruck kommende sog. ipsa lege-Prinzip - sind verfassungsgemäß.
2. Eine auf die Feststellung, eine bestimmte bauliche Anlage sei kein Baudenkmal i. S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 DSchG HH, gerichtete Klage kann auf bestimmte denkmalrechtliche Schutzkategorien i. S. v. § 4 Abs. 2 Satz 1 DSchG HH beschränkt bzw. konkretisiert werden.
3. Der in § 6 Abs. 1 Satz 4 DSchG HH zum Ausdruck kommende Eintragungsvorbehalt bezieht sich nur auf die Schutzpflichten der Verfügungsberechtigten aus § 7 DSchG HH. Der Genehmigungsvorbehalt aus § 9 Abs. 1 Satz 1 DSchG HH gilt demgegenüber unabhängig von der Eintragung eines Denkmals in die Denkmalliste.
4. Von geschichtlicher Bedeutung i. S. v. § 4 Abs. 2 Satz 1 DSchG HH sind nicht nur Objekte, die in ihrer Bausubstanz und äußeren Gestalt im Urzustand bestehen geblieben sind. Spätere Zusätze und Änderungen lassen den Denkmalwert grundsätzlich nicht entfallen.
5. Die Unterschutzstellung eines Gebäudes als Baudenkmal umfasst das Gebäude regelmäßig in seiner Gesamtheit. Die nach § 4 Abs. 2 Satz 1 DSchG HH auch mögliche Beschränkung der Unterschutzstellung auf einen Teil einer Anlage setzt voraus, dass dieser gegenüber dem nicht schutzwürdigen Teil überhaupt einer selbstständigen Bewertung unter Gesichtspunkten des Denkmalschutzes zugänglich ist und in diesem Sinn als abtrennbarer Teil der Anlage erscheint.
OVG Hamburg, Urteil, 23.06.2016, AZ: 3 Bf 100/14, Publikationsart: BeckRS 2016, 49064
Abweichung von OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 21.04.2016, Az.: 2 B 24.12, http://www.w-goehner.de/rechtsprechungsuebersicht/direktlink.php?id=179

1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.2 Bedeutung
1.1.4 Denkmalwürdigkeit
1.1.5 Veränderungsfolgen
1.5.3 Beseitigung
1.5.3.1 Kunststoffenster im Baudenkmal
1.5.3.2 Kunststoffenster im Ensemble
1.5.3.3 Dachfenster / Dachgestaltung im Baudenkmal / Ensemble
1.5.3.4 Fassaden im Ensemble
1.5.4 Instandsetzung / Wiederherstellung
2 Baudenkmalpflege
2.1 Ensemble
2.1.2 Erscheinungsbild
2.3 Sonstige Veränderungen
2.3.3 Um-, An- und Aufbauten, Nutzungsänderungen
2.3.4 Fenster
2.3.5 Fassaden
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1. Die 1962 erbaute Corvinuskirche ist entgegen dem Urteil des VG Hannover vom 26.02.2013, Az.: 4 A 734/12, juris wegen ihrer insbesondere kirchengeschichtliche Bedeutung unverändert Baudenkmal.
2. Der Bau habe zwar keine Epoche begründende oder beendende Wirkung, stelle aber einen "Stein gewordenen Ausdruck" eines wichtigen Zwischenschrittes der Kirchenbauentwicklung dieser Epoche dar.
3. Das äußere sich etwa im zeltartigen Dach, dem separat stehenden Glockenturm, dem fünfeckigen Zentralbau oder der Wahl bewusst schlicht gehaltener Materialien, teils in Anlehnung an Industriebauten.
4. Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen.
OVG Niedersachsen, Urteil, 04.12.2014, AZ: 1 LC 106/13, Publikationsart:

1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.2 Bedeutung
1.1.3 „aus vergangener Zeit“
1.1.4 Denkmalwürdigkeit
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1. Mit der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann in Niedersachsen die Feststellung des Nichtvorliegens der Denkmaleigenschaft jedenfalls dann begehrt werden, wenn ein Baudenkmal bis zum 30.09.2011 in das Verzeichnis der Kulturdenkmale eingetragen worden ist.
2. Bei der Frage, ob ein Baudenkmal vorliegt, kommt den Denkmalschutzbehörden kein Beurteilungsspielraum zu. Die Frage ist vielmehr gerichtlich voll nachprüfbar, wobei in erster Linie das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege dem Gericht den notwendigen Sachverstand vermittelt (im Anschluss an Senat, Urt. v. 26.03.1999, Az.: 1 L 1302/97, juris Rn. 35; Urt. v. 03.05.2006, Az.: 1 LB 16/05, juris Rn. 22 / BauR 2006, 1730 / BRS 70 Nr. 201).
3. Auch ein nach einem Brand teilweise rekonstruiertes Gebäude kann weiterhin ein Baudenkmal gemäß § 3 Abs. 2 NDSchG darstellen; das gilt auch, wenn die Rekonstruktion als solche offensichtlich ist.
4. Eine Gartenanlage kann mit einem Baudenkmal auch dann eine Einheit gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 NDSchG bilden, wenn sie sich aufgrund mangelnder Pflegemaßnahmen in einem schlechten Erhaltungszustand befindet. Maßgeblich ist, ob sie im Auge eines sachkundigen Betrachters weiterhin als Gartenanlage erkennbar ist und die Aussagekraft des Baudenkmals steigert.
OVG Niedersachsen, Urteil, 15.07.2014, AZ: 1 LB 133/13, Publikationsart: http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=MWRE140001983&st=null&showdoccase=1

1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.5 Veränderungsfolgen
2 Baudenkmalpflege
2.3 Sonstige Veränderungen
2.3.1 Grundsätze
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Eine Verpflichtungsklage, mit der die Löschung einer Eintragung aus der Denkmalliste nach § 3 Abs. 4 DSchG NRW verfolgt wird, ist unzulässig, wenn nicht zuvor ein entsprechender Löschungsantrag bei der Unteren Denkmalbehörde gestellt worden ist.
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil, 13.09.2013, AZ: 10 A 1484/12, Publikationsart: BauR 2014, 681-683 / BRS 81 Nr 221 (2013) / DÖV 2014, 356 / BauR 2014, 1519 / EzD 2.2.6.1 Nr. 54 (mit Anm. W. Eberl) / juris

1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
2.2 Abbruch
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
2.2.1.1 Grundsätze
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1. Zur Substanz eines Denkmals rechnen aus dessen Umgebung die Flächen, die durch gestalterische Elemente einbezogen sind und dadurch an der spezifischen Aussage des Denkmals in geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Hinsicht teilhaben.
2. Nicht dagegen gehören zur Substanz eines Denkmals die Flächen seiner Umgebung, deren Bedeutung für das Denkmal lediglich darin besteht, daß sie von einer Bebauung oder sonstigen Veränderung freibleiben, um das Erscheinungsbild des Denkmals nicht zu beeinträchtigen.
OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil, 10.11.1985, AZ: 9 G 47/81, Publikationsart: FHOeffR 38 Nr. 9013 / AgrarR 1986, 182 / RzF 87, § 45 I, 40. ErgLfg., Stand: Dez. 1986, S. 91

1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.2 Bedeutung
2.4 Veränderungen in der Umgebung
2.4.1.4 Umgebender Park, Garten, etc.
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1. Eine Schlackenhalde ist kein Denkmal im rechtlichen Sinne.
2. Bei einer Schlackenhalde handelt es sich nicht um eine bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 BauO NRW. Danach sind bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Allerdings ist wegen der unterschiedlichen Zielsetzung der Bauordnung und des Denkmalschutzgesetzes NRW der Begriff gegebenenfalls eigenständig und in Randbereichen abweichend von dem bauordnungsrechtlichen Begriff zu definieren. ist nicht aus Bauprodukten hergestellt. Die Herstellung aus Bauprodukten bedingt eine Bautätigkeit des Menschen; die bauliche Anlage muss von Menschen geschaffen sein. Baustoffe sind dabei natürliche oder künstliche Stoffe, die zur Herstellung von Bauteilen dienen, wie zum Beispiel Natursteine, Naturschiefer, Ziegel, Holz, Kies, Sand, Zement, Glas, Kunststoff, Metall. Sie kommen in natürlicher oder künstlicher Form, ungeformt oder geformt vor und können in Verbindung miteinander zu weiteren Baustoffen führen.
3. Danach ist die Schlackenhalde nicht "aus Bauprodukten hergestellt" im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW. § 2 Abs. 9 Nr. 1 BauO NRW verlangt für diesen Begriff, dass mit ihm eine bestimmte Zweckbestimmung einhergeht: Das Bauprodukt wird in der Absicht "hergestellt", es dauerhaft in bauliche Anlagen einzubauen. Ein Material gleich welcher Art, das grundsätzlich geeignet ist, bei der Errichtung baulicher Anlagen Verwendung zu finden, ist nicht allein wegen dieser Eignung schon "Bauprodukt" im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW. Es erhält diese Qualität erst dadurch, dass es zum Zwecke der Verwendung in baulichen Anlagen entweder hergestellt oder in irgendeiner Weise bearbeitet wird. Danach ist das Schlackengranulat in der vorliegenden Form, nämlich aufgeschüttet zu der streitgegenständlichen Halde, kein Bauprodukt. Vielmehr handelt es sich um ein reines Nebenprodukt, das bei der Stahlerzeugung in den Hochöfen der C. Hütte anfiel.  4. Auch ausgehend von einem über § 2 Abs. 1 BauO NRW hinausgehenden Begriff der baulichen Anlage und des Baudenkmals erfüllt die Schlackenhalde der C. Hütte die Merkmale des Baudenkmals nicht.
5. Es handelt sich bei der Schlackenhalde insbesondere auch nicht um einen von Menschen gestalteten Landschaftsteil im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 DSchG NRW, der wie eine bauliche Anlage zu behandeln ist, wenn er die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 DSchG NRW erfüllt.
VG Arnsberg, Urteil, 07.04.2014, AZ: 8 K 3545/12, Publikationsart: EzD 2.2.1 Nr. 28 (mit zutreffender ablehnender Anm. G.-U. Kapteina)/ juris

1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
3 Bodendenkmalpflege
3.1 Unterschutzstellung
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1. Die im kommunalen Innenrecht bestehenden Mitwirkungsbefugnisse in Rat und Ausschüssen begründen kein subjektiv-öffentliches Recht, welches Ratsfraktionen im Außenverhältnis gegenüber der Gemeinde als juristischer Person des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 2 GO NRW) und gegenüber dem Betreiber des Geländes begründen könnten.
2. Auch Ratsfraktionen kommt im denkmalschutzrechtlichen Erkenntnis- und Eintragungsverfahren kein subjektiv-öffentliches Recht zu.
3. Auch bestehen keine subjektiv-öffentlich-rechtlichen Rechte der Ratsfraktionen nach Art einer baurechtlichen Nachbarklage gegen die dem Betreiber des Geländes von der Gemeinde erteilte Abbruchgenehmigung.
VG Düsseldorf, Beschluss, 20.03.2014, AZ: 25 L 656/14, Publikationsart: EzD 2.1.3 Nr. 12 (mit Anm. G.-U. Kapteina)

1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.2 Zuständigkeiten, Verfahrensfragen
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1. Auf Antrag der Kirchengemeinde nach § 4 Abs. 5 NDSchG, die nach dem 30. September 2011 erfolgte Eintragung des Kirchengebäudes nebst Glockenturm (Nachkriegskirchenbau er 1950/60 er Jahre) in das Verzeichnis der Baudenkmäler zu überprüfen, bedarf der Feststellung der Eigenschaft als Baudenkmal an Hand von § 3 Abs. 2 NDschG.
2. Dabei steht der mit besonderem Sachverstand ausgestatteten staatlichen Denkmalfachbehörde bei der Feststellung der Denkmaleigenschaft nach § 4 Abs. 5 NDSchG ein Beurteilungsspielraum zu, da § 4 Abs. 5 NDSchG der außerhalb des Systems der staatlichen Denkmalschutzbehörden stehenden Fachbehörde eine eigenständige Kompetenz zum Erlass feststellender Verwaltungsakte zugewiesen hat. § 4 Abs. 5 NDSchG vermittelt eine sog. Beurteilungsermächtigung, da der zu treffenden Entscheidung in hohem Maße wertende Elemente anhaften und das Gesetz für sie deshalb ein besonderes Verwaltungsorgan, hier die Denkmalfachbehörde, für zuständig erklärt, das weisungsfrei, mit besonderer fachlicher Legitimation und in einem besonderen Verfahren entscheidet.
3. Ob einem Bauwerk Denkmalqualität zukommt, ist nach dem Urteil eines sachverständigen Betrachters zu entscheiden, dessen Maßstab von einem breiten Kreis von Sachverständigen getragen wird (so OVG Niedersachsen, Urteil vom 23.08.2012, Az.: 12 LB 170/11, juris m. w. N. hins. der st. Rspr). Eine fachgerechte Einschätzung kann nur mit Blick auf die historischen und baugeschichtlichen Hintergründe des zu schützenden Baudenkmals in seiner Epoche fundiert abgegeben werden. Über den Begriff des „öffentlichen Interesses“ fordert sie aber auch die Berücksichtigung gegenläufiger Interessen, wie etwa die Erhaltungspflicht des Eigentümers, die optimale Nutzung der nur begrenzt vermehrbaren bebaubaren Fläche oder der nur begrenzt zur Verfügung stehenden öffentlichen Gelder für den Denkmalschutz (vgl. hierzu Wiechert in Schmalz/Wiechert, NDSchG, 2. Aufl. 2011, § 3 Rn 37). Sie erfordert daher neben hoher Sachkunde einen über den Einzelfall hinausreichenden Überblick und die Fähigkeit, unterschiedliche denkmalwürdige Bauwerke ihrer Wertigkeit entsprechend einzuordnen. Da dem Beklagten nach § 21 Abs. 1 NDSchG die Erfassung, Erforschung und Dokumentation aller Kulturdenkmale in Niedersachsen obliegt und er die wissenschaftlichen Grundlagen für die Denkmalpflege zu schaffen hat, verfügt er über das erforderliche Fachwissen und langjährige Erfahrung. Er vermittelt in Niedersachsen in erster Linie das für die denkmalrechtliche Bewertung eines Bauwerkes erforderliche Fachwissen (so st. Rspr. des OVG Niedersachsen, Urteil vom 26.11.1992, Az.: 6 L 24/90, juris m. w. N.).
4. Der Beklagte als Fachbehörde steht dem Gericht in Streitigkeiten nach § 4 Abs. 5 NDSchG in der Funktion als „Sachverständiger“ nicht zur Verfügung, da er selbst als handelnde Behörde am Verfahren beteiligt ist. Der streitgegenständliche feststellende Verwaltungsakt verkörpert hier seine in den sonstigen Streitfällen als Fachbehörde abgegebene gutachterliche Stellungnahme zur Denkmaleigenschaft eines Bauwerkes. Es ist daher sachgerecht, der Denkmalfachbehörde für die in eigener Kompetenz getroffene Feststellung der Denkmaleigenschaft eines Bauwerkes einen Beurteilungsspielraum einzuräumen.
5. Dennoch hält die Entscheidung der Denkmalfachbehörde der nach § 114 VwGO nur eingeschränkten Nachprüfung nicht Stand. Hinsichtlich der angenommenen besonderen bau- und kunstgeschichtlichen Bedeutung der streitgegenständlichen Kirche hat der Beklagte den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt. Den Gesetzesbegriff „städtebauliche Bedeutung“ hat der Beklagte verkannt. Der Frage, ob der Kirche eine wissenschaftliche Bedeutung außerhalb der Disziplinen Bau- und Kunstgeschichte zukommt, die ein öffentliches Interesse an ihrem Erhalt begründen könnte, muss die Kammer nicht nachgehen. Denn auf diesen Aspekt hat der Beklagte seine Entscheidung über die Denkmaleigenschaft der Kirche weder in der angefochtenen Entscheidung noch in der mündlichen Verhandlung gestützt.
6. Einem Bauwerk kommt kunstgeschichtliche Bedeutung zu, wenn es ein charakteristischer Vertreter einer historischen Kunstgattung oder Stilepoche ist und als solcher die Entwicklung der Baukunst ablesbar macht. Für die Kunst ist es bedeutsam, wenn es das ästhetische Empfinden in besonderem Maße anspricht oder mindestens den Eindruck vermittelt, dass etwas nicht Alltägliches oder eine Anlage mit Symbolgehalt geschaffen worden ist (so BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1960, Az.: VII C 205.59, juris).
. 7Das Bauwerk setzt ein künstlerisches Konzept gelungen um und ist daher um seiner selbst willen - also auch als Gemeinschaftsproduktion mehrerer Architekten - bedeutsam. Eine bau- und kunstgeschichtliche Bedeutung ist der Krche insoweit nicht abzusprechen; sie ist in diesem Sinne durchaus denkmalfähig.
8. Allerdings beruht die Annahme der Denkmalfachbehörde, am Erhalt der Kirche bestehe deshalb ein besonderes öffentliches Interesse, jedoch auf einer unzureichenden Tatsachenaufklärung, weil eine Inventarisierung und wissenschaftliche Erforschung der Vielzahl noch existierender Nachkriegskirchenbauten noch nicht ansatzweise vorliegt.
9. Das Merkmal des öffentlichen Interesses erfüllt in Bezug auf die weitgefassten Voraussetzungen der Denkmalfähigkeit eine Korrektivfunktion und dient der Ausgrenzung denkmalpflegerisch unbedeutender, nur aufgrund individueller Vorlieben für denkmalwürdig gehaltener Objekte. Es bedarf deshalb in Bezug auf das konkrete Schutzobjekt einer Bewertung des Ranges seiner denkmalpflegerischen Bedeutung.
10. Naturgemäß kommt in diesem Zusammenhang dem "Seltenheitswert" eines Bauwerkes besondere Bedeutung zu. Er kann es rechtfertigen, aus einer Vielzahl vergleichbarer Objekte bestimmte Schutzobjekte als erhaltungswürdig herauszuheben (so OVG Niedersachsen, Urteil vom 26. März 1999, Az.: 1 L 1302/97, juris).
11. Kirchenbauten der 50/60er Jahre sind nicht selten; allein in Hannover gibt es an die 30 Bauwerke dieser Epoche, landesweit um ein Vielfaches mehr. All diese Kirchen setzen die oben genannten Gestaltungsmerkmale ihrer Stilepoche mehr oder weniger gelungen um und selbst die Denkmalfachbehörde geht davon aus, dass nicht jede dieser Kirchen erhaltenswert ist.
12. Um ein öffentliches Interesse am Erhalt gerade der streitgegenständlichen Kirche begründen zu können, müsste die Denkmalfachbehörde also eine hochrangige denkmalpflegerische Bedeutung dieser Kirche feststellen können, die sie aus der Vielzahl der Kirchenbauten dieser Epoche heraushebt. Dies ist aber ohne eine denkmalfachliche Inventarisierung und Bewertung zumindest eines überwiegenden Anteils der übrigen vorhandenen 50/60er Jahre Kirchen vernünftigerweise nicht möglich.
13. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Kirchenbauten dieser Stilepoche steht erst ganz am Anfang. Erst acht Bauwerke aus dieser Zeit sind landesweit in das Verzeichnis der Baudenkmale eingetragen, es existiert eine - unvollständige - Vorschlagsliste der Architektenkammer und die Denkmalfachbehörde gesteht zu, dass angesichts der Vielzahl der Bauten eine weitere Erfassung und Unterschutzstellung als wichtige denkmalfachliche Aufgabe für die nächsten Jahre anstehe. Damit fehlt jedoch die Basis, auf der der Rang der denkmalpflegerischen Bedeutung der streitgegenständlichen Kirche beurteilt werden kann (vgl. dazu OVG Niedersachsen, Urteil vom 14. Oktober 1982, Az.: 6 A 123/80, BRS 39, Nr. 135).
14. Ein „absolutes“ Alleinstellungsmerkmal, das die besondere Bedeutung der streitgegenständlichen Kirche auch ohne eine vergleichende Untersuchung begründen könnte, liegt nicht vor. Die Gestaltung der Kirche ist nicht in dem Sinne beispielgebend, dass sie stilbildend auf ihre Epoche eingewirkt hätte. Die Kirche nimmt vielmehr Gestaltungselemente anderer wegweisender Kirchen auf, etwa die der von Oesterlen geschaffenen St. Martinskirche in Linden. Ihr Erbauer ist architekturgeschichtlich auch nicht so bedeutsam, dass die Corvinuskirche allein aus diesem Grund wie etwa das Erstlingswerk eines überragenden Architekten eine Sonderstellung einnehmen könnte. Eine derartige Sonderstellung erwächst der Kirche auch nicht aus dem Umstand, dass der Beklagte auf Anregung der Tochter des Architekten mit der Eintragung der Kirche auf die Veräußerungswünsche der Klägerin und damit einhergehende Veränderungs- bzw. Abrisspläne reagiert hat.
15. Die Denkmalfachbehörde möchte die bauliche Substanz zunächst sichern, um die Kirche später in einem Gesamtzusammenhang mit den anderen Kirchengebäuden der Epoche bewerten zu können. Es wäre aber ein Zirkelschluss anzunehmen, allein der Wunsch, die bauliche Substanz für die wissenschaftliche Bewertung einer etwa gegebenen Sonderstellung der Kirche zu erhalten, könne diese Sonderstellung bereits ausmachen. Zu einem derartigen Zweck bietet z. B. das von einer konstitutiven Wirkung der Eintragung in die Denkmalliste ausgehende Denkmalschutzgesetz Baden-Württemberg den vorläufigen Schutz nach § 17. Danach kann die höhere Denkmalschutzbehörde anordnen, dass Sachen, Sachgesamtheiten oder Teile von Sachen, mit deren Eintragung als Kulturdenkmal in das Denkmalbuch zu rechnen ist, vorläufig als eingetragen gelten. Die Anordnung tritt außer Kraft, wenn die Eintragung nicht binnen eines Monats eingeleitet und spätestens nach sechs Monaten bewirkt wird. Eine derartige Möglichkeit, ein in Frage kommendes Baudenkmal zunächst für eine eingehende Bewertung zu sichern, bietet das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz jedoch nicht. Es dürfte im Regelfall auch nicht erforderlich sein, weil der Eintragung eines Bauwerkes in die Denkmalliste nur deklaratorische Bedeutung zukommt, § 5 Abs. 1 Satz 1 NDSchG.
16. Entgegen der Auffassung des Beklagten besteht am Erhalt der streitgegenständlichen Kirche wegen städtebaulicher Bedeutung jedenfalls kein besonderes öffentliches Interesse. Den Begriff „städtebauliche Bedeutung“ im Sinne des § 3 Abs. 2 NDSchG hat der Beklagte verkannt. Städtebauliche Bedeutung kommt einer Anlage zu, wenn sie durch ihre Anordnung oder Lage in der Örtlichkeit, durch ihre Gestaltung für sich allein oder zusammen mit anderen Anlagen den historischen Entwicklungsprozess einer Stadt oder Siedlung in nicht unerheblicher Weise bestimmt (BayVGH, Beschluss vom 4. September 2012, Az.: 2 ZB 11.587, juris), das Gebäude mithin zu einer stadtgeschichtlichen oder stadtentwicklungsgeschichtlichen Unverwechselbarkeit führt (so OVG Thüringen, Urteil vom 30. Oktober 2003, Az.: 1 KO 433/00, juris m. w. N. hinsichtl. der Rspr. des OVG Sachsen und des OVG Berlin-Brandenburg). Der Verweis des Beklagten darauf, dass die Kirche durch ihre exponierte Stellung auf einem Eckgrundstück, ihre Gestaltung als Solitärbau und ihrem hohen freistehenden Glockenturm einen städtebaulichen Akzent setzt, reicht insoweit nicht aus.
VG Hannover, Urteil, 26.02.2013, AZ: 4 A 734/12, Publikationsart: juris
1) Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, 2) Das erstinstanzliche Urteil wurde wegen der geschichtlichen Bedeutung der 1962 erbauten Kirche aufgehoben (OVG Niedersachsen, Urteil vom 04.12.2014, Az.: 1 LC 106/13).

1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.2 Bedeutung
1.1.3 „aus vergangener Zeit“
1.1.4 Denkmalwürdigkeit
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1. Die Regelung des § 4 Abs. 3 DSchG RP begründet kein subjektivöffentliches Recht auf Ausweisung von Kulturdenkmälern. Das Denkmalschutzgesetz dient allein Allgemeininteressen.
2. Auch aus dem Landesvermessungsgesetz RP ergibt sich kein entsprechender Anspruch. Es handelt sich bei der Vorschrift zur Datenübermittlung nach § 13 LVermG RP lediglich um eine Befugnisnorm.
3. Ein Recht auf Ausweisung sämtlicher unbeweglicher Kulturdenkmäler in den Geobasisinformationen des amtlichen Vermessungswesens des Beklagten ergibt sich auch nicht aus dem Recht zur Einsicht in die Denkmalliste (§ 10 Abs. 3 DSchG RP). Es handelt sich lediglich um ein Einsichtsrecht in die vorhandenen Denkmallisten; nicht auf deren Vollständigkeit.
4. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem Landesgeodateninfrastrukturgesetz RP. Das LGDIG RP gilt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 und 3 LGDIG RP in Einklang mit Art. 4 Abs. 1 lit b) und c) der EU-Inspire-Richtlinie ("Richtlinie 2007/2/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2007 zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft"; vgl. zur nationalen Umsetzung in Deutschland auch http://www.geodaten.niedersachsen.de/download/26328/Die_INSPIRE-Richtlinie_-_Aufbau_einer_europaeischen_GDI.pdf) nur für solche Daten, die bei der Geodaten verarbeitenden Stelle in elektronischer Form vorhanden oder für diese bereitgehalten werden. Eine Verpflichtung der Behörden zur Sammlung oder Digitalisierung von Geodaten besteht danach also nicht.
5. Auch hinsichtlich vorhandener Daten liegt aber kein subjektiv-öffentliches Recht vor. Das LGDIG RP räumt keinen Anspruch ein. Ein Recht auf Zugang wird nicht gewährleistet. Ziel der EU-Inspire-Richtlinie ist der Erlass allgemeiner Bestimmungen für die Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft für die Zwecke der gemeinschaftlichen Umweltpolitik sowie anderer politischer Maßnahmen oder sonstiger Tätigkeiten, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können. Es wird durch diese kein Individualanspruch normiert. Der Erfolg der Geodateninfrastruktur liegt im Allgemeininteresse.
6. Das Landestransparenzgesetz RP greift ebenfalls nicht, da noch Ãœbergangsfristen gelten.
7. Der Zugang zu den Geodaten kann in Rheinland-Pfalz beschränkt werden. Dies ergibt sich aus dem LVermG RP; § 12 Abs. 2 Nr. 7 LGDIG RP („… dürfen übermittelt werden …“) sieht eine solche Zugangsbeschränkung aus Gründen des Denkmalschutzes vor.
VG Mainz, Urteil, 11.05.2016, AZ: 3 K 625.15.MZ, Publikationsart:
Kommentierung durch Dr. Bianca Petzhold, Justiziarin des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland, NRW

1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.6 Eintragungsadressaten
1.1.7 Folgen für das Eigentum
1.4.1 Auskunftspflicht