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1.2.7 Aufgabenzuweisung

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1. Nach Art. 55 I 2 BayVfGHG gehört zu den prozessualen Voraussetzungen einer Popularklage, dass der Antragsteller darlegt, inwiefern durch die angegriffene Rechtsvorschrift ein in der Verfassung gewährleistetes Grundrecht verfassungswidrig eingeschränkt wird.
2. Die Popularklage ist unzulässig, wenn die geltend gemachte Verletzung einer Grundrechtsnorm nach Sachlage von vornherein nicht möglich ist, weil der Schutzbereich des angeblich verletzten Grundrechts durch die angefochtene Rechtsvorschrift nicht berührt wird.
3. Eine ausreichende Grundrechtsrüge liegt nicht schon dann vor, wenn ein Antragsteller lediglich behauptet, dass die angegriffene Rechtsvorschrift nach seiner Auffassung gegen Grundrechtsnormen der Bayerischen Verfassung verstößt.
4. Der Verfassungsgerichtshof muss anhand von substanziiert bezeichneten Tatsachen und Vorgängen beurteilen können, ob der Schutzbereich der Grundrechtsnorm berührt ist.
5. Die zur Überprüfung gestellten Tatsachen und Vorgänge müssen dies zumindest als möglich erscheinen lassen.
6. Auf die tatsächlichen Gegebenheiten abstellende Darlegungen des Antragstellers sind besonders bei solchen Normen von Bedeutung, die keine abstrakt-generellen Rechtsvorschriften im klassischen Sinn sind, sondern konkret-individuelle Elemente enthalten, wie dies bei einem Bebauungsplan der Fall ist (vgl. VerfGH vom 21.02.1986, VerfGH 39, 17/21 f.; VerfGH vom 31.5.2006, VerfGH 59, 109/114; VerfGH vom 14.2.2008, VerfGH 61, 36/42 f.; VerfGH vom 13.8.2008, VerfGH 61, 205/209 f.; VerfGH vom 29.2.2012; VerfGH vom 4.5.2012).
7. Ob ein Bebauungsplan erforderlich ist, beurteilt sich nach § 1 III 1 BauGB. Nach dieser Vorschrift haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist.
8. Was im Sinn des § 1 III 1 BauGB erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Welche städtebaulichen Ziele sich eine Gemeinde hierbei setzt, liegt grundsätzlich in ihrem planerischen Ermessen.
9. Das Gesetz ermächtigt die Gemeinde zu einer Städtebaupolitik, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. Dazu gehört auch die Entscheidung, ob und in welchem Umfang sie im Gemeindegebiet Gemeinbedarfseinrichtungen (§ 9 I Nr. 5 BauGB) unterbringt.
10. Die Gemeinde braucht nicht einmal zwingend öffentliche Interessen zu verfolgen. Es muss sich lediglich um Belange handeln, die eine Bauleitplanung rechtfertigen können. Hierzu gehören vor allem die in § 1 VI BauGB aufgeführten öffentlichen (städtebaulichen) Belange.
11. Nicht erforderlich sind Bauleitpläne, wenn sie einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind (vgl. BVerwG vom 11.05.1999, BayVBl 2000, 23; BVerwG vom 06.06.2002, BVerwGE 116, 296/303; BVerwG vom 18.10.2006, BauR 2007, 331; BVerwG vom 26.03.2009, BVerwGE 133, 310/314; BVerwG vom 30.12.2009, ZfBR 2010, 272).
12. Gemeindliche Willkür i. S. v. Art. 118 I BV bei der Auslegung und Anwendung des § 1 III 1 BauGB setzen voraus, dass die städtebaulichen Erwägungen und Ziele der Gemeinde unhaltbar oder klar sachfremd und deshalb nicht mehr vertretbar wären.
13. Den Erwägungen der Gemeinde liegt eine städtebaulich vertretbare Planungskonzeption zugrunde. Die Entscheidung für eine bestimmte Planung und das Verwerfen einer anderen gehört wesensmäßig zur Ausübung planerischen Ermessens der Gemeinde (vgl. BVerwG vom 14.02.1975, BVerwGE 48, 56/60 ff.; BVerwG, BayVBl 2000, 23).
14. Gegen das Abwägungsgebot des § 1 VII BauGB wird nicht verstoßen, wenn aufgrund einer vertretbaren Bewertung der berührten öffentlichen und privaten Belange des § 1 VI BauGB im Fall der Kollision einzelner Belange bestimmte bevorzugt und andere zurückgesetzt werden. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten Belange gehört vielmehr zum Wesen der planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde (vgl. BVerwG vom 14.02.1975, BVerwGE 48, 56/64; BVerwG vom 07.07.1978, BVerwGE 56, 110/116).
15. Das in Art. 3 II BV enthaltene Nachhaltigkeitsprinzip, wonach der Staat die natürlichen Lebensgrundlagen und die kulturelle Überlieferung schützt, führt zu einer Schutzpflicht des Staates (vgl. VerfGH vom 27.09.1995, VerfGH 48, 119/125; VerfGH vom 15.07.2002, VerfGH 55, 98/119; VerfGH vom 31.05.2006, 59, 109/ 115).
BayVerfGH, Entscheidung, 23.08.2012, AZ: Vf. 4-VII-12, Publikationsart: BayVBl 2013, 17-19 / http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal/page/bsbayprod.psml?doc.id=KVRE000651215&st=ent&showdoccase=1¶mfromHL=true

1.1.7 Folgen für das Eigentum
1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
1.2.7 Aufgabenzuweisung
1.3 Bauplanungsrecht, Bauleitplanung, Bauordnungsrecht
1.3.1 Flächennutzungsplan
1.3.2 Bebauungsplan
1.3.4 Abwägung (Anforderungen & Rechtsfolgen von Fehlern)
1.3.5 Erschließung im Außenbereich
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1. Der BayVerfGH prüft im Popularklageverfahren mögliche Verstöße gegen Bundesrecht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des in Art. 3 I 1 BV verankerten Rechtsstaatsprinzips, dies jedoch nicht umfassend, sondern nur daraufhin, ob der Normgeber des bayerischen Landesrechts offensichtlich den Bereich der Rechtsordnung des Bundes verlassen und Landesrecht eindeutig ohne Rechtsetzungsbefugnis geschaffen hat.
2. Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip ist außerdem erst dann zu bejahen, wenn der Widerspruch des bayerischen Landesrechts zum Bundesrecht nicht nur offensichtlich zutage tritt, sondern auch inhaltlich nach seinem Gewicht als schwerwiegender, krasser Eingriff in die Rechtsordnung zu werten ist (st. Rspr.; vgl. BayVerfGH, BayVBl 2011, 433 f. m. w. N.).
3. Insoweit ergeben sich Überschneidungen mit der vom Antragsteller in den Mittelpunkt gerückten Verletzung des Gleichheitssatzes in der Form des Willkürverbots (Art. 118 I BV). Der Gleichheitssatz verbietet Willkür. Er lässt Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sind. Dabei bleibt es dem Ermessen des Normgebers überlassen zu bestimmen, in welcher Weise dem Gedanken der Angemessenheit, Billigkeit und Zweckmäßigkeit Rechnung zu tragen ist. Nur wenn die äußersten Grenzen dieses Ermessens überschritten sind, wenn für die getroffene Regelung jeder sachliche Grund fehlt, ist der Gleichheitssatz verletzt. Der planerische Gestaltungsspielraum der Gemeinde bei der Aufstellung von Bauleitplänen ist dementsprechend weit.
4. Das Abwägungsgebot in § 1 VII BauGB verlangt, dass bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen werden. Neben den allein bundesrechtlich geregelten Vorgaben müssen auch Belange berücksichtigt werden, die im Landesrecht ausgestaltet sind (VerfGH vom 21.02.1986, BayVerfGH 39, 17/26 ff.; VerfGH vom 31.05.2006, VerfGH 59, 109/115).
5. Der landesrechtliche Normgeber, der aufgrund einer bundesrechtlichen Ermächtigung tätig wird, hat jedenfalls dort, wo ihm ein bundesrechtlicher Gestaltungsspielraum eingeräumt ist, auch die ihn bindende Bayerische Verfassung zu beachten. Gibt das Bundesrecht wie in § 1 VII BauGB dem landesrechtlichen Normgeber nur einen Rahmen, innerhalb dessen er verschiedene Lösungen wählen kann, ist das Landesverfassungsrecht innerhalb dieses Gestaltungsspielraums nicht verdrängt (st. Rspr.; vgl. VerfGH vom 10.02.1983, VerfGH 36, 1/7; VerfGH, BayVBl 2011, 433/434).
6. Das rechtsstaatlich fundierte Gebot gerechter Abwägung wird verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (VerfGH vom 22.07.2008, BayVerfGH 61, 172/181; BVerwG vom 05.07.1974, BVerwGE 45, 309/314 f.).
7. Art. 141 I 4 BV bestimmt in den Grundzügen die wichtigsten Aufgaben, die sich aufgrund der Staatsfundamentalnorm des Art. 3 II BV im Hinblick auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen stellen (Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 4. Aufl. 1992, RdNr. 1 a zu Art. 141). Beide Normen sind keine bloßen Programmsätze, sondern enthalten bindendes objektives Verfassungsrecht, an dem die Handlungen und Unterlassungen von Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts zu messen sind (VerfGH vom 23.08.1985, BayVerfGH 38, 112/116; BayVerfGH vom 17.03.2011).
8. Nach der Rechtsprechung des BayVerfGH kann ein Bebauungsplan gegen das Willkürverbot des Art. 118 I BV verstoßen, wenn eine Gemeinde bei der Abwägung nach § 1 VII BauGB die sich aus Art. 141 I 4 BV ergebenden Verpflichtungen, den Boden als natürliche Lebensgrundlage zu schützen sowie kennzeichnende Orts- und Landschaftsbilder zu schonen und zu erhalten, in krasser Weise verkennt.
9. Dies ist etwa der Fall, wenn wesensfremde Bebauung in hochwertiger landschaftlicher Umgebung und in exponierter Lage zugelassen wird, ohne dass gewichtige Gründe diese Planung rechtfertigen (siehe BayVerfGH 59, 109/116). Solche krassen Fehleinschätzungen und Gewichtungen weist die gegenständliche Planung ersichtlich nicht auf, und zwar weder bezogen auf das in den Mittelpunkt gestellte Schutzgut des Orts- und Landschaftsbildes noch im Hinblick auf die von der Stadt als Eingriffsrechtfertigung vorgebrachten Gründe.
BayVerfGH, Entscheidung, 29.03.2012, AZ: Vf. 5-VII-11, Publikationsart: BayVBl 2013, 14-17 / http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal/page/bsbayprod.psml?doc.id=JURE120007008&st=ent&showdoccase=1¶mfromHL=true

1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
1.2.7 Aufgabenzuweisung
1.3.2 Bebauungsplan
1.3.4 Abwägung (Anforderungen & Rechtsfolgen von Fehlern)
1.3.5 Erschließung im Außenbereich
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1. Ein Bebauungsplan, der von einer Gemeinde als Satzung beschlossen ist, kann sowohl insgesamt als auch hinsichtlich einzelner Festsetzungen Gegenstand einer Popularklage gemäß Art. 98 Satz 4 BV, Art. 55 I Satz 1 VfGHG sein.
2. Die Erhebung der Popularklage ist an keine Frist gebunden.
3. Die Antragsbefugnis für eine Popularklage kann aber durch Verwirkung erlöschen. Dies insbesondere bei Rechtsvorschriften, die sich im Wesentlichen in einer konkreten und individuellen Planung erschöpfen.
4. Eine prozessuale Verwirkung, die regelmäßig einen längeren Zeitraum voraussetzt, müsste auf einer unredlichen, Treu und Glauben zuwiderlaufenden Verzögerung der Klageerhebung beruhen. Dies wäre u. a. dann gegeben, wenn Grundstückseigentümer, die ein Recht aus dem angegriffenen Bebauungsplan ableiten, mit einer Klageerhebung schlechterdings nicht mehr zu rechnen brauchten.
5. Eine substantiierte Grundrechtsrüge liegt dann vor, wenn ein Antragsteller anhand von substantiiert bezeichneten Tatsachen und Vorgängen zumindest behauptet, dass die angefochtene Rechtsvorschrift nach seiner Auffassung gegen Grundrechtsnormen der Bayerischen Verfassung verstößt.
6. Art. 141 II BV bestimmt in den Grundzügen die wichtigsten Aufgaben, die sich auf Grund der Staatsfundamentalnorm des Art. 3 II BV im Hinblick auf den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, in dessen Kontext auch der Schutz und die Pflege der Denkmäler gehört, stellen. Dahinter steht die Einsicht, daß neben den natürlichen auch die kulturhistorischen Ressourcen ein unverzichtbarer Bestandteil der Lebensqualität sind und ein notwendiges Korrektiv zur Dynamik der zivilisatorischen Prozesse bilden.
7. Denkmäler sind nach der gesetzlichen, die Staatszielbestimmung des Art. 141 II BV konkretisierenden Definition des Art. 1 I BayDSchG von Menschen geschaffene Sachen oder Teile davon aus vergangener Zeit, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt. Zudem handelt es sich bei dem vom Bebauungsplan überplanten Denkmal um ein sog. Integrales Denkmal, das Einzel(bau)denkmäler mit einem umfassenden Bodendenkmal vereint.
8. Die wertende Verbindung des Denkmals mit seiner landschaftlichen und städtebaulichen Einbindung entspricht einem allgemeinen denkmalschutzrechtlichen Prinzip, das der Umgebung des Denkmals und seinem dadurch mitbestimmten Erscheinungsbild auch rechtliche Relevanz verleiht (vgl. Art. 1 III, Art. 6 I 2, II 2 BayDSchG). Während einerseits das Denkmal auf seine Umgebung einwirkt, gestaltet auch umgekehrt die Umgebung das Erscheinungsbild des Denkmals und vermag so seine Bedeutung zu beeinflussen.
9. Art. 3 II BV sowie Art. 141 II BV sind keine bloßen Programmsätze, sondern enthalten bindendes objektives Verfassungsrecht, an dem die Handlungen und Unterlassungen von Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts zu messen sind. Der landesrechtliche Normgeber hat auch dann, wenn er auf Grund einer bundesrechtlichen Ermächtigung tätig wird, jedenfalls dort, wo ihm Gestaltungsspielraum eingeräumt ist, auch die ihn bindende Landesverfassung zu beachten. Landesverfassungsrecht ist auch innerhalb eines bundesrechtlichen Rahmens, innerhalb dessen er verschiedene Lösungen wählen kann, innerhalb dieses Gestaltungsrahmens nicht verdrängt.
10. Eine Nichtbeachtung des in Art. 141 BV festgeschriebenen Verfassungsrechts bei der Abwägung im Verfahren zum Erlass eines Bebauungsplanes verletzt das Willkürverbot des Art. 118 I BV, wenn dafür kein sachlicher Grund besteht. Es bleibt zwar dem Ermessen des Normgebers überlassen zu bestimmen, im welcher Weise dem Gedanken der Angemessenheit, Billigkeit und Zweckmäßigkeit Rechnung getragen wird. Erst wenn die äußersten Grenzen dieses Ermessen überschritten sind, wenn für die getroffene Regelung bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise jeder sachliche Grund fehlt, ist der Gleichheitssatz verletzt.
11. Nach § 1 VI BauGB 1998 sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Gegen das rechtstaatlich fundierte Gebot gerechter Abwägung wird verstoßen, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.
12. Es ist in erster Linie Aufgabe der Gemeinde, die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln (vgl. nunmehr ausdrücklich § 2 III BauGB).
13. Der landesverfassungsrechtliche Schutz der Denkmäler erschöpft sich nicht im Abwägungsgebot von § 1 VI BauGB 1998 und steht nicht unter einem bundesrechtlichen Abwägungsvorbehalt. Die Art. 141 II BV konkretisierenden Regelungen des bayerischen Denkmalschutzgesetzes bleiben von § 1 VI BauGB unberührt.
14. Angesichts dieser herausragenden und überregionalen Bedeutung des Denkmals musste dem Schutz und der Pflege des Denkmals im Rahmen der Bauleitplanung und der nach § 1 VI BauGB 1998 vorzunehmenden Abwägung besonderes Gewicht zukommen. Das beabsichtigte Nutzungskonzept wäre deshalb in erster Linie an der Bedeutung des Denkmals und seiner weitestgehenden Bewahrung zu messen gewesen. Ausgangspunkt der Planung musste vorrangig der überlieferte Baubestand sein, Ziel in erster Linie der Erhalt der Anlage in Charakter, historischer Baukonstruktion und landschaftlicher Einbettung.
15. Dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung eines geschützten Denkmals kann nur durch die Inpflichtnahme des Eigentümers Rechnung getragen werden. Sein Eigentum unterliegt einer gesteigerten Sozialbindung (Art. 103 II BV), die sich aus der Situationsgebundenheit seines Grundbesitzes ergibt. Angesichts des hohen Rangs des Denkmalschutzes im Allgemeinen und der Bedeutung des Denkmals im Besonderen muß der Eigentümer es grundsätzlich hinnehmen, daß ihm eine rentablere wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks verwehrt bleibt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2. März 1999, Az.: 1 BvL 7/91, BVerfGE 100, 226, 242).
16. Die Gemeinde wählte die umgekehrte Vorgehensweise. Zwar wurde die denkmalpflegerische Bedeutung nicht schon im Ansatz verkannt, doch wurde diese von vorneherein in den Dienst eines vorgegebenen und von ihr insbesondere wegen der Tourismusbelange gutgeheißenen Investorkonzepts gestellt. Durch die wiederholte abwägende Befassung mit dem Themenkreis des Denkmalschutzes zieht sich wie ein roter Faden die Erwägung, die Wirtschaftlichkeit des Projekts sei gefährdet, wenn es räumlich beschränkt werde.
17. Insgesamt ist mit dem Planungsvorgang dem besonders hohen Gewicht des Denkmalschutzes in keiner Weise Rechnung getragen worden. In keiner Phase des Planungsvorgangs haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Interessen des Eigentümers an dem konkreten Projekt und die daran anknüpfenden Tourismusbelange der Gemeinde auch nur annährend ein sachliches Gewicht aufweisen, das es hätte rechtfertigen können, planend in der vorgesehenen Weise tief in die Substanz des Denkmals einzugreifen.
18. Solche Mängel eines Bebauungsplans können von der Gemeinde nicht nachträglich gemäß §§ 233 II 1, 214, 215 BauGB behoben werden. Im ergänzenden Verfahren nach § 124 IV BauGB sind nur solche Mängel behebbar, die nicht den Kern der Abwägungsentscheidung betreffen. Eine Nachbesserung scheidet aus, wenn der Abwägungsmangel von solcher Art und Schwere ist, dass er die Planung als Ganzes von vornherein infrage stellt.
19. Ohne Bedeutung ist zudem das unbeschadet des Bebauungsplans erforderliche denkmalschutzrechtliche Erlaubnis- bzw. bauordnungsrechtliche Genehmigungsverfahren. Der Bebauungsplan überplant den Außenbereich (§ 35 BauGB) und schafft dort das auf das Projekt zugeschnittene Baurecht. In einem solchen Fall sind die Belange des Denkmalschutzes im Wesentlichen bereits im Zuge der Aufstellung des Bebauungsplans abwägend zu würdigen. Ansonsten wäre der Bauleitplanung unter den gegebenen Verhältnissen jede Grundlage entzogen.
20. Die verfassungsrechtliche Beanstandung wird auch durch die Billigung durch einen Bürgerentscheid nicht in Frage gestellt. Nach Art. 18 a XIII 1 BayGO hat dieser Bürgerentscheid die Wirkung eines Beschlusses des Gemeinderats. Soweit der Bürgerentscheid Grundlage für eine baurechtliche Planungsentscheidung der Gemeinde ist, kann der darauf beruhende Satzungserlaß nicht anders beurteilt werden als wenn dieser allein auf ein Tätigwerden des Gemeinderats zurückgehen würde.
BayVerfGH, Entscheidung, 22.07.2008, AZ: Vf. 11-VII-07, Publikationsart: BayVBl 2009, 142-144 / EzD 1.2 Nr. 6 (Anm. W. Eberl, S. 9-10) / GVBl 2008, 579 / juris / NVwZ 2008, 1234-1236
nachgehend BVerfG, Beschlüsse 04.11.2008, Az.: 1 BvR 2296/08 & 1 BvR 2351/08, n. v.

1.1.7 Folgen für das Eigentum
1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
1.2.7 Aufgabenzuweisung
1.3.2 Bebauungsplan
1.3.4 Abwägung (Anforderungen & Rechtsfolgen von Fehlern)
1.3.5 Erschließung im Außenbereich
2.1.2 Erscheinungsbild
2.2.1.1 Grundsätze
2.3.3 Um-, An- und Aufbauten, Nutzungsänderungen
2.4.1.7 Nachteilige Veränderungen des Orts- und Landschaftsbilds (Umgebung / Freiraum / Sichtbeziehungen vom und zum Denkmal)
3.2.1 Schutz des kulturellen Erbes
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1. Art. 4 Abs. 4 BayDSchG bietet die Möglichkeit, gegen Maßnahmen einzuschreiten, die ein Denkmal gefährden. Die Bestimmung setzt voraus, dass die Baudenkmaleigenschaft feststeht.
2. Als Rechtsgrundlage für den Erlass einer präventiven Abrissuntersagung in Fällen, in denen gerade die Denkmaleigenschaft umstritten ist, kann zur Vermeidung der Schaffung vollendeter Tatsachen auf die Möglichkeit einer präventiven Abrissuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2, Art. 6 BayDSchG i. V. m. Art. 75 Abs. 1 BayBO zurückgegriffen werden.
3. Art. 75 BayBO Einstellung von Arbeiten
(1) Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt, kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen. Das gilt auch dann, wenn
1. die Ausführung eines Bauvorhabens entgegen den Vorschriften des Art. 68 Abs. 5 begonnen wurde oder
2. bei der Ausführung
a) eines genehmigungsbedürftigen Bauvorhabens von den genehmigten Bauvorlagen,
b) eines genehmigungsfreigestellten Bauvorhabens von den eingereichten Unterlagen
abgewichen wird,
3. Bauprodukte verwendet werden, die entgegen Art. 15 Abs. 1 keine CE-Kennzeichnung oder kein Ü-Zeichen tragen,
4. Bauprodukte verwendet werden, die unberechtigt mit der CE-Kennzeichnung (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) oder dem Ü-Zeichen (Art. 20 Abs. 4) gekennzeichnet sind.
(2) Werden unzulässige Arbeiten trotz einer schriftlich oder mündlich verfügten Einstellung fortgesetzt, kann die Bauaufsichtsbehörde die Baustelle versiegeln oder die an der Baustelle vorhandenen Bauprodukte, Geräte, Maschinen und Bauhilfsmittel in amtlichen Gewahrsam bringen.
4. Gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung von Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden.
5. Die Einstellung von Arbeiten setzt einen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften voraus. Dabei kann es sich sowohl um einen Verstoß gegen verfahrensrechtliche als auch um einen solchen gegen materiell-rechtliche Regelungen handeln, und zwar grundsätzlich (soweit nicht die Subsidiaritätsklausel in Art. 54 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BayBO eingreift) unabhängig davon, ob sie dem spezifischen öffentlichen Baurecht oder anderen öffentlich-rechtlichen Rechtsbereichen angehören (vgl. Jäde, Bayerisches Bauordnungsrecht, 1. Auflage 2013, Rn. 433).
6. Eine Baueinstellung kommt sowohl bei genehmigungs- wie nicht genehmigungspflichtigen Bauvorhaben in Betracht. Bei genehmigungspflichtigen Vorhaben reicht für die Anordnung die formelle Baurechtswidrigkeit aus, also der Umstand, dass für das Vorhaben keine Genehmigung vorliegt. Die Baueinstellung beinhaltet folglich auch keine Aussage über die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens, sondern soll nur sicherstellen, dass eine Prüfung und Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens in dem dafür vorgesehenen Verfahren ordnungsgemäß erfolgt und bis dahin keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden (stRspr. vgl. BayVGH, Beschluss vom 14.11.2001, Az.: 20 ZB 01.2648, juris).
7. Eine Abrissuntersagung beinhaltet nicht nur das Gebot, die beabsichtigte Beseitigung (einmalig) zu unterlassen, sondern auch ein sich täglich erneuerndes Verbot dies weiterhin zu unterlassen. Es handelt sich somit um einen Dauerverwaltungsakt. Aus der Eigenschaft der Abrissuntersagung als Dauerverwaltungsakt folgt, dass die Rechtmäßigkeit der Verfügung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ständig zu kontrollieren ist. Im Falle der Klage gegen die Abrissuntersagung ist daher nicht der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, sondern der der letzten mündlichen Verhandlung für die Prüfung der Rechtmäßigkeit maßgebend.
8. Die Einstellung von Arbeiten bzw. eine Abrissuntersagung setzen einen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften voraus, Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Die Beseitigung der Nebengebäude der Hofanlage verstößt gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, wenn es sich entweder um Einzelbaudenkmäler im Sinn von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG handelt oder es sich um Gebäude handelt, die einem Ensemble nach Art. 1 Abs. 3 BayDSchG angehören und sich deren Beseitigung auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann, Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG.
9. Die Denkmaleigenschaft der Hofanlage war zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses und auch noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung umstritten. Der Beklagte stützt seinen Bescheid im Wesentlichen darauf, dass aus Sicht der unteren Denkmalschutzbehörde eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass es sich bei der Hofanlage als Zeugnis bergmännischer Siedlungsgeschichte um ein Denkmal handele, also die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 BayDSchG in geschichtlicher und städtebaulicher Hinsicht gegeben seien.
10. Im Hinblick auf die Zielrichtung des Art. 75 BayBO, kann ein vorbeugendes Abrissverbot jedoch auch bis zur endgültigen Klärung der Denkmaleigenschaft des bzw. der streitgegenständlichen Gebäude erlassen werden.
11. Im vorliegenden Fall dient die Baueinstellung bzw. das Abrissverbot als bauaufsichtliche Sofortmaßnahme der Verhinderung der Schaffung vollendeter Tatsachen. Sie ist deshalb nicht erst dann gerechtfertigt, wenn feststeht, dass die Bauarbeiten einem rechtswidrigen Vorhaben dienen. Vielmehr reicht für den Erlass der durch Tatsachen belegte „Anfangsverdacht“ eines formellen oder materiellen Rechtverstoßes aus. Bauarbeiten bzw. Beseitigungsmaßnahmen dürfen demgemäß schon dann unterbunden werden, wenn objektiv konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es wahrscheinlich machen, dass ein dem öffentlichen Recht formell oder materiell widersprechender Zustand geschaffen wird (vgl. BayVGH, Urteil vom 04.07.1973, Az.: 60 II 71, BayVBl 1974, 436; Beschluss vom 26.06.1996, Az.: 1 CS 95.4162, n. v.; Beschluss vom 14.10.2013, Az.: 9 CS 13.1407, juris [Rn. 15]; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.01.2012, Az.: 2 M 194.11, juris [Rn. 6]; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.12.1993, Az.: 3 S 507.93, juris [Rn. 7]).
12. Ob ein im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehender Zustand tatsächlich hergestellt wird, ist für die Rechtmäßigkeit einer Baueinstellung unerheblich. Diese Frage ist erst Gegenstand der behördlichen Prüfung, ob eine Baueinstellung aufrechtzuerhalten oder gegebenenfalls aufzuheben ist, denn gerade in einem solchen Fall ist ein erhebliches Interesse dafür gegeben, dass vor der Ausführung des Vorhabens und der dadurch bewirkten Schaffung von Verhältnissen, die nicht oder nur mehr schwer rückgängig zu machen sind, geklärt wird, ob das Vorhaben im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht oder nicht.
13. Demgemäß muss dem Bauherrn, wenn die Bauaufsichtsbehörde unter Darlegung von nicht schlechthin von der Hand zu weisenden Gründen geltend macht, ein Vorhaben sei genehmigungspflichtig, jedoch nicht genehmigt, zugemutet werden, mit der Ausführung seines Vorhabens zu warten, bis der Streit im Hauptsacheverfahren abschließend geklärt ist (vgl. Decker in: Simon/ Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, 126. EL Oktober 2017, Art. 75, Rn. 48). Die Bauaufsichtsbehörde ist bei einer solchen Fallgestaltung allerdings gehalten, in der Folgezeit nachzuprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Einstellung von Arbeiten bzw. ein vorbeugendes Abrissverbot tatsächlich (noch) vorliegen oder die Untersagung aufzuheben ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 19.07.2007, Az.: 2 CS 06.3083, juris [Rn. 3]; OVG Sachsen Anhalt, Beschluss vom 31.01.2012, Az.: 2 M 194.11, juris [Rn. 6]).
14. Zu beachten ist vorliegend insbesondere, dass die Eintragung in die Denkmalliste nach der Fassung des BayDSchG nicht Voraussetzung für die Eigenschaft als Baudenkmal ist. Vielmehr ist in Art. 1 BayDSchG abschließend definiert, wann ein Baudenkmal vorliegt. Auf die Eintragung in die Denkmalliste wird dort nicht Bezug genommen. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG sollen Baudenkmäler lediglich nachrichtlich in ein Verzeichnis (Denkmalliste) aufgenommen werden. Die Erstellung der Denkmalliste und die „nachrichtliche“ Vornahme der Eintragung haben somit keine rechtsbegründende Wirkung. In Bayern gilt für Baudenkmäler vielmehr das deklaratorische System. Die Denkmalliste ist eine reine Orientierungs- und Subsumtionshilfe (vgl. Eberl/Martin, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, Kommentar, 7. Auflage 2016, Art. 2 Rn. 2), hat aber keinerlei konstituierende Bedeutung für die Denkmaleigenschaft.
15. Daher kann die Tatsache, dass weder die Hofanlage als Ganzes noch einzelne Gebäude hier-von bislang als Denkmäler eingetragen sind, nicht zur Verneinung der Eigenschaft von Einzeldenkmälern oder als Ensemble herangezogen werden.
16. Vorliegend waren die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage im Zeitpunkt des Bescheidserlasses gegeben. Dass nach damals geltender Rechtslage, nämlich vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom 4. April 2017 am 1. Mai 2017, eine Ensembleeigenschaft nach Art. 1 Abs. 3 BayDSchG a. F. nur vorliegen konnte, sofern auch ensembleprägende Einzeldenkmäler vorhanden sind, ist unerheblich.
17. Grund hierfür ist, dass sich der Begründung des Bescheids keinesfalls entnehmen lässt, dass er allein auf den Verdacht des Vorliegens einer Ensembleeigenschaft gestützt worden ist und zugleich vom vollständigen Fehlen von Einzeldenkmälern ausgegangen worden ist. Vielmehr wurde u. a. ausgeführt, dass die vom geplanten Abbruch betroffenen, in Teilen gemauerten Nebengebäude und der hölzerne Schuppenhof, die als Holzlegen und Unterstellmöglichkeiten als solche bis heute den Bewohnern der Anlage dienten, integraler Bestandteil der Gesamtanlage seien. Gerade die Schuppen würden die geschilderte Bedeutung der Wohnanlage ablesbar machen. Es handele sich hierbei gewissermaßen um Wirtschaftsgebäude „für den kleinen Mann“. Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang, dass die Holzfronten mit den Türen der Nebengebäude noch im Original erhalten seien.
18. Aus diesen Ausführungen hinsichtlich der Bedeutung der in Bezug genommenen Neben-gebäude und der hierbei noch im Original erhaltenen Teile lässt sich vielmehr schließen, dass auch von einer insoweit vorliegenden hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Einzeldenkmaleigenschaft ausgegangen worden ist, da die Geschichte der Gebäude und der Gesamtanlage insbesondere an den im Original erhaltenen Teilen ablesbar sei. Nach damaliger Rechtslage lag mithin ein ausreichender Denkmalverdacht vor.
19. Auf Grund der Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) vom 21.12.2016 sowie des durchgeführten Augenscheins der Kammer steht fest, dass es sich bei der Hofanlage in seiner Gesamtheit jedenfalls um ein Ensemble im Sinne des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG handelt. Das Gericht teilt die Auffassung, dass es sich hierbei um ein Zeugnis bergmännischer Siedlungsgeschichte handelt, das die Rahmenbedingungen ihrer Entstehungszeit und den sozialen Kontext der Bewohner anschaulich widergibt. Entgegen den klägerischen Ausführungen ist auch von der ursprünglichen Konzeption und Nutzung des Innenhofs noch ein noch ausreichendes Maß vorhanden. Obwohl die ursprüngliche Parzellierung aus dem Jahr 1950 nicht mehr vorhanden ist, wurde im Rahmen des Augenscheins festgestellt, dass noch kleingärtnerische Nutzung, also Nutzung im Rahmen des ursprünglichen Zwecks des Innenhofs, vorhanden ist. Ob sich in der Anlage auch Einzeldenkmäler befinden oder nicht, kann offen bleiben, da Art. 1 Abs. 3 BayDSchG in der seit 1. Mai 2017 geltenden Fassung ausdrücklich klarstellt, dass eine Mehrheit baulicher Anlagen ein Ensemble bilden kann, obwohl sich darunter keine Einzeldenkmäler befinden.
20. Voraussetzung für eine Baueinstellung ist darüber hinaus grundsätzlich, dass (Bau-) Arbeiten tatsächlich begonnen wurden. Begrifflich können noch nicht begonnene Maßnahmen nicht eingestellt werden. Für präventive Verbote enthält die BayBO keine unmittelbare Rechtsgrundlage. Wegen des präventiv-polizeilichen Zwecks einer vorbeugenden Abrissuntersagung (Gefahrenabwehr, Verhinderung vollendeter Tatsachen), kann jedoch in entsprechender Anwendung des Art. 75 Abs. 1 BayBO vorbeugend die Errichtung von Anlagen und die Ausführung von Bauarbeiten, z. B. der Abriss bereits dann verboten werden, wenn objektiv konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass alsbald mit rechtswidrigen Bauarbeiten begonnen wird (vgl. Decker in: Simon/ Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, 126. EL Oktober 2017, Art. 75, Rn. 42; BayVGH, Beschluss vom 03.09.2001, Az.: 2 ZS 01.1506, juris [Rn. 2]).
21. Hier war zu befürchten, dass nicht mehr rückgängig zu machende Baumaßnahmen alsbald erfolgen würden, da die Klägerin auf telefonische Nachfrage des Landratsamts äußerte, dass die Abbruchfirma bereits beauftragt sei und der Vorgang nicht mehr gestoppt werden könne. Hierbei war der Erlass der Abbruchuntersagung auch hinsichtlich sämtlicher Nebengebäude gerechtfertigt, da im vorgenannten Telefonat die Klägerin auf Nachfrage nicht präzisieren konnte, welche Nebengebäude konkret abgebrochen werden sollten.
22. Auch wurde das gemäß Art. 75 BayBO i. V. m. Art. 15 Abs. 1 Satz 2 und Art. 6 BayDSchG eingeräumte Ermessen im streitgegenständlichen Bescheid zum Erlasszeitpunkt in rechtmäßiger Weise ausgeübt. Da der Anfangsverdacht nicht allein auf das Vorliegen einer Ensembleeigenschaft ohne Einzeldenkmäler gestützt worden ist, liegt auch kein Ermessensfehler in der Gestalt vor, dass das Landratsamt von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen wäre.
23. Soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die streitgegenständliche Verfügung unmittelbar vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom 4. April 2017 am 1. Mai 2017 rechtswidrig war, ist die zulässige Klage begründet. Zwar war der streitgegenständliche Bescheid im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig (s. o.). Im Zeitpunkt unmittelbar vor Inkrafttreten besagter Änderung des Denkmalschutzgesetzes jedoch war der Bescheid rechtswidrig (geworden) und wäre bei ordnungsgemäßer Überprüfung der Rechtmäßigkeit und pflichtgemäßer Ermessensausübung vom Landratsamt aufzuheben gewesen.
24. Die streitgegenständliche Verfügung war auf Grund ihrer Dauerwirkung, nämlich des sich täglich erneuernden Verbots der Veränderung, insbesondere des Abbruchs der Nebengebäude, regelmäßig vom Landratsamt dahingehend zu überprüfen, ob sie aufrechtzuerhalten oder ggf. aufzuheben ist.
25. Im vorliegenden Fall hätte im Zeitpunkt unmittelbar vor Inkrafttreten besagter Rechtsänderung, die streitgegenständliche Verfügung bereits aufgrund des verstrichenen langen Zeitraums seit Erlass, ohne dass eine abschließende Klärung der Denkmaleigenschaft erfolgt ist, aufgehoben worden sein müssen. Zwar hat der von der Verfügung Betroffene die Wirkungen der Verfügung grundsätzlich während der gesamten Dauer des Verfahrens bis zur abschließenden Klärung der Denkmaleigenschaft hinzunehmen. Je mehr Zeit allerdings verstreicht, ohne dass das Verfahren mit der gebotenen Zügigkeit und ohne nicht nachvollziehbare Verzögerungen weitergeführt wird, desto größer wird sein Interesse an der Aufhebung der Verfügung. Übermäßige Verfahrensdauer und nichtnachvollziehbare Verzögerungen dürfen letztlich nicht grenzenlos zu Lasten des von der Baueinstellung bzw. des vom Veränderungsverbot Betroffenen gehen.
26. Die Länge dieses Verfahrens ist vorliegend nicht nachvollziehbar. Es ist weder erkennbar noch seitens des Landratsamts oder des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) vorgetragen, weshalb das Verfahren zur Klärung der Denkmaleigenschaft sich derart verzögert hat. Jedenfalls spätestens im Zeitpunkt der hier relevanten Rechtsänderung, mithin 17 Monate nach Bescheidserlass, wäre das streitgegenständliche Veränderungsverbot aufzuheben gewesen, da die Aufrechterhaltung auf Grund des sich bis dahin über einen derart langen Zeitraum in nicht nachvollziehbarer Weise nicht erhärteten Verdachts ermessensfehlerhaft gewesen ist.
BayVG München, Urteil, 30.11.2017, AZ: M 11 K 15.5680, Publikationsart: BeckRS 2017, 140592
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1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.5 Veränderungsfolgen
1.2 Zuständigkeiten, Verfahrensfragen
1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
1.2.7 Aufgabenzuweisung
2 Baudenkmalpflege
2.1 Ensemble
2.2 Abbruch
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
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1. Art. 4 Abs. 4 BayDSchG bietet die Möglichkeit, gegen Maßnahmen einzuschreiten, die ein Denkmal gefährden. Die Bestimmung setzt voraus, dass die Baudenkmaleigenschaft feststeht.
2. Als Rechtsgrundlage für den Erlass einer präventiven Abrissuntersagung in Fällen, in denen gerade die Denkmaleigenschaft umstritten ist, kann zur Vermeidung der Schaffung vollendeter Tatsachen auf die Möglichkeit einer präventiven Abrissuntersagung nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2, Art. 6 BayDSchG i. V. m. Art. 75 Abs. 1 BayBO zurückgegriffen werden.
3. Art. 75 BayBO Einstellung von Arbeiten
(1) Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt, kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen. Das gilt auch dann, wenn
1. die Ausführung eines Bauvorhabens entgegen den Vorschriften des Art. 68 Abs. 5 begonnen wurde oder
2. bei der Ausführung
a) eines genehmigungsbedürftigen Bauvorhabens von den genehmigten Bauvorlagen,
b) eines genehmigungsfreigestellten Bauvorhabens von den eingereichten Unterlagen
abgewichen wird,
3. Bauprodukte verwendet werden, die entgegen Art. 15 Abs. 1 keine CE-Kennzeichnung oder kein Ü-Zeichen tragen,
4. Bauprodukte verwendet werden, die unberechtigt mit der CE-Kennzeichnung (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) oder dem Ü-Zeichen (Art. 20 Abs. 4) gekennzeichnet sind.
(2) Werden unzulässige Arbeiten trotz einer schriftlich oder mündlich verfügten Einstellung fortgesetzt, kann die Bauaufsichtsbehörde die Baustelle versiegeln oder die an der Baustelle vorhandenen Bauprodukte, Geräte, Maschinen und Bauhilfsmittel in amtlichen Gewahrsam bringen.
4. Gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung von Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden.
5. Die Einstellung von Arbeiten setzt einen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften voraus. Dabei kann es sich sowohl um einen Verstoß gegen verfahrensrechtliche als auch um einen solchen gegen materiell-rechtliche Regelungen handeln, und zwar grundsätzlich (soweit nicht die Subsidiaritätsklausel in Art. 54 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BayBO eingreift) unabhängig davon, ob sie dem spezifischen öffentlichen Baurecht oder anderen öffentlich-rechtlichen Rechtsbereichen angehören (vgl. Jäde, Bayerisches Bauordnungsrecht, 1. Auflage 2013, Rn. 433).
6. Eine Baueinstellung kommt sowohl bei genehmigungs- wie nicht genehmigungspflichtigen Bauvorhaben in Betracht. Bei genehmigungspflichtigen Vorhaben reicht für die Anordnung die formelle Baurechtswidrigkeit aus, also der Umstand, dass für das Vorhaben keine Genehmigung vorliegt. Die Baueinstellung beinhaltet folglich auch keine Aussage über die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens, sondern soll nur sicherstellen, dass eine Prüfung und Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens in dem dafür vorgesehenen Verfahren ordnungsgemäß erfolgt und bis dahin keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden (stRspr. vgl. BayVGH, Beschluss vom 14.11.2001, Az.: 20 ZB 01.2648, juris).
7. Eine Abrissuntersagung beinhaltet nicht nur das Gebot, die beabsichtigte Beseitigung (einmalig) zu unterlassen, sondern auch ein sich täglich erneuerndes Verbot dies weiterhin zu unterlassen. Es handelt sich somit um einen Dauerverwaltungsakt. Aus der Eigenschaft der Abrissuntersagung als Dauerverwaltungsakt folgt, dass die Rechtmäßigkeit der Verfügung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ständig zu kontrollieren ist. Im Falle der Klage gegen die Abrissuntersagung ist daher nicht der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, sondern der der letzten mündlichen Verhandlung für die Prüfung der Rechtmäßigkeit maßgebend.
8. Die Einstellung von Arbeiten bzw. eine Abrissuntersagung setzen einen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften voraus, Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Die Beseitigung der Nebengebäude der Hofanlage verstößt gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, wenn es sich entweder um Einzelbaudenkmäler im Sinn von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG handelt oder es sich um Gebäude handelt, die einem Ensemble nach Art. 1 Abs. 3 BayDSchG angehören und sich deren Beseitigung auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann, Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG.
9. Die Denkmaleigenschaft der Hofanlage war zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses und auch noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung umstritten. Der Beklagte stützt seinen Bescheid im Wesentlichen darauf, dass aus Sicht der unteren Denkmalschutzbehörde eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass es sich bei der Hofanlage als Zeugnis bergmännischer Siedlungsgeschichte um ein Denkmal handele, also die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 BayDSchG in geschichtlicher und städtebaulicher Hinsicht gegeben seien.
10. Im Hinblick auf die Zielrichtung des Art. 75 BayBO, kann ein vorbeugendes Abrissverbot jedoch auch bis zur endgültigen Klärung der Denkmaleigenschaft des bzw. der streitgegenständlichen Gebäude erlassen werden.
11. Im vorliegenden Fall dient die Baueinstellung bzw. das Abrissverbot als bauaufsichtliche Sofortmaßnahme der Verhinderung der Schaffung vollendeter Tatsachen. Sie ist deshalb nicht erst dann gerechtfertigt, wenn feststeht, dass die Bauarbeiten einem rechtswidrigen Vorhaben dienen. Vielmehr reicht für den Erlass der durch Tatsachen belegte „Anfangsverdacht“ eines formellen oder materiellen Rechtverstoßes aus. Bauarbeiten bzw. Beseitigungsmaßnahmen dürfen demgemäß schon dann unterbunden werden, wenn objektiv konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es wahrscheinlich machen, dass ein dem öffentlichen Recht formell oder materiell widersprechender Zustand geschaffen wird (vgl. BayVGH, Urteil vom 04.07.1973, Az.: 60 II 71, BayVBl 1974, 436; Beschluss vom 26.06.1996, Az.: 1 CS 95.4162, n. v.; Beschluss vom 14.10.2013, Az.: 9 CS 13.1407, juris [Rn. 15]; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.01.2012, Az.: 2 M 194.11, juris [Rn. 6]; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.12.1993, Az.: 3 S 507.93, juris [Rn. 7]).
12. Ob ein im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehender Zustand tatsächlich hergestellt wird, ist für die Rechtmäßigkeit einer Baueinstellung unerheblich. Diese Frage ist erst Gegenstand der behördlichen Prüfung, ob eine Baueinstellung aufrechtzuerhalten oder gegebenenfalls aufzuheben ist, denn gerade in einem solchen Fall ist ein erhebliches Interesse dafür gegeben, dass vor der Ausführung des Vorhabens und der dadurch bewirkten Schaffung von Verhältnissen, die nicht oder nur mehr schwer rückgängig zu machen sind, geklärt wird, ob das Vorhaben im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht oder nicht.
13. Demgemäß muss dem Bauherrn, wenn die Bauaufsichtsbehörde unter Darlegung von nicht schlechthin von der Hand zu weisenden Gründen geltend macht, ein Vorhaben sei genehmigungspflichtig, jedoch nicht genehmigt, zugemutet werden, mit der Ausführung seines Vorhabens zu warten, bis der Streit im Hauptsacheverfahren abschließend geklärt ist (vgl. Decker in: Simon/ Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, 126. EL Oktober 2017, Art. 75, Rn. 48). Die Bauaufsichtsbehörde ist bei einer solchen Fallgestaltung allerdings gehalten, in der Folgezeit nachzuprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Einstellung von Arbeiten bzw. ein vorbeugendes Abrissverbot tatsächlich (noch) vorliegen oder die Untersagung aufzuheben ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 19.07.2007, Az.: 2 CS 06.3083, juris [Rn. 3]; OVG Sachsen Anhalt, Beschluss vom 31.01.2012, Az.: 2 M 194.11, juris [Rn. 6]).
14. Zu beachten ist vorliegend insbesondere, dass die Eintragung in die Denkmalliste nach der Fassung des BayDSchG nicht Voraussetzung für die Eigenschaft als Baudenkmal ist. Vielmehr ist in Art. 1 BayDSchG abschließend definiert, wann ein Baudenkmal vorliegt. Auf die Eintragung in die Denkmalliste wird dort nicht Bezug genommen. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayDSchG sollen Baudenkmäler lediglich nachrichtlich in ein Verzeichnis (Denkmalliste) aufgenommen werden. Die Erstellung der Denkmalliste und die „nachrichtliche“ Vornahme der Eintragung haben somit keine rechtsbegründende Wirkung. In Bayern gilt für Baudenkmäler vielmehr das deklaratorische System. Die Denkmalliste ist eine reine Orientierungs- und Subsumtionshilfe (vgl. Eberl/Martin, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, Kommentar, 7. Auflage 2016, Art. 2 Rn. 2), hat aber keinerlei konstituierende Bedeutung für die Denkmaleigenschaft.
15. Daher kann die Tatsache, dass weder die Hofanlage als Ganzes noch einzelne Gebäude hier-von bislang als Denkmäler eingetragen sind, nicht zur Verneinung der Eigenschaft von Einzeldenkmälern oder als Ensemble herangezogen werden.
16. Vorliegend waren die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage im Zeitpunkt des Bescheidserlasses gegeben. Dass nach damals geltender Rechtslage, nämlich vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom 4. April 2017 am 1. Mai 2017, eine Ensembleeigenschaft nach Art. 1 Abs. 3 BayDSchG a. F. nur vorliegen konnte, sofern auch ensembleprägende Einzeldenkmäler vorhanden sind, ist unerheblich.
17. Grund hierfür ist, dass sich der Begründung des Bescheids keinesfalls entnehmen lässt, dass er allein auf den Verdacht des Vorliegens einer Ensembleeigenschaft gestützt worden ist und zugleich vom vollständigen Fehlen von Einzeldenkmälern ausgegangen worden ist. Vielmehr wurde u. a. ausgeführt, dass die vom geplanten Abbruch betroffenen, in Teilen gemauerten Nebengebäude und der hölzerne Schuppenhof, die als Holzlegen und Unterstellmöglichkeiten als solche bis heute den Bewohnern der Anlage dienten, integraler Bestandteil der Gesamtanlage seien. Gerade die Schuppen würden die geschilderte Bedeutung der Wohnanlage ablesbar machen. Es handele sich hierbei gewissermaßen um Wirtschaftsgebäude „für den kleinen Mann“. Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang, dass die Holzfronten mit den Türen der Nebengebäude noch im Original erhalten seien.
18. Aus diesen Ausführungen hinsichtlich der Bedeutung der in Bezug genommenen Neben-gebäude und der hierbei noch im Original erhaltenen Teile lässt sich vielmehr schließen, dass auch von einer insoweit vorliegenden hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer Einzeldenkmaleigenschaft ausgegangen worden ist, da die Geschichte der Gebäude und der Gesamtanlage insbesondere an den im Original erhaltenen Teilen ablesbar sei. Nach damaliger Rechtslage lag mithin ein ausreichender Denkmalverdacht vor.
19. Auf Grund der Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) vom 21.12.2016 sowie des durchgeführten Augenscheins der Kammer steht fest, dass es sich bei der Hofanlage in seiner Gesamtheit jedenfalls um ein Ensemble im Sinne des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG handelt. Das Gericht teilt die Auffassung, dass es sich hierbei um ein Zeugnis bergmännischer Siedlungsgeschichte handelt, das die Rahmenbedingungen ihrer Entstehungszeit und den sozialen Kontext der Bewohner anschaulich widergibt. Entgegen den klägerischen Ausführungen ist auch von der ursprünglichen Konzeption und Nutzung des Innenhofs noch ein noch ausreichendes Maß vorhanden. Obwohl die ursprüngliche Parzellierung aus dem Jahr 1950 nicht mehr vorhanden ist, wurde im Rahmen des Augenscheins festgestellt, dass noch kleingärtnerische Nutzung, also Nutzung im Rahmen des ursprünglichen Zwecks des Innenhofs, vorhanden ist. Ob sich in der Anlage auch Einzeldenkmäler befinden oder nicht, kann offen bleiben, da Art. 1 Abs. 3 BayDSchG in der seit 1. Mai 2017 geltenden Fassung ausdrücklich klarstellt, dass eine Mehrheit baulicher Anlagen ein Ensemble bilden kann, obwohl sich darunter keine Einzeldenkmäler befinden.
20. Voraussetzung für eine Baueinstellung ist darüber hinaus grundsätzlich, dass (Bau-) Arbeiten tatsächlich begonnen wurden. Begrifflich können noch nicht begonnene Maßnahmen nicht eingestellt werden. Für präventive Verbote enthält die BayBO keine unmittelbare Rechtsgrundlage. Wegen des präventiv-polizeilichen Zwecks einer vorbeugenden Abrissuntersagung (Gefahrenabwehr, Verhinderung vollendeter Tatsachen), kann jedoch in entsprechender Anwendung des Art. 75 Abs. 1 BayBO vorbeugend die Errichtung von Anlagen und die Ausführung von Bauarbeiten, z. B. der Abriss bereits dann verboten werden, wenn objektiv konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass alsbald mit rechtswidrigen Bauarbeiten begonnen wird (vgl. Decker in: Simon/ Busse, Bayerische Bauordnung, Kommentar, 126. EL Oktober 2017, Art. 75, Rn. 42; BayVGH, Beschluss vom 03.09.2001, Az.: 2 ZS 01.1506, juris [Rn. 2]).
21. Hier war zu befürchten, dass nicht mehr rückgängig zu machende Baumaßnahmen alsbald erfolgen würden, da die Klägerin auf telefonische Nachfrage des Landratsamts äußerte, dass die Abbruchfirma bereits beauftragt sei und der Vorgang nicht mehr gestoppt werden könne. Hierbei war der Erlass der Abbruchuntersagung auch hinsichtlich sämtlicher Nebengebäude gerechtfertigt, da im vorgenannten Telefonat die Klägerin auf Nachfrage nicht präzisieren konnte, welche Nebengebäude konkret abgebrochen werden sollten.
22. Auch wurde das gemäß Art. 75 BayBO i. V. m. Art. 15 Abs. 1 Satz 2 und Art. 6 BayDSchG eingeräumte Ermessen im streitgegenständlichen Bescheid zum Erlasszeitpunkt in rechtmäßiger Weise ausgeübt. Da der Anfangsverdacht nicht allein auf das Vorliegen einer Ensembleeigenschaft ohne Einzeldenkmäler gestützt worden ist, liegt auch kein Ermessensfehler in der Gestalt vor, dass das Landratsamt von unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen wäre.
23. Soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die streitgegenständliche Verfügung unmittelbar vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Denkmalschutzgesetzes vom 4. April 2017 am 1. Mai 2017 rechtswidrig war, ist die zulässige Klage begründet. Zwar war der streitgegenständliche Bescheid im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig (s. o.). Im Zeitpunkt unmittelbar vor Inkrafttreten besagter Änderung des Denkmalschutzgesetzes jedoch war der Bescheid rechtswidrig (geworden) und wäre bei ordnungsgemäßer Überprüfung der Rechtmäßigkeit und pflichtgemäßer Ermessensausübung vom Landratsamt aufzuheben gewesen.
24. Die streitgegenständliche Verfügung war auf Grund ihrer Dauerwirkung, nämlich des sich täglich erneuernden Verbots der Veränderung, insbesondere des Abbruchs der Nebengebäude, regelmäßig vom Landratsamt dahingehend zu überprüfen, ob sie aufrechtzuerhalten oder ggf. aufzuheben ist.
25. Im vorliegenden Fall hätte im Zeitpunkt unmittelbar vor Inkrafttreten besagter Rechtsänderung, die streitgegenständliche Verfügung bereits aufgrund des verstrichenen langen Zeitraums seit Erlass, ohne dass eine abschließende Klärung der Denkmaleigenschaft erfolgt ist, aufgehoben worden sein müssen. Zwar hat der von der Verfügung Betroffene die Wirkungen der Verfügung grundsätzlich während der gesamten Dauer des Verfahrens bis zur abschließenden Klärung der Denkmaleigenschaft hinzunehmen. Je mehr Zeit allerdings verstreicht, ohne dass das Verfahren mit der gebotenen Zügigkeit und ohne nicht nachvollziehbare Verzögerungen weitergeführt wird, desto größer wird sein Interesse an der Aufhebung der Verfügung. Übermäßige Verfahrensdauer und nichtnachvollziehbare Verzögerungen dürfen letztlich nicht grenzenlos zu Lasten des von der Baueinstellung bzw. des vom Veränderungsverbot Betroffenen gehen.
26. Die Länge dieses Verfahrens ist vorliegend nicht nachvollziehbar. Es ist weder erkennbar noch seitens des Landratsamts oder des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) vorgetragen, weshalb das Verfahren zur Klärung der Denkmaleigenschaft sich derart verzögert hat. Jedenfalls spätestens im Zeitpunkt der hier relevanten Rechtsänderung, mithin 17 Monate nach Bescheidserlass, wäre das streitgegenständliche Veränderungsverbot aufzuheben gewesen, da die Aufrechterhaltung auf Grund des sich bis dahin über einen derart langen Zeitraum in nicht nachvollziehbarer Weise nicht erhärteten Verdachts ermessensfehlerhaft gewesen ist.
BayVG München, Urteil, 30.11.2017, AZ: M 11 K 15.5680, Publikationsart: BeckRS 2017, 140592

1.1 Eintragung in die Denkmalliste
1.1.1 Eintragungspflicht
1.1.5 Veränderungsfolgen
1.2 Zuständigkeiten, Verfahrensfragen
1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
1.2.7 Aufgabenzuweisung
2 Baudenkmalpflege
2.1 Ensemble
2.2 Abbruch
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
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1. Ob die Erhaltung eines Baudenkmals für den Eigentümer wirtschaftlich zumutbar ist, haben die Verwaltungsgerichte bei Vorlage einer nachprüfbaren Wirtschaftlichkeitsberechnung durch den Eigentümer im Rahmen des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO ggf. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufzuklären.
2. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsberechnung ist nicht nur der sog. denkmalbedingte Mehraufwand, sondern der gesamte Instandhaltungsaufwand zu erfassen (insoweit Aufgabe von BayVGH, Urteil vom 18.10.2010, juris / BayVBl 2011, 308).
3. Neben der Instandhaltungspauschale ist in entsprechender Anwendung von § 25 Abs. 2 II. der Zweiten Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen (II. BV; http://www.gesetze-im-internet.de/bvo_2/BJNR017190957.html) für die Wertminderung des Gebäudes eine Abschreibung in Höhe von 1% des Sanierungsaufwands zu berücksichtigen.
4. Im Übrigen wird die mit Urteil vom 27.09.2007 (Az. 1 B 00.2474, juris) für Bayern entwickelte, in den wesentlichen Grundzügen gefestigte Rechtsprechung zur Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit eines Denkmalerhalts fortgeschrieben.
5. Der BayVGH unterstreicht den in der obergerichtlichen Rechtsprechung einhellig vertretenen Grundsatz, dass die Zumutbarkeit durch eine Gegenüberstellung des zum Denkmalerhalt erforderlichen Aufwands und der aus dem Objekt zu erzielenden Erträge (s. Rn. 15) zu beurteilen ist und nicht etwa anhand eines Vergleichs der Sanierungskosten zum möglichen Verkaufserlös.
6. Unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte vertieft der BayVGH aber die Vorgaben für das anzuwendende Berechnungsschema des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (vgl. Rn. 29).
7. Maßgeblich für die Berechnung der Ertragskraft des Denkmals ist ferner ein prognostischer Zeitraum von ca. 15 Jahren (s. Rn. 16).
8. Als Aufwand sind nicht die prognostizierten Sanierungskosten, sondern lediglich die zu ihrer Finanzierung erforderlichen Mittel bzw. die entgangenen Kapitalerträge (s. Rn. 20) einzustellen; demgegenüber schlagen auf der Ertragsseite die aus dem Objekt erzielbaren Einkünfte (nach Art eines Ertragswertverfahrens) sowie mögliche Steuervorteile zu Buche.
9. Dabei kommen prinzipiell nicht nur die Finanzierungskosten für den sog. denkmalpflegerischen Mehraufwand, sondern die Finanzierungskosten für sämtliche zum Erhalt und zur Nutzung (s. Rn. 21) des Objekts erforderlichen Kosten in Ansatz (s. Rn. 17).
10. Auf der Aufwandsseite können allerdings Finanzierungskosten für solche Maßnahmen keine Berücksichtigung finden, die erforderlich werden, weil der Eigentümer Erhaltungsmaßnahmen unterlassen hat, zu denen er nach Art. 4 Abs. 1 BayDSchG unter Berücksichtigung der individuellen Zumutbarkeit (vgl. BayVGH, Urteil vom 18.10.2010, Az. 1 B 06.63, juris) verpflichtet war (s. Rn. 18).
11. Aufwendungen für Maßnahmen, zu denen der Eigentümer aus sicherheitsrechtlichen Gründen (Art. 54 Abs. 2 und 4 BayBO) verpflichtet war, können unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Eigentümers nicht in Ansatz gebracht werden (s. Rn. 18).
12. Bewirtschaftungskosten in Sinne des § 24 Abs. 1 II. BV, nämlich Abschreibungen (s. u.), Verwaltungs-, Betriebs- und Instandhaltungskosten, sowie das Mietausfallwagnis sind als Aufwand zu berücksichtigen, soweit sie nicht auf den Mieter umgelegt werden können; ihre Höhe orientiert sich an den §§ 24 ff. II. BV (s. Rn. 21).
13. Statt Abschreibungen muss in entsprechender Anwendung von § 25 Abs. 2 II. BV ein jährlicher Wertverlust in Höhe von 1% der berücksichtigungsfähigen Sanierungskosten angesetzt werden (s. Rn. 23).
14. Im Fall der Eigennutzung kommen Verwaltungskosten und Mietausfallwagnis nicht in Ansatz (s. Rn. 21).
15. Tilgungsleistungen gehen in die Berechnung nicht ein (s. Rn. 20).
16. Einmalige Förderleistungen der öffentlichen Hand mindern den Aufwand nur dann, wenn sie bindend zugesagt sind (Rn. 19).
17. Auf der Ertragsseite sind die tatsächlichen oder die in der Region üblicherweise erzielbaren Mieteinnahmen oder im Fall der Eigennutzung der Gebrauchswert (jeweils ohne verbrauchsabhängige Nebenkosten, vgl. Rn. 21, 26) einzustellen (s. Rn. 26).
18. Erträge sind auch Steuervorteile für Baudenkmäler nach § 7i oder § 10f EStG.
19. Erfreulicher Weise gibt die Entscheidung neben der Klärung einer Fülle von Detailfragen auch eine präzise und praxisnahe Verteilung der Darlegungs- und Aufklärungspflichten zwischen Denkmalbehörden und Denkmaleigentümer vor (s. Rn. 16). Demnach obliegt es dem Denkmaleigentümer, nach Möglichkeit in Abstimmung mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege ein Konzept für eine zeitgemäße Nutzung des Denkmals vorzulegen und den daraus resultierenden Aufwand sowie den mit dem Objekt zu erzielenden Ertrag in einer alle relevanten Faktoren in nachvollziehbarer Weise ermittelnden und bewertenden Wirtschaftlichkeitsberechnung darzulegen (so bereits BayVGH, Urteil vom 27.09.2007, Az. 1 B 00.2474, juris). Erst diese Unterlagen ermöglichen der Verwaltungsbehörde und ggf. dem Gericht die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen der Abbrucherlaubnis nach Art. 6 Abs. 2 BayDSchG.
20. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind sämtliche Fragen im Zusammenhang mit Wirtschaftlichkeitsberechnung durch das jeweilige Verwaltungsgericht abschließend zu klären (vgl. oben Leitsatz 1, s. Rn. 16).
21. Eine materielle Beweislast trifft den Denkmaleigentümer auch für die steuerlichen Fragen. Trägt der Denkmaleigentümer dazu nicht vor, ist vom Spitzensteuersatz von 45% nach § 32a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG auszugehen (s. Rn. 27).
22. Abschließend weist die Entscheidung mögliche Aspekte, die sich aus der persönlichen Situation eines Denkmaleigentümers ergeben können, der - auch im Falle eines positiven Saldos der Wirtschaftlichkeitsberechnung noch zu treffenden - Ermessensentscheidung zu (s. Rn. 31).
BayVGH, Urteil, 12.08.2015, AZ: 1 B 12.79, Publikationsart: juris / BayVBl 2016, 20-23 / IBRRS 2015, 2436
1. rechtskräftig (seit 22.09.2015) 2. Kurzrezension der Landesanwaltschaft Bayern (s. Anhang) 3. Rezension Dr. Jörg Spennemann (BayVBl 2016, 23-25)
BayVGH - Urteil v. 12.08.2015 - 1 B 12.79.pdf

1.2 Zuständigkeiten, Verfahrensfragen
1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
1.2.7 Aufgabenzuweisung
2 Baudenkmalpflege
2.2 Abbruch
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
2.2.1.1 Grundsätze
2.2.4 Gewichtige Gründe des Denkmalschutzes
2.2.5 Sozialbindung, Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit, Darlegungslast
2.2.6 Gebundene Entscheidung (Prüfung, Ausgleichsleistungen, Ermessen, Abwägung)
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1. Zur Ermittlung des Inhalts einer Dienstbarkeit ist nach allgemeiner Ansicht vorrangig auf Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung und der in Bezug genommenen (§ 874 BGB) Eintragungsbewilligung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt.
2. Umstände außerhalb dieser Urkunden dürfen jedoch insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.2002, Az.: V ZR 252/00, juris, Rn. 10 unter Verweis auf die ständige BGH-Rechtsprechung; BayObLGZ, Urteil vom 29.04.1991, Az.: RReg 1 Z 477/90, BayVBl 1992, 219; OLG München, Beschluss vom 21.12.2012, Az.: 34 Wx 281/12, juris; BayVGH, Beschluss vom 05.03.2007, Az.: 2 CS 07.81, juris, Rn. 5). 
3. Liegt nach Wortlaut und Sinn des Grundbucheintrags und des darin in Bezug genommenen Dienstbarkeitsvertrags eine Abstandsflächendienstbarkeit im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Abs. 1 BayBO vor, so kann diese Dienstbarkeit nicht dahingehend ausgelegt oder umgedeutet werden, dass sie (auch) eine Dienstbarkeit zur Sicherung des Brandschutzabstands im Sinne des Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO darstellt.
4. Wer als unbefangener Betrachter die Grundbucheintragung und den darin in Bezug genommenen Dienstbarkeitsvertrag vom 23.11.1973 liest, hat nämlich keinen Anlass, in ergänzenden Unterlagen nachzuforschen, ob den bestellten Dienstbarkeiten ein anderer oder ein über eine Abstandsflächendienstbarkeit hinausgehender Inhalt beizumessen ist.
BayVGH, Beschluss, 10.07.2014, AZ: 9 CS 14.998, Publikationsart: BayVBl 2014, 727 f. / KommunalPraxis BY 2014, 348-349 /  NVwZ-RR 2014, 839 / juris

1.1.10 Denkmaleigenschaft und Zivilrecht
1.2.3 Nebenbestimmungen, Nachträgliche Anordnungen
1.2.7 Aufgabenzuweisung
1.7 Förderung
1.7.2 Ausgleichs-/Entschädigungsfonds
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BVerfG, Beschluss, 04.11.2008, AZ: 1 BvR 2296/08, Publikationsart: n. v.
Abweisung der Verfassungsbeschwerde gegen BayVerfGH, Entscheidung vom 22.07.2008, Az.: Vf. 11-VII-07, juris et al.

1.1.7 Folgen für das Eigentum
1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
1.2.7 Aufgabenzuweisung
1.3.2 Bebauungsplan
1.3.4 Abwägung (Anforderungen & Rechtsfolgen von Fehlern)
1.3.5 Erschließung im Außenbereich
2.1.2 Erscheinungsbild
2.2.1.1 Grundsätze
2.3.3 Um-, An- und Aufbauten, Nutzungsänderungen
2.4.1.7 Nachteilige Veränderungen des Orts- und Landschaftsbilds (Umgebung / Freiraum / Sichtbeziehungen vom und zum Denkmal)
3.2.1 Schutz des kulturellen Erbes
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Abweisung der Verfassungsbeschwerde gegen BayVerfGH, Entscheidung vom 22.07.2008, Az.: Vf. 11-VII-07, juris et al.
BVerfG, Beschluss, 04.11.2008, AZ: 1 BvR 2351/08, Publikationsart: n. v.

1.1.7 Folgen für das Eigentum
1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
1.2.7 Aufgabenzuweisung
1.3.2 Bebauungsplan
1.3.4 Abwägung (Anforderungen & Rechtsfolgen von Fehlern)
1.3.5 Erschließung im Außenbereich
2.1.2 Erscheinungsbild
2.2.1.1 Grundsätze
2.3.3 Um-, An- und Aufbauten, Nutzungsänderungen
2.4.1.7 Nachteilige Veränderungen des Orts- und Landschaftsbilds (Umgebung / Freiraum / Sichtbeziehungen vom und zum Denkmal)
3.2.1 Schutz des kulturellen Erbes
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1. Im Grundsatz dürfte eine denkmalpflegerische Dienstbarkeit über den öffentlich-rechtlichen Denkmalschutz (Abbruch- und Veränderungsverbot [denkmalpflegerische Verpflichtung], Art. 4  ff. BayDSchG) hinaus auf privatrechtlicher Ebene in Betracht kommen (vgl. LG Passau, MittBayNot 1977, 191 f.; Quack, Rpfleger 1979, 281).
2. Dabei ist die Grenze zwischen Bestimmtheit und Unbestimmtheit fließend. Einerseits werden die Anforderungen überspannt, wenn man eine Begriffsbestimmung fordert, die von vornherein für alle nur denkbaren Fälle jede Möglichkeit eines Zweifels ausschließt, denn dies wird vielfach nicht möglich sein.
3. Die Bezeichnung muss aber so bestimmt sein, dass der Richter im Streitfall nach verständigem Ermessen – bei sinnvoller Auslegung – in der Lage ist, die Grenze zu ziehen (vgl. OLG Düsseldorf, Rpfleger 1979, 305). Es muss nämlich jedermann aus dem Grundbuch und den dazugehörigen Urkunden den Inhalt der Eintragung klar ersehen können.
4. Der Rechtsinhalt muss auf Grund objektiver Umstände bestimmbar und für einen Dritten erkennbar und verständlich sein, so dass dieser in der Lage ist, die hieraus folgende höchstmögliche Belastung des Grundstückseigentums einzuschätzen und zumindest eine ungefähre Vorstellung davon zu gewinnen, welche Bedeutung die Dienstbarkeit für das Eigentum konkret haben kann (vgl. OLG Brandenburg, FGPrax 2009, 100 / BeckRS 2009, 07173; OLG München, NJW-RR 2011, 1461; Staudinger/ Meyer, § 1018 Rdnr. 88).
5. Dabei können die objektiven Umstände jedoch auch außerhalb des Grundbuchs liegen, sofern sie nachprüfbar und wenigstens in der Eintragungsbewilligung angedeutet sind.
6. Je gravierender allerdings die mit der Dienstbarkeit verbundene Einschränkung des betroffenen Eigentümers ist, desto größere Anforderungen müssen an die Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes gestellt werden. Das bedeutet aber auch, dass zum Verständnis nicht die Kenntnis von Grundsätzen notwendig sein darf, die beim „normalen“ Grundbuchinteressenten billigerweise nicht vorausgesetzt werden können (vgl. OLG München, MittBayNot 2008, 380 / BeckRS 2008, 13275).
7. Diesen Anforderungen genügt die Dienstbarkeit nur insofern, als die Dienstbarkeit sich auf das Verbot des Abbruchs bezieht, nicht jedoch auf das Verbot sonstiger Maßnahmen.
8. Der Abbruch des Gebäudes hat unter denselben Voraussetzungen zu unterbleiben wie Veränderungen, Instandsetzungen und Umbaumaßnahmen. Es ist alles zu vermeiden, was gegen die Grundsätze der Denkmalspflege und die jeweils einzuholenden Weisungen des (hier: Bayerischen) Landesamtes für Denkmalspflege verstößt.
9. Dem Grundbuchamt ist darin Recht zu geben, dass die Maßnahmen, bei denen die Grundsätze der Denkmalspflege zu beachten sind, konkretisiert sind. Es handelt sich letztlich um jede bauliche Maßnahme an dem Gebäude.
10. Nicht ausreichend konkretisiert ist aber, unter welchen Umständen diese Handlungen zu unterlassen sind. Insoweit ist auf die „Grundsätze der Denkmalspflege“ verwiesen.
11. Diese sind aber nicht ohne weiteres für jeden Interessenten erkennbar. Sie sind fließend, einem Wandel unterworfen und auch anderweitig – etwa durch Rechtsquellen – nicht ausreichend konkretisiert. Um diese Grundsätze einschätzen zu können, sind spezielle Fachkenntnisse erforderlich. Es ist schließlich nicht ausgeschlossen, dass auch unter den Fachleuten Uneinigkeit herrscht, welche Grundsätze im Einzelnen wann anzuwenden sind.
12. Zwar wahrt ein umfassender Verzicht auf die Ausübung von Rechten den Bestimmtheitsgrundsatz (vgl. BayObLGZ 2004, 103 / NJW-RR 2004, 1460). Der Bestimmtheitsgrundsatz wäre daher gewahrt, wenn jede Maßnahme, die in den baulichen Bestand eingreift, von der Zustimmung einer Behörde abhängig gemacht worden wäre.
13. Dies ist aber in der Bewilligung vom Dezember 1971 gerade nicht der Fall. Nach dem Wortlaut der Bewilligung muss der Grundstückseigentümer (nur) Handlungen unterlassen, die gegen die Grundsätze der Denkmalspflege und die „einzuholenden“ Weisungen des (hier: Bayerischen) Landesamts für Denkmalspflege verstoßen. Es ergibt sich daraus schon nicht eindeutig, wann derartige Weisungen eingeholt werden müssen. Insbesondere stehen die Grundsätze der Denkmalspflege gleichberechtigt neben den Weisungen.
14. Die Bewilligung stellt auch nicht klar, ob und inwieweit das (hier: Bayerische) Landesamt für Denkmalspflege die Möglichkeit eingeräumt bekommt, über die öffentlich-rechtlichen Vorschriften hinaus Anforderungen zu stellen und auf zivilrechtlichem Weg durchzusetzen oder auch abweichend von den „Grundsätzen der Denkmalpflege“ Handlungen zu genehmigen.
15. Insoweit genügt eine Dienstbarkeit nach der der Grundstückseigentümer Handlungen zu unterlassen hat, die gegen die Grundsätze der Denkmalpflege und die jeweils einzuholenden Weisungen einer Behörde verstoßen, nicht dem grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Diese Nutzungsbeschränkung entsprechend den „allgemeinen Grundsätzen der Denkmalspflege“ ist mehrdeutig und damit grundbuchrechtlich zu unbestimmt.
OLG München, Beschluss, 19.12.2011, AZ: 34 Wx 417/11, Publikationsart: NJOZ 2012, 843

1.1.10 Denkmaleigenschaft und Zivilrecht
1.2.3 Nebenbestimmungen, Nachträgliche Anordnungen
1.2.7 Aufgabenzuweisung
1.7 Förderung
1.7.2 Ausgleichs-/Entschädigungsfonds
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1. Das zur denkmalschutzrechtlichen Beurteilung erforderliche Fachwissen vermittelt in erster Linie die staatliche Denkmalfachbehörde.
2. Das Gericht darf deshalb bei seiner Entscheidung die fachkundigen Stellungnahmen dieser Fachbehörde verwerten.
3. Ein gerichtliches Sachverständigengutachten ist zur Beurteilung der Denkmaleigenschaft nur dann erforderlich, wenn bestimmte Tatsachen zur Bedeutung des betreffenden Gebäudes nach den Kriterien des § 2 Abs. 1 Satz 2 DSchG ST klärungsbedürftig geblieben sind, weil die bisherigen Feststellungen im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren dafür nicht genügend Grundlagen bieten.
4. Das öffentliche Interesse an der Erhaltung einer denkmalwürdigen Sache kann entfallen, wenn ihre historische Substanz soweit verloren geht, dass sie ihre Funktion, Aussagen über geschichtliche Umstände oder Vorgänge zu dokumentieren, nicht mehr erfüllen kann.
5. Bloße Erhaltungsmaßnahmen führen regelmäßig nicht zum Verlust der Denkmaleigenschaft.
6. Für die Frage, ob die Erhaltung eines Denkmals dem Eigentümer wirtschaftlich zumutbar ist, kommt es nicht auf seine subjektiven wirtschaftlichen Verhältnisse an, sondern auf eine objektive Wirtschaftlichkeitsberechnung in Bezug auf das Schutzobjekt.
7. Im gerichtlichen Verfahren kommt es nicht darauf an, ob es dem zu Erhaltung Verpflichteten im Verwaltungsverfahren gelungen ist, gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 DSchG ST die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Erhaltung des Gebäudes glaubhaft zu machen.
8. Ist ein Gebäude in seinem aktuellen Zustand für den Eigentümer nicht (mehr) nutzbar, sind bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Finanzierungskosten einer Sanierung einzustellen, welche die Erhaltung des Denkmals sichert und zugleich eine zeitgemäße Nutzung ermöglicht.
9. In den erforderlichen Sanierungsaufwand sind auch diejenigen Kosten einzubeziehen, die aufgrund der heute geltenden Anforderungen des Bau- und Sicherheitsrechts (insbesondere Brandschutz) entstehen.
10. Die durch Verletzung denkmalrechtlicher Pflichten ersparten Aufwendungen sind abzuziehen.
11. Gehört ein Kulturdenkmal zu einer Sachgesamtheit, darf nicht isoliert auf das Gebäude abgestellt werden, das beseitigt werden soll; vielmehr muss eine einheitliche wirtschaftliche Betrachtung der Sachgesamtheit vorgenommen werden.
12. Legt der Denkmaleigentümer trotz entsprechender Aufforderung des Gerichts keine Nachweise zur Höhe seiner Einkünfte bzw. der seiner Gesellschafter vor, darf das Gericht eine Schätzung der nach § 10 Abs. 5 Satz 2 DSchG ST anzurechnenden steuerlichen Vorteile vornehmen.
13. Macht der Denkmaleigentümer nicht von der Möglichkeit Gebrauch, öffentliche Mittel in Anspruch zu nehmen, muss er sich so behandeln lassen, als habe er diese Möglichkeit wahrgenommen.
14. Ihm obliegt es, einen entsprechenden Antrag zu stellen, damit eine verbindliche Entscheidung über die Gewährung möglicher Zuwendungen getroffen werden kann.
15. Er kann sich nicht darauf zurückziehen, dass ein solcher Antrag nach seiner Einschätzung keine Aussicht auf Erfolg habe oder gehabt hätte.
OVG Sachsen-Anhalt, Urteil, 15.12.2011, AZ: 2 L 152/06, Publikationsart: juris / BRS 78 Nr. 206 (2011) / ZfBR 2012, 387

1.1.4 Denkmalwürdigkeit
1.1.5 Veränderungsfolgen
1.2 Zuständigkeiten, Verfahrensfragen
1.2.7 Aufgabenzuweisung
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
2.2.1.1 Grundsätze
2.2.5 Sozialbindung, Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit, Darlegungslast
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1. Auf eine denkmalrechtliche Abrissgenehmigung, die im Wege einer Fiktion nach § 14 Abs.11 DSchG ST erteilt worden ist, kann der Antragsteller wirksam verzichten. 
2. § 10 Abs. 6 DSchG ST, wonach Eingriffe in ein Kulturdenkmal, die es seiner Denkmalqualität berauben oder zu seiner Zerstörung führen, nur genehmigt werden dürfen, wenn alle Möglichkeiten einer Erhaltung ausgeschöpft wurden, verpflichtet die Denkmalschutzbehörden und nicht den Grundstückseigentümer.
3. Die Pflichten des Grundstückseigentümers in Bezug auf die Erhaltung eines Baudenkmals enden mit der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit von Erhaltungsmaßnahmen i.S.v. § 10 Abs. 4 DSchG ST.
OVG Sachsen-Anhalt, Urteil, 29.10.2009, AZ: 2 L 200/07, Publikationsart: juris / BRS 74 Nr. 215 (2009) / ZfBR 2010, 387 / BRS 77 Nr. 191 (1986-2011)

1.2 Zuständigkeiten, Verfahrensfragen
1.2.1 Schutz- und Erhaltungspflichten
1.2.2 Erlaubnisfiktion
1.2.7 Aufgabenzuweisung
2.2.1 Abbruch eines Einzeldenkmals
2.2.5 Sozialbindung, Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit, Darlegungslast
2.2.6 Gebundene Entscheidung (Prüfung, Ausgleichsleistungen, Ermessen, Abwägung)